Reisebranche muss sich neu aufstellen
Die Pleite des zweitgrößten europäischen Reisekonzerns Thomas Cook jagt weiterhin Schockwellen durch die Branche. Der Markt der Reiseveranstalter muss sich neu sortieren. Zumindest der zu Thomas Cook gehörende Ferienflieger Condor kann vorerst aufatmen. Der Bund und das Land Hessen wollen der Airline mit Sitz in Frankfurt mit einem Überbrückungskredit helfen. Es geht um 380 Millionen Euro, wie es in Verhandlungskreisen hieß. Bislang fliegt Condor planmäßig – und die Reiseindustrie setzt darauf, dass die Airline weiter in der Luft bleibt. „Sollte Condor den Flugbetrieb einstellen, wäre das eine Katastrophe für die Branche angesichts der bevorstehenden Herbstferien“, sagt Tourismusexperte Torsten Kirstges. Die fehlenden Kapazitäten ließen sich nicht so schnell ausgleichen. „Die Veranstalter müssten den betroffenen Kunden Schadenersatz zahlen.“
„Gesamte Touristik auf Condor angewiesen!“
Denn Condor fliegt nicht nur für Thomas Cook, sondern ist auch ein wichtiger Partner für andere Reiseveranstalter. Im Schnitt sind nach Angaben des Unternehmens weniger als ein Fünftel der Condor-Passagiere Gäste der Thomas-Cook-Veranstaltermarken. „Ein Grounding der Condor wäre für die Touristik und die Kunden katastrophal“, sagte DER-Touristik-Zentraleuropa-Chef Ingo Burmester. Auf der Mittelstrecke gebe es nach der Pleite von Air Berlin, Germania und Small Planet außer Tuifly und der Lufthansa-Tochter Eurowings keinen größeren deutschen Ferienflieger mehr. Auf der Fernstrecke sei die gesamte Touristik auf Condor angewiesen.
Gewinner: Tui, DER Touristik, FTI
Der Markt der Reiseveranstalter wird durch die Thomas-Cook-Insolvenz ebenfalls kräftig durcheinander gerüttelt. „Gewinner werden andere Veranstalter wie beispielsweise Tui, DER Touristik oder FTI sein“, sagt Experte Kirstges. „Denn die Kunden werden wegen der Insolvenz von Thomas Cook grundsätzlich nicht weniger reisen. Das Geschäft wird sich umverteilen auf andere Player. Das wird relativ schnell gehen.“ Die Unwägbarkeiten des Brexits und verändertes Buchungsverhalten hatten den ohnehin schon unter Druck stehenden Traditionskonzern Thomas Cook Anfang der Woche in die Insolvenz getrieben. Überteuerte Übernahmen und viel zu späte Veränderungen bei Technik und Geschäftsstrategie hatten den Konzern in eine Abwärtsspirale gebracht, aus der er nicht mehr herausfand.
Verlierer: Deutsche Reisebüros, die Thomas-Cook-Reisen vermitteln
Der frühere Vodafone-Manager Joussen treibt bei Marktführer Tui zudem die Digitalisierung voran. Die Kunden sollen Reisen und Zusatzangebote direkt per App buchen, warb er – und fing sich heftige Kritik der Reisebüros ein. Doch Joussen reagiert mit seiner Strategie vor allem auf das geänderte Reise- und Buchungsverhalten der Europäer. Die klassische Pauschalreise ist immer weniger gefragt, und das Internet macht die Preise bei identischen Hotels und Flügen so übersichtlich, dass eigentlich nur der günstigste Anbieter eine Chance hat. Aktuelle Verlierer sind nach Einschätzung von Experte Kirstges die deutschen Reisebüros, die Thomas-Cook-Reisen vermittelten und «ihre Provision dafür nicht mehr bekommen dürften». Der Professor an der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven rechnet dennoch nicht mit einem baldigen Ende der Pauschalreise. Tui-Chef Joussen sieht das so: „Komfort und Sicherheit bei der Organisation des Urlaubs ist weiter sehr wichtig, aber eben auch ein hohes Maß an Individualisierung. Der Begriff Pauschalreise ist nicht sonderlich modern, die Leistung aber weiter sehr attraktiv.“ (dpa/TH)