Amazon übernimmt 460 Filialen

Preissturz bei Whole Foods: Amazons Kampfansage an die Supermärkte

Frau steht vor Kühlregal mit Eiern
Amazon senkt die Preise in allen Whole Foods FIlialen. (Foto: © picture alliance / AP Photo)
Amazon übernimmt alle 460 Filialen der Biokette Whole Foods, die in den USA, Kanada und Großbritannien vertreten ist. Für andere Lebensmittelhändler bedeutet das extrem schlechte Nachrichten. 
Mittwoch, 30.08.2017, 12:16 Uhr, Autor: Markus Jergler

Bereits am ersten Tag nach der milliardenschweren Übernahme der Öko-Supermarktkette Whole Foods lässt Amazon die Preise purzeln: Avocados kosten plötzlich 1,49 statt 2,99 Dollar und das Pfund Wildlachs aus Alaska 9,99 – das sind fünf Dollar weniger als bisher. „Das ist nur der Anfang“, verkündet das Werbeschild in der Filiale in Brooklyn, New York. Ein Versprechen, das Kunden erfreut – aber zugleich eine Kampfansage, die Konkurrenten erschaudern lässt.

US-markt sehr hart umkämpft
Denn der US-Einzelhandel ächzt bereits unter massiv verschärftem Wettbewerb. Die aggressiv expandierenden deutschen Discounter Aldi und Lidl nehmen die Platzhirsche wie Walmart, Target, Kroger oder Costco in die Mangel. Nun heizt mit Amazon ausgerechnet der Quälgeist den Preiskampf weiter an, dessen boomende Online-Verkäufe der Branche schon seit Jahren die Geschäfte erschweren.

Der 13,7 Milliarden Dollar teure Whole-Foods-Kauf wurde an der Börse von Anfang an als Hiobsbotschaft für die etablierten Shopping-Größen verstanden. Seitdem der Deal vor rund zehn Wochen angekündigt wurde, sind die Aktien von Lebensmittelhändlern unter Druck. Die größte US-Supermarktkette Kroger hat binnen drei Monaten Kursverluste von 28 Prozent erlitten, für Costco ging es 15 Prozent bergab.

Amazon holt den Hammer raus
Vergangene Woche genehmigten die US-Kartellwächter – nach überraschend zügiger Prüfung – Amazons Whole-Foods-Übernahme. Der neue Eigentümer holte sofort den Hammer raus. „Ab Montag werden wir die Preise bei einer Auswahl an Bestsellern senken“, kündigte Manager Jeff Wilke an. Damit sei jedoch nur der Auftakt gemacht, künftig würden die Preise bei Whole Foods „kontinuierlich“ schrumpfen.

Damit will Amazon die Kette mit über 460 Filialen in den USA, Kanada und Großbritannien für eine breitere Kundschaft öffnen. „Jeder sollte sich Whole Foods leisten können“, findet Wilke. Das ist ein Bruch mit dem bisherigen Geschäftskonzept, das sich mit gehobener Qualität, exklusiven Produkten und teuren Preisen an wohlhabende Kunden richtete und sich so von der Billig-Konkurrenz abgrenzte. Dieser Ansatz brockte Whole Foods jedoch auch den Ruf eines Oberschicht-Supermarktes für Öko-Snobs ein. Amazon will dieses Schnösel-Image nun offenbar schleunigst loswerden. Und der E-Commerce-Gigant drückt nicht nur die Preise.

Amazon first
Amazon vermarktet über Whole Foods auch seine eigenen Produkte – der vernetzte Lautsprecher „Echo“ steht bereits prominent im Eingangsbereich. Zudem wird der Prime-Service, der Abonnenten Zugang zu Video-Streaming und Gratisversand bietet, zum Prämienprogramm für Supermarkt-Kunden ausgebaut. So verzahnt Amazon seine Online-Dienste mit dem stationären Einzelhandel. Das verheißt für die Konkurrenz nichts Gutes, zumal Geldverdienen für den nach Marktdominanz strebenden Amazon-Chef Jeff Bezos nicht an erster Stelle steht.

„Amazon wendet die gleiche Strategie an, mit der bereits Buchverkäufern und anderen Einzelhändlern zugesetzt wurde“, so Marktexperte Chris McCabe gegenüber dem „Wall Street Journal“. Der Konzern übernehme den Markt, indem er die Konkurrenz mit niedrigen Preisen ausschalte. Als solle diese Theorie bestätigt werden, hat Amazon einige der gefragtesten Whole-Foods-Produkte in Brooklyn bereits um bis zu 50 Prozent verbilligt.

