Warten auf die Impfung
Mit der Wiedereröffnung der Beherbergungsbetriebe Ende Mai lief der Tourismus in Österreich im Juni 2020 nur sehr zögerlich an: Die Zahl der Gästeankünfte lag laut Auskunft des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO) wenig überraschend um 61,5% unter dem Vergleichswert von 2019, jene der Übernachtungen um 58,6%. Für die Sommervorsaison von Mai bis Juni 2020 bedeutet dies insgesamt Einbußen in der mengenmäßigen Nachfrage (Ankünfte ‑73,9%, Nächtigungen ‑70,2%) und bei den Einnahmen (nominell ‑69,9%, real ‑70,2%).
Nahmärkte als Hoffnungsträger
Das Nächtigungsaufkommen der internationalen Touristen fiel mit ‑81,3% wie erwartet sehr viel geringer aus als im Zeitraum Mai bis Juni 2019; Österreicher entschieden sich hingegen häufiger für einen Urlaub im Inland, die Nachfrage ging „nur“ um 48,3% zurück. Das veränderte die Gästestruktur in Österreich ganz erheblich: Kamen im Vergleichszeitraum des Vorjahres 66,2% der Gäste aus dem Ausland, so waren es 2020 lediglich 41,5%. Die Nahmärkte erwiesen sich dabei als Hoffnungsträger des heimischen Tourismus: 88,7% der internationalen Nächtigungen wurden im Juni 2020 aus diesen Regionen generiert. Ein annähernder Totalausfall der Reiseaktivitäten mit Nächtigungsrückgängen von mindestens 95% war für Gäste aus Dänemark, Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Russland, den USA und Schweden zu verzeichnen.
Von den einzelnen Unterkunftsarten kamen im Mai und Juni 2020 die Privatquartiere mit einem relativ geringen Rückgang von ‑55,0% bisher am besten durch die Krise. Auch bei den Ferienwohnungen und ‑häusern (gewerblich ‑62,9%, privat ‑61,4%) fiel der Rückgang weniger hoch aus als im Durchschnitt. Die Hotellerie verzeichnete dagegen insgesamt ein überdurchschnittliches Minus bei den Nächtigungen (‑74,5%). Am stärksten in Mitleidenschaft gezogen waren die gehobeneren Kategorien (5/4-Sterne ‑76,1%, 3-Stern ‑72,9%, 2/1-Stern ‑70,9%).
Fragezeichen vor der Wintersaison
Die Aussichten für den Rest des Jahres sind laut WIFO von einiger Unsicherheit geprägt, birgt doch der in der kälteren Jahreszeit vermehrte Aufenthalt in geschlossenen Räumen höhere Infektionsrisiken, was nicht nur die Reiselust empfindlich dämpfen, sondern auch verschärfte Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit mit sich bringen könnte. Über das gesamte Kalenderjahr 2020 gesehen kann in einer aktualisierten Szenarienrechnung des WIFO mit einem Rückgang der Zahl der Nächtigungen zwischen 25% und 30% gerechnet werden, wobei unter diesen Annahmen die Nächtigungen inländischer Gäste um 16% bis 22%, jene von ausländischen Gästen um 28% bis 33% unter dem jeweiligen Vorjahrsniveau liegen würden. Erst nach breiter Verfügbarkeit eines Impfstoffes, die laut zahlreichen Experten nicht vor dem Frühjahr 2021 zu erwarten ist, kann mit einer langsamen Normalisierung des Reiseverkehrs und damit der touristischen Einnahmen gerechnet werden.