„Möglichst billig verreisen, muss aufhören“
Die Reisegewohnheiten werden nach Corona deutlich anders aussehen, zeigt sich Touristik-Experte Urs Weber, Marktverantwortlicher für Schweiz-Tourismus Österreich, im Interview mit der Online-Plattform pressetext überzeugt. „Die Zeiten, in denen man möglichst billig, möglichst schnell in ein ganz anderes Umfeld kommt, sind meines Erachtens vorbei. „Nachhaltigkeit wird mehr und mehr aus der Greenie- und veganen Ecke rauskommen. Vielen wird bewusst werden, dass es einfach nicht in Ordnung ist, für 100, 50 oder noch weniger Euro nach Neapel oder London zu fliegen“, kritisiert Weber.
Weber zeigt sich davon überzeugt, dass andere Verkehrsmittel, wie etwa die Bahn, deutlich zulegen werden. „In der Schweiz haben wir bereits seit langer Zeit ein hervorragend ausgebautes und auch intermodal abgestimmtes Verkehrssystem. Das bedeutet, dass Anschlüsse zwischen Bahn, Bus und Schiff aufeinander abgestimmt sind. Zudem kann das mit dem Swiss Travel Pass – also mit nur einem einzigen Ticket – benutzt werden.“
Neue Art des Reisens und Erlebens
Der Fachmann sieht in alternativen Reiseerlebnissen jedenfalls eine große Chance. „Zu den spannendsten Formen gehört das ‚Volunteering‘, wo man anderen freiwillig hilft, ganz egal, ob man bei der Renovation einer Schule in Bhutan oder beim Aufbau einer ordentlichen Trockensteinmauer in einem Weingarten am Genfersee mithilft.“ Etwas mit Sinn zu machen, ist aus seiner Sicht der Gipfel des Luxus sowie die „oberste – und gleichzeitig sinnvollste – Art, Urlaubstage zu verbringen und Kraft zu tanken“.
Reisebüros und Pauschalreisen werden, so Weber, weiterhin ihre Berechtigung haben. „Gerade die tollen Möglichkeiten, die das Internet bietet, stärken sogar den bisherigen, alten Vertrieb.“ Vermehrte Bedeutung käme aber persönlichen Erklärungen, Erfahrungen von Spezialisten, die selbst schon in einer Destination waren oder mit Guides gesprochen haben, zu. „Denn das Menschliche, das wird wieder viel mehr an Bedeutung gewinnen“, ist sich Weber sicher.
Heutige Reisegewohnheiten oft „abstrus“
Weber kritisiert: „Es erscheint mir persönlich immer noch recht abstrus, mich stundenlang in den Flieger zu zwängen, in einem Land mit völlig anderer Geschichte und Kultur anzukommen, und dort dann zwei Wochen in einem Refugium zu bleiben, das dem Essen, der Einrichtung und dem Service nach möglichst dem entspricht, was wir hier in Europa als Luxus bezeichnen.“
Unter diesen Aspekten gehe alles „Lokale“ völlig verloren – mitsamt dem Gefühl, „ganz weit weg“ zu sein. „Dazu sind strukturelle Veränderungen nötig. Dazu gehören unter anderem solide, glaubwürdige Informationsquellen, Protagonisten, die ohne Dramatik die Situation und Herausforderungen darstellen“, erklärt Weber abschließend. (pte/CK)