Für die heimischen Supermarkt-Schwergewichte kommt die Attacke zur Unzeit. Die Abwanderung der Kundschaft ins Internet macht der Branche ohnehin schon zu schaffen, nun greift Amazon – die treibende Kraft hinter dem Online-Trend – auch noch mit Macht im Ladengeschäft an. Erschwerend hinzu kommt Konkurrenz aus Deutschland. Discounter Lidl hat im Sommer seine ersten US-Filialen eröffnet, Aldi nimmt derweil ebenfalls viel Geld für eine rasante US-Expansion in die Hand. (dpa/MJ)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Zwei Wanderer an einem schönen Tag im Wald
Studie
Studie

Resilienz im Tourismus stärken

Professor Dr. Martin Fontanari hat sich in mehreren Fachpublikationen mit dem Thema der Widerstandsfähigkeit als einem zentralen Instrument in der Regionalentwicklung beschäftigt. Hier gibt er Einblicke in die Zukunft der Branche. 
Betreiber Michael Böhmer in seinem Eiscafe
Sommerleckerei
Sommerleckerei

Eiscafe rechnet aufs Gramm genau ab

In schönster Regelmäßigkeit erscheinen jedes Jahr wieder Artikel, die sich mit der Preisentwicklung von Eiskugeln befassen. Jetzt ist es wieder so weit. Aber dieses Mal ist der Tenor ein ganz anderer. Es geht um Fairness und Wursttheken. 
McDonald’s
Studie
Studie

Wie McDonald’s die deutsche Wirtschaft prägt

Wie groß ist der wirtschaftliche Einfluss von McDonald’s in Deutschland? Eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Pestel untersucht, welche Auswirkungen der Systemgastronom auf die deutsche Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und die Staatskassen hat.
Sven Liebert, BTW-Generalsekretär, im Portrait
Forderung
Forderung

Tourismus braucht Zukunftsimpulse

Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft mahnt die künftigen Mitglieder des EU-Parlamentes an, die Branche nicht aus den Augen zu verlieren. Als einer der stärkten Wirtschaftsbereiche, sowohl in Deutschland als auch in der restlichen Gemeinschaft, müsse dessen Förderung in den kommenden fünf Jahren vermehrt im Fokus stehen. 
Ein junger Gastromitarbeiter reicht einen etwas älteren Herren einen Teller mit Salat.
Umweltschutz
Umweltschutz

SV Schweiz veröffentlicht Nachhaltigkeitsbericht

Die Gastronomie- und Hotelmanagement-Gruppe mit Sitz in Dübendorf bei Zürich hat ihren jährlichen Fortschrittsbericht Nachhaltigkeit vorgestellt. Darin zeigt das Unternehmen, welche Maßnahmen es konkret umgesetzt hat und stellt ambitionierte Ziele für 2024 vor.
Streiktreffen des BTW in Berlin (Foto: © BTW)
Schaden
Schaden

Tourismuswirtschaft durch Streiks stark beeinträchtigt

Die Arbeitsniederlegungen der vergangenen Wochen, insbesondere bei der Deutschen Bahn, ziehen immense materielle und immaterielle Schäden für Gäste, Betriebe und den Standort Deutschland nach sich.
Die Zahl der Übernachtungen bewegte sich im Jahr 2023 noch unter Vorkrisenniveau.  (Foto: © Adobe Stock/Kalim)
Aktuelle Entwicklung
Aktuelle Entwicklung

Zieht der Hoteltransaktionsmarkt wieder an?

Trotz wirtschaftlicher Herausforderungen zeigt sich der Hotelmarkt widerstandsfähig. Die vierteljährliche Analyse des Beratungsunternehmens mrp hotels zeigt auf, wie sich der Markt weiter entwickelt.
Mike Nährer in seinem neuen Gasthaus
Multifunktionales Konzept
Multifunktionales Konzept

Mike Nährer eröffnet Dorfgasthaus der Zukunft

Ein gläserner Stadl als kulinarisches Tor zum Traisental: Drei-Haubenkoch Mike Nährer serviert mit seinem neuen Gasthaus in Rassing nicht nur eine ungeschminkte Kulinarik, sondern auch ein Konzept gegen das Wirtesterben auf dem Land.
Touristen spazieren durch Hamburg im Winter.
Übernachtungen
Übernachtungen

Hamburg war im November beliebt

Der Tourismus in Hamburg konnte im November einen deutlichen Zuwachs an Gästen und Übernachtungen verzeichnen. Das Statistikamt Nord vermeldet für die Branche erfreuliche Zahlen.