Gastgewerbe

Viele Gast- und Hotelbetriebe stehen kurz vor dem Aus!

Kellner stellt Stühle auf Tisch
Viele deutsche Tourismusbetriebe stehen vor einer schweren Zukunft. (Foto: © olly/fotolia)
Restaurants, Hotels, Airlines: Im deutschen Tourismus konnte man sich jahrelang über steigende Zahlen freuen. Buchungen, Flugpassagiere und Übernachtungen wuchsen von Jahr zu Jahr. Ist es damit jetzt vorbei? Steht der deutsche Tourismus an einem Wendepunkt?
Freitag, 01.09.2017, 09:42 Uhr, Autor: Markus Jergler

Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) sorgt für Aufsehen. Die Branche sei klar an einem „Wendepunkt“. BTW-Präsident Michael Frenzel warnt eindringlich vor der Zukunft, wenn die steuerlichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen sich jetzt nicht ändern würden. Laut Frenzel werde es zu Betriebsschließungen, Verlagerungen ins Ausland und zum Verlust von Arbeitsplätzen kommen. Momentan sind in der Tourismusbranche mehr als zwei Millionen Menschen tätig und zudem trägt diese 3,9 Prozent zum gesamten deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei, so Frenzel gegenüber der Berliner Zeitung.

Ist die Politik schuld?
In den Augen Frenzels und der Branchenverbände, darunter auch der Deutsche Reiseverband (DRV) sowie der deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), ist vor allem die Politik für die immer schlechtere Entwicklung verantwortlich. Deutschen Unternehmen seien aufgrund von steuerlichen und arbeitsrechtlichen Regularien zunehmend die Hände gebunden, sodass diese im direkten Konkurrenzkampf mit ausländischen Firmen chancenlos blieben. So ging beispielsweise die Anzahl der Busunternehmen seit 2012 bundesweit von 6.000 auf etwa 4.000 zurück.

Deutsche Fluggesellschaften zahlen mehr
Am Beispiel der Luftverkehrssteuer wird die Kritik klarer: Beinahe 50 Prozent der gesamten Luftverkehrssteuer werden von den vier deutschen Fluglinien gezahlt. Das entspricht über 500 Millionen Euro. Die andere Hälfte verteilt sich auf rund 100 ausländische Fluggesellschaften, die von deutschen Flughäfen starten. Somit zahlt eine deutsche Airline unverhältnismäßig mehr Steuern. Derartige Steuermaßnahmen haben natürlich wiederum großen Einfluss auf die Ticketpreise. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurde im vergangenen Jahr pro Flugticket eine Luftverkehrssteuer zwischen 7,38 Euro für Kurzstrecken, 23,05 Euro für Mittel- und 41,49 Euro auf Langstrecken fällig.

Gaststättenregelungen ohne Sinn
Auch das Gaststättengewerbe kennt derartige Verordnungen. Am bekanntesten ist wohl die Tatsache, dass in Restaurants 19 Prozent Mehrwertsteuer auf die Speisen erhoben werden. Kommt das Essen jedoch beispielsweise von einem Lieferdienst, wird ein ermäßigter Steuersatz angewendet, nämlich nur sieben Prozent. Auch eine Schnitzelsemmel to go wird nur mit sieben Prozent besteuert, isst man das Schnitzel jedoch im Restaurant sind es 19 Prozent. Oder ein Partyservice: Für billiges Einweggeschirr werden sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig, für Porzellan 19 Prozent. Hier scheint es, dass die Politik schnelles, billiges und Essen von Großketten bevorzugen will. Restaurants, Familienbetriebe und kleine Gaststätten zahlen mehr. Teilweise entscheidet der Gast selbst (ohne es jedoch zu wissen) über den Steuersatz. Bestellt jemand beispielsweise an einem Kiosk etwas zu essen, so werden 19 Prozent Mehrwertsteuer berechnet, wenn das bestellte Essen an einem Tisch vor dem Kiosk verzehrt wird. Geht der Gast mit dem Essen jedoch zehn Meter weiter auf eine Parkbank, werden wieder nur sieben Prozent fällig.

Zu guter Letzt ist da natürlich noch das Thema Arbeitszeitgesetz. Dieses macht den gastronomischen Betrieben immer mehr zu schaffen. „Das Arbeitszeitgesetz ist Jahrzehnte alt, keiner hat es kontrolliert, viele haben sich nicht dran gehalten. Das Problem ist erst mit dem Mindestlohn zutage getreten“, sagt Fritz Engelhardt vom Dehoga. Um hier Verbesserungen für die Branche zu erzielen hat der Dehoga Bundesverband eine Kampagne gegen das aktuelle Arbeitszeitgesetz gestartet.

In sämtlichen Teilen der deutschen Tourismuswirtschaft gibt es viel Arbeit. Diese sollte möglichst schnell angepackt werden. Ob Zusagen und Zugeständnisse von Seiten der Politiker allerdings auch nach der kommenden Bundestagswahl noch Bestand haben werden, bleibt abzuwarten. (Berliner Zeitung/MJ)

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