Kommentar

Flugverbot für das Klima?

Lufthansa Flugzeug am Flughafen
Geht es nach grünen Politikern sollen Flugzeuge künftig wesentlich öfter auf dem Boden bleiben. (© Oliver Roesler / Lufthansa Bildarchiv, FRA CI/P)
In Schweden, der Heimat von Klimaikone Greta Thunberg, existiert bereits das Wort „Flygskam“ – Flugscham. Derzeit schwappt diese Debatte auch nach Mitteleuropa. Doch welchen Preis würde der Tourismus zahlen?
Donnerstag, 25.07.2019, 11:22 Uhr, Autor:Clemens Kriegelstein

In Deutschland fordern die Grünen aus Klimaschutz-Gründen ein Ende der Inlandsflüge und auch in Österreich ist die Diskussion über dieses Thema schon entbrannt. Sogar ein Sprecher der Austrian Airlines gibt gegenüber der Kronenzeitung zu, dass die Kurzstrecken von Wien nach Graz, Klagenfurt, Salzburg oder Innsbruck „ökologisch wie ökonomisch nicht sinnvoll“ seien. Man verdiene kaum etwas an diesen Kurzstrecken, und für die Umwelt seien sie auch nicht gut. Aber die Flüge seien für Transfers wichtig. Urlauber etwa aus Klagenfurt würden nach Schwechat fliegen, um von dort aus einen Langstreckenflug anzutreten.

Aus dem Westen gibt es zwar eine recht brauchbare Alternative mit der Bahn, von Kärnten aus muss man allerdings für die Fahrt nach Wien mit den ÖBB schon eine gewisse Portion Enthusiasmus mitbringen.

Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld…?

Und schon wenn ein Tiroler einen Tagestermin in Wien wahrnehmen muss (oder umgekehrt), wird es zeitlich jedenfalls eng: Der Flug dauert rund eine Stunde, incl. Fahrt zum und vom Flughafen, Check-In, etc. vielleicht drei Stunden one way. Die Bahn macht es nicht unter 4:13 Stunden reine Fahrzeit, also summa summarum mindestens fünf Stunden, eher mehr. Tour retour also eine Zeitersparnis von über vier Stunden. Noch schlimmer sieht die Sache aufgrund größerer Distanzen in Deutschland aus. München-Hamburg dauert per Flieger 1:20 Stunden, mit der Bahn gute sechs Stunden. Da sollte der Termin oder Messebesuch lieber nicht lange dauern, wenn man am gleichen Tag wieder zu Hause ankommen möchte. Und es würde wohl viele Milliarden Euro und wesentliche Infrastruktur-Maßnahmen brauchen, um diese Zeiten nennenswert zu drücken.

Doch die Frage ist außerdem, wo die Grenzen einer Verbotspolitik sind? Wien-Innsbruck, Stuttgart-Berlin mit der Bahn? Kann man aus Umweltschutzgründen vielleicht machen. Und wie sieht es mit Berlin-Amsterdam, Zürich-Paris oder Wien-Warschau aus? Wir sind ja schließlich alle in der EU und das Klima kennt keine Landesgrenzen. Allenfalls könnten grüne Politiker ja mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Auftritte im EU-Parlament in Brüssel mit der Bahn statt mit dem Flieger absolvieren. (Dass es global betrachtet vermutlich nicht mal einen nennenswerten Unterschied machen würde, wenn sich die gesamte EU nur mehr mit Pferdekutschen fortbewegt, sei hier nur am Rande erwähnt.) Der Städtetourismus würde jedenfalls massiv darunter leiden, wenn Distanzen bis zu 1000 Kilometern plötzlich nur mehr per Bahn erreichbar wären – egal wie schnell diese fährt.

Auto ebenfalls verpönt

Das Auto ist bei solchen Entfernungen – zumindest bei kurzzeitigen Aufenthalten – ohnehin keine Alternative, zumal die Grünen hier wie dort ja auch nie ein Hehl daraus gemacht haben, diesen mittels drastisch höherer Mineralöl-, CO2- oder sonstiger Steuern und kilometerabhängiger Straßenmaut im gesamten Straßennetz ebenfalls marginalisieren zu wollen – womit der Wochenendtrip etwa von Wien nach Triest nur mehr ein Hobby für die oberen Zehntausend würde. (Und auch hier: Mit dem Auto braucht man auf der Strecke Haus zu Haus rund 4,5 bis maximal fünf Stunden. Mit der Bahn geht’s nicht unter mindestens acht Stunden.)

Und um die Relation insgesamt zu wahren: Nach Aussagen von Günther Ofner, Vorstandsdirektor des Wiener Flughafens, werden weltweit gerade mal 2,7 Prozent der CO2-Emissionen von der Luftfahrt verursacht, innerhalb Europas seien es 0,5 Prozent und innerhalb Österreichs gar nur 0,2 Prozent. Der Effekt für das Weltklima dürfte sich durch ein Flugverbot in Deutschland oder Österreich also in Grenzen halten.

Der WienTourismus hat übrigens im ersten Halbjahr 2019 soeben einen Umsatzrekord und ein sattes Nächtigungsplus verzeichnet. Vielleicht sollten bei Plänen wie denen der Grünen neben Friday-for-Future-Aktivisten auch ein paar Tourismusvertreter oder Ökonomen befragt werden.

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