Operation gelungen, Patient tot
Des einen Freud, des anderen Leid: Während die Gastronomie und Hotellerie in Berlin aufblüht, ist der wachsende Tourismus den Linken ein Dorn im Auge. Sie wollen jetzt die Ausgaben für das Tourismusmarketing in Berlin kürzen, mittelfristig (in einem Fünfjahresplan vielleicht?) sogar ganz einstellen. Denn deren tourismuspolitische Sprecherin Katalin Gennburg warnte, dass Berlin allmählich zum neuen „Ballermann“ mutieren würde und sprach zugleich die sozialen sowie ökologischen Auswirkungen von Massentourismus an.
Ein interessanter wirtschaftspolitischer Ansatz ist der Gedanke allemal: Einem gut funktionierenden, wirtschaftlich erfolgreichen und stetig wachsenden System, von dem tausende Unternehmen und noch viel mehr Leute leben, den Hahn abzudrehen, um damit ein vermeintliches Nebenproblem zu lösen. Aber gut, die Linke ist die Nachfolgepartei der PDS, die wiederum die Nachfolgeparte der SED war und diese hat in mehreren Jahrzehnten DDR-Geschichte ihre „alternativen“ wirtschaftlichen Ideen, nachhaltig unter Beweis stellen können. An deren Folgen laborieren heute noch ganze Landstriche. Trotzdem – bzw. gerade deshalb – ist es immer wieder erstaunlich, wie wenig lernfähig manche Politiker aus der eigenen Geschichte sind.
SPD gegen Koalitionspartner
Wenigstens hat dieses Mal der Berliner Koalitionspartner SPD, der sonst (speziell in gesellschaftspolitischen Anliegen, Stichwort „Unisex-Toilette“) ideologisch oft nicht sehr weit von den Linken entfernt ist, seine Gefolgschaft bei diesem Vorstoß versagt. „Für uns ist Berlin eine lebendige, aber auch offene Stadt, und das heißt, wir freuen uns, wenn Menschen nach Berlin kommen“, erklärte etwa SPD-Politiker Daniel Buchholz von der Stadtentwicklung. Denn so weit kann die SPD zumindest mit dem Taschenrechner umgehen, um zu erahnen, was das Einstellen des Tourismusmarketings in Berlin für wirtschaftliche Konsequenzen hätte.
Dass Massentourismus – Stichwort Overtourism – dabei auch seine Schattenseiten hat, ist unbestritten, dass man in solchen Fällen lenkend eingreifen kann und auch soll, bevor die Probleme zu groß werden, ebenso. Dass es aber Mittelwege gibt, dass man mittels Tourismusmanagement gezielt gegensteuern kann, ohne einem wichtigen Wirtschaftszweig gleich die Lebensader zu durchtrennen, sollte im Jahr 2019 selbst linken Politikern bekannt sein. Wobei eines natürlich stimmt: Mit zu vielen Touristen musste sich Ost-Berlin bis in die 1980er-Jahre tatsächlich nicht herumschlagen…