„Gastronomie und Hotellerie haben einen noch höheren Stellenwert als mir bewusst war“
Herr Kittel, gerade haben Sie das 100. Mitgliedshaus in die Pretty-Hôtels-Gemeinschaft aufgenommen. Was verbindet all diese Häuser? Was ist das Besondere der Pretty Hôtels?
Sie alle eint, dass sie großen Wert darauf legen, wie ihr Haus aussieht. Nehmen Sie das 100. Mitgliedshotel, das Historic Refugium Zum Riesen in Südtirol. Wenn man das 9-Zimmer Hotel betritt, brennen auf einem alten Holztisch die Kerzen, im Hintergrund läuft gute Musik und die Besitzerin begrüßt einen im pinken Strickpullover. Das ist fast eine Blaupause für ein Pretty Hôtel. Wichtig ist, dass es zur Philosophie der Marke passt. Und da steht „pretty“ drin, also muss es auf irgendeine Art „hübsch“ sein. Die wahren Juwelen sind die, bei denen das ganz natürlich entstanden ist.
Die internationale Plattform der Hotelvereinigung Pretty Hôtels haben Sie vor rund 8 Jahren gegründet. Was war der Anlass?
Das ist ebenfalls sehr natürlich entstanden, weil ich zuvor 15 Jahre als Journalist schon sehr viele Hotels besucht und darüber geschrieben hatte. Im Playboy hatte ich eine Kolumne, die nannte sich „Herr Kittel testet die Welt“ – ich flog also an ganz viele schöne Orte und Städte und da war ab und zu auch ein pretty Hotel dabei. Die schönsten habe ich dann auf eine Website gestellt und sie unter dem Dach der „Pretty Hôtels“ vorgestellt.
Welchen Ansatz verfolgen Sie?
Durch Facebook und auch Google sind die Zugriffszahlen der Website www.pretty-hotels.com relativ schnell in die Höhe gegangen. Wir haben uns in den ersten vier Jahren eine sehr angenehme und für die Hotels sehr passende Fangemeinde aufgebaut. Später kam noch ein Instagram Kanal dazu. Dort werden die Hotels zusätzlich promotet – in den von uns erfundenen „Pretty Hôtels Weekend News“. Jeden Sonntag werden sie auch mit Hilfe von kleinen Videos vorgestellt. Das kam in den vergangenen Jahren sehr gut an und die Hotels bekamen nicht nur gute Buchungen, sondern auch Buchungen von den richtigen Gästen. Das ist ja auch nicht ganz unwichtig.
Wie beurteilen Sie, ob ein Hotel bei Ihnen aufgenommen wird?
Also ich teste jetzt nicht den Wasserstrahl eines Duschkopfs. Es ist auch egal, ob das Hotel nur zwei oder fünf Sterne hat. Wichtig ist, dass das Interieur zusammenpasst und nichts zu gestellt wirkt. Schön war, dass wir selbst im Corona-Jahr um die 300 Anfragen bekamen. Bevor ein Haus aufgenommen wird, schauen wir es uns in jedem Fall an. „Wir“ bedeutet in diesem Fall, dass es ein paar „Botschafter“ in anderen Ländern gibt, die sich ebenfalls viele Herbergen im Auftrag von Pretty Hôtels ansehen. Und klar, grundsätzlich kann auch ein hübsches Hotel einer Kette Mitglied werden, da gab es auch schon viele Anfragen. Die haben aber bisher nicht reingepasst.
Worin liegt für Hotels der Vorteil, wenn sie sich an Sie statt an eine klassische Marketingagentur wenden?
Das Geschäftsmodell von Pretty Hôtels ist sehr einfach: Man bezahlt eine sehr überschaubare Jahresgebühr und ist dann Mitglied in einem sehr exklusiven, homogenen Kreis ähnlicher Hotels. Und die Pretty Hôtels werden dann via unserer Kommunikationskanäle von den Menschen die nach dieser Art von Hotel suchen, besser gefunden. Es ist aber auch eine Art Gütesiegel, weil wir eben nur ganz wenige Hotels aufnehmen. Inzwischen gibt es einmal im Jahr auch ein Treffen aller Hoteliers, das ist ein wunderbares Netzwerk.
Wenn Sie privat in ein Hotel einchecken, worauf achten Sie als Hotelexperte besonders?
Ich denke, jeder Gast – egal ob Experte oder nicht – möchte sich relativ schnell sehr wohlfühlen. Zimmer müssen eine gewisse Wärme ausstrahlen und das Bad muss sauber sein. Ich merke aber, dass ich inzwischen eher auf Seiten der Hoteliers bin und Fehler absolut verstehen kann. Ich nehme das Hotel sogar in Schutz, wenn es mal negatives Feedback gibt. Als Gast ist man ja eigentlich brutal: Man kommt irgendwann völlig unangemeldet rein und dann soll genau in diesem Moment alles stimmen. Das ist in kleineren Häusern fast nicht zu organisieren. Wenn man die andere Seite kennt und zum Beispiel auch die Mindestlöhne für Mitarbeiter eines jeweiligen Landes, dann hat man mehr Verständnis.
2020 war ein besonders herausforderndes Jahr für die Hotellerie und auch die Anfänge von 2021 werden mit bestehendem Lockdown in Deutschland voraussichtlich nicht leicht. Wie ist die Stimmung bei Ihren Mitgliedshäusern?
Dafür, dass das Jahr eigentlich eine Katastrophe ist, ist die Stimmung noch relativ gut. Das lag zum einen daran, dass gute Hotels in den vergangenen Jahren ja auch ganz erfolgreich waren. Und auch der Sommer war außerhalb der Städte ziemlich gut. In Bayern und Österreich hatten sie sogar einen Super-Sommer. Selbst aus Portugal und Süditalien gab es viel Positives, die haben davon profitiert, dass viele Gäste aus der eigenen Region zuhause Urlaub gemacht haben. Das macht uns allen glaube ich Hoffnung, dass es – wenn die Situation sich einigermaßen beruhigt – sehr schnell wieder losgeht.
Welche Tipps geben Sie Ihren Hoteliers für diese Krisenzeit? Und wie unterstützen Sie medial?
Interessant war, dass auch ich im ersten Lockdown dachte, die Menschen würden sich nicht für Urlaubsbilder von Stränden und Ausblicken interessieren. Das Gegenteil war der Fall: Die meisten wollen weiterhin vom Meer träumen, von der Natur, selbst Stadthotels können diese Zeit nutzen, um den Gästen und Followern ihre Häuser und ihre Gegend zu zeigen. Vor ein paar Tagen ist die Besitzerin eines unserer Mitgliedshotels in Venedig mit ihrem Mann mit dem Boot durch die leere Stadt gefahren und hat das mit dem Handy gefilmt. Wir haben das dann etwas aufbereitet und veröffentlicht. Da gab es – trotz neuer Lockdown-Verordnungen – unglaublich viel positives Feed-back.
Welche Erfahrungen haben Sie in der Krise gemacht?
Die Gastronomie und Hotellerie hat eigentlich einen noch viel höheren Stellenwert als mir bewusst war. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, dass sie immer mal wieder eine Auszeit an einem anderen Ort brauchen – auch in einer Stadt. Und das vermissen sie gerade immens.
Wir danken für das Gespräch.