Gastgewerbe wächst schneller als Gesamtwirtschaft
„Nur, wer die Zahlen und Fakten kennt, kann die Leistungen unserer Unternehmer und Beschäftigten richtig beurteilen“, das seien Anlass und Ziel der Studie, so Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel und Gaststättenverbandes (DEHOGA Bundesverband), bei der heutigen Pressekonferenz in Berlin. Es gehe um mehr Kenntnis und Wertschätzung für das, was die 221.000 Betriebe des Gastgewerbes tagtäglich leisten.
„Das Gastgewerbe trägt maßgeblich zur Lebensqualität und Standortattraktivität bei. Die Branche ist ein unverzichtbarer Teil des öffentlichen Lebens. Ihre Bedeutung speist sich nicht nur aus
ihrer Wirtschaftskraft und Dynamik. Sie leistet darüber hinaus wertvolle Beiträge zum sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft“, präsentierte Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln die neue, 70-seitige Studie.
Wirtschaftskraft und Jobmotor
2016 waren im Jahresdurchschnitt 1.873 Millionen Personen im Gastgewerbe beschäftigt. Der Branchenumsatz lag bei 80,9 Milliarden Euro netto. Mit einer Bruttowertschöpfung von fast 45 Milliarden Euro gehört das Gastgewerbe zu den größten Branchen des Landes. Über Einkäufe von Vorprodukten und Materialien ist die Branche stark mit anderen Wirtschaftsbereichen verbunden. Bei Berücksichtigung dieser Kreislaufeffekte ergibt sich eine Gesamt-Bruttowertschöpfung von 84,8 Milliarden Euro.
Gastronomie und Hotellerie wachsen in diesem Jahrzehnt dynamischer als die Gesamtwirtschaft. Die Bruttowertschöpfung hat von 2010 bis 2016 real um 14,4 Prozent zugelegt (Gesamtwirtschaft 9,9 Prozent), die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im gleichen Zeitraum um 23 Prozent (Gesamtwirtschaft +12 Prozent).
Branche der Chance
Knapp 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind Fachkräfte – die Quote ist genauso hoch wie im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Mit einer Vielfalt an Anforderungsprofilen bietet die Branche Arbeitsplätze für alle Qualifikationen. Der Anteil der Beschäftigten ohne Berufsabschluss ist mit 19,5 Prozent höher als in der Gesamtwirtschaft (11,8 Prozent).
Mit Blