„Nur ‚made in Switzerland‘ draufzuschreiben genügt nicht mehr“
HOGAPAGE: Herr Schneider, ist „made in Switzerland“ heute noch ein Qualitätsmerkmal, das höhere Preise rechtfertigt, die der Kunde vor allem auch bezahlt?
Henrique Schneider: Da muss man unterscheiden. Innerhalb der Schweiz ist man bereit, deutlich mehr zu bezahlen, wenn man die Qualität spürt. Wenn auf einem Produkt nur draufsteht „made in Switzerland“, genügt das nicht mehr. Man muss den Mehrwert schon spüren, ein Produkt muss eine überdurchschnittlich lange Lebensdauer haben, besonders gut verarbeitet sein, ein Hotel braucht besonders schöne Zimmer und besonders freundliche Mitarbeiter.
Auch beim Export gibt es eine Klientel, die Wert legt auf „Swissness“, wo es aber bisweilen gar nicht so sehr um Qualität geht, als um das damit transportierte Image. Speziell in Asien gibt es diese Leute. In Europa oder den USA ist es schon viel schwieriger. Gerade die Amerikaner sind absolut nicht bereit, mehr zu bezahlen, bloß weil ein Produkt aus der Schweiz kommt. Da müssen wir wirklich mit Qualität oder Innovation punkten.
Wie problematisch ist der starke Schweizer Franken für exportorientierte Unternehmen?
Gerade wie der Franken sehr hoch war, haben wir eine Dreiteilung der Wirtschaft beobachtet. Das eine Drittel war auf die Situation vorbereitet. Die haben auf Effizienzsteigerung gesetzt, versucht sich mit Fremdwährungskäufen abzusichern und sich rechtzeitig nach Alternativmärkten umgesehen, etwa in Asien oder Südamerika.
Ein zweites Drittel war zwar nicht darauf vorbereitet, wurde dann aber zum Handeln gezwungen und hat die Situation genutzt, sich ähnlich wie die erste Gruppe neu aufzustellen.
Das letzte Drittel hat es verabsäumt, Reformen umzusetzen und versucht, irgendwie durch diese Zeit zu kommen. Das sind diejenigen, die jetzt jammern, dass sie von allen Märkten verdrängt wurden, keine Gewinnmarge mehr überbleibt, etc. Aber das ist eben eine normale ökonomische Folge, wenn man sich als Unternehmer nicht ständig auf Effizienz und Innovation selbst überprüft.
Wie hat sich der Exportmarkt für hochwertige und hochpreisige Produkte in den letzten Jahren entwickelt?
Der Exportmarkt ist für uns noch immer ziemlich gut, die Schweiz ist ein Nettoexportland, und wir reden hier nicht nur von Uhren und Käse. Wir sind Netto-Exporteure in Bereichen wie Maschinen, Chemie oder Papier. Allerdings kam es doch zu einer Verschiebung, weg vom Mittelmaß, hin zum High-End-Bereich.
Wie problematisch ist das im Vergleich zur EU hohe Schweizer Lohnniveau?
Wir haben tatsächlich sehr hohe Löhne und in einigen Branchen ist das auch aufgrund der höheren Produktivität rechtfertigbar. Aber diese höheren Löhne haben wir eben auch in anderen, Branchen, die mit anderen Ländern gut vergleichbar sind. In der Gastronomie oder Hotellerie sind wir eben kaum produktiver als etwa die Österreicher, dafür zahlen wir einer Gastronomiefachkraft über 3.700 Franken Mindestlohn. Und das ist natürlich für viele Unternehmen ein Problem.
Ganz generell gesehen: Wo hat die Schweizer Industrie Vorteile gegenüber der EU-Konkurrenz?
Das klingt jetzt hoffentlich nicht überheblich, aber ich denke, dass die Schweiz in bestimmten Segmenten einfach bessere Qualität liefern kann als die Konkurrenz. Und wir sind auch sehr gut darin, die Wünsche der Kunden zu erfassen und sie zu erfüllen, durchaus auch mit einzigartigen Produkten. Genau diese Kombination von Qualität, Flexibilität und Prestige würde ich jetzt als USP der Schweiz gegenüber anderen Ländern bezeichnen. (CK)