Buchungen „in einer bisher nicht gekannten Dynamik“
Am Sonntag hat die Bundesregierung die Reisewarnung für verschiedene Urlaubsländer aufgehoben – darunter für Mallorca und andere Regionen Spaniens, Portugal und Dänemark. Das bedeutet: Keine Quarantäne und Testpflicht nach der Rückkehr mehr. Die Folge: Vor allem für Mallorca sind die Buchungen sprunghaft angestiegen. Der größte Fluganbieter Eurowings sprach am Sonntag von Buchungen „in einer bisher nicht gekannten Dynamik“ und legte kurzfristig 300 zusätzliche Flüge für die Osterzeit auf. Beim größten Reiseveranstalter TUI wurden am Wochenende doppelt so viele Reisen nach Mallorca gebucht wie im gleichen Zeitraum vor zwei Jahren, als die Pandemie noch nicht das Geschehen bestimmte.
Gleichzeitig forderte der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, dass auch Urlaub in Deutschland wieder möglich sein müsse: „Für mich wäre es schwer vorstellbar, dass auf Mallorca Urlaub möglich ist, aber im Schwarzwald Hotels noch geschlossen bleiben. Das wäre eine ganz bittere Botschaft“, sagte er. Auch der Dehoga dringt auf eine Perspektive für Urlaub im Inland. „Wut und Verzweiflung wachsen ohne Ende“, machte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges deutlich.
Zahlreiche Zusatzflüge werden eingerichtet
Neben Mallorca sind auch die anderen Balearen-Inseln – darunter Menorca, Ibiza und Formentera – sowie Teile des spanischen Festlands, wie die Küstengebiete Murcia und Valencia mit vielen Urlaubszielen, seit Sonntag keine Corona-Risikogebiete mehr. Das gilt auch für den gesamten Norden Portugals, die Region Nordjylland in Dänemark sowie die Bahamas in der Karibik. Bereits am vergangenen Wochenende war die Reisewarnung für die beliebte kroatische Urlaubshalbinsel Istrien aufgehoben worden. Entscheidend für einen solchen Schritt ist, dass die Infektionszahlen die Marke von 50 pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche unterschreiten. Auf den Balearen lag dieser sogenannte Inzidenzwert am Freitag bei 21,3.
Die Fluggesellschaften dürfte diese jüngsten Entwicklungen freuen. Die Lufthansa-Tochter Eurowings will bereits am Donnerstag mit den Zusatzflügen nach Mallorca starten. Am Sonntag waren alle fünf Flüge auf die Insel ausgebucht, für zwei Verbindungen wurden nach Angaben einer Sprecherin extra größere Maschinen eingesetzt. „Die plötzlichen Buchungseingänge sowie die entsprechenden Zusatzflüge verteilen sich quer über das ganze Land“, hieß es in einer Erklärung des Unternehmens. TUI hat bereits angekündigt, die ersten Hotels auf Mallorca nächstes Wochenende wieder zu öffnen und wieder Flüge von Hannover, Frankfurt und Düsseldorf anzubieten. „Wir werden kurzfristig entscheiden noch weitere Flüge aufzunehmen, um dem Reisewunsch unserer Gäste nachzukommen“, erklärte TUI Deutschland-Chef Marek Andryszak.
Bunderegierung löst ungewollte Entwicklung aus
Die Bundesregierung hat damit eine Entwicklung angestoßen, die sie eigentlich gar nicht beabsichtigt. In ihrem jüngsten Beschluss vom 3. März appellieren Bund und Länder „eindringlich“ an alle Bürger, „auf nicht zwingend notwendige Reisen im Inland und auch ins Ausland“ zu verzichten. Diese Haltung hat sich auch mit der Streichung Mallorcas und anderer Gebiete von der Corona-Risikoliste nicht geändert. Das Auswärtige Amt warnt zwar seit Sonntag nicht mehr vor Reisen dorthin, aber es rät in seinen Reisehinweisen im Internet weiterhin von „nicht notwendigen, touristischen Reisen“ ab – mit sehr begrenztem Erfolg, wie man an den Flugbuchungen ablesen kann.
Die Interessenlage scheint innerhalb der Bundesregierung auch nicht einheitlich zu sein. Der Tourismusbeauftragte Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, freute sich am Sonntag über „ein schrittweises Öffnen in Europa“. Sympathien zeigte der CDU-Politiker auch für die Forderung der Reiseveranstalter, die Quarantänepflicht für Rückkehrer aus dem Ausland ganz aufzuheben und stattdessen auf verstärkte Tests zu setzen. „Das zielt in die richtige Richtung“, sagte er. Rückkehrer aus Corona-Risikogebieten müssen derzeit zehn Tage in Quarantäne, von der man sich aber mit einem negativen Test nach fünf Tagen befreien kann. Das gilt derzeit noch für die meisten Regionen Europas, darunter alle Urlaubsziele in Italien, Frankreich, Österreich oder Griechenland.
Deutschlands Hotels bleiben weiter geschlossen
Besonders wichtig ist Bareiß, dass die einheimische Tourismusbranche nicht unter die Räder gerät. Danach sieht es im Moment aber aus. Bis zum 28. März gilt der Lockdown für Beherbergungsbetriebe. Wie es danach weitergeht, wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten erst am 22. März entscheiden. Die Chancen für eine baldige Lockerung sinken Tag für Tag mit den steigenden Infektionszahlen in Deutschland. Die Sieben-Tages-Inzidenz lag am Sonntag bereits bei 79 – fast vier Mal so hoch wie auf den Balearen.
Falls die Hotels weiter geschlossen bleiben, wäre das für die einheimische Tourismusbranche dramatisch. Nach Dehoga-Angaben ist der Umsatz im Gastgewerbe in den vergangenen zwölf Monaten um 63 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eingebrochen. 72,2 Prozent der Unternehmer würden um ihre Existenz bangen. „Es ist nicht erklärbar, der einheimischen Tourismusbranche keine Perspektive zu geben, während das Reisen ins Ausland ermöglicht wird“, betonte Hauptgeschäftsführerin Hartges. Das ist nicht das erste Mal, dass Maßnahmen nicht nachvollziehbar sind“, sagte sie zur Diskrepanz zwischen der Aufhebung der Reisewarnungen für Regionen im Ausland und der fehlenden Perspektive im Inland. „Wir möchten nicht das eine gegen das andere ausspielen, aber wir erwarten Gleichbehandlung.“ Die heimische Hotellerie verfüge über ausgezeichnete Hygiene- und Schutzkonzepte, die Gesundheit der Gäste wie Mitarbeiter habe höchste Priorität. Nun erwarte man, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen ihre Hausaufgaben machten. „Konkret: mehr Tempo beim Impfen und Testen ist jetzt überfällig“, forderte Hartges.
(dpa/KP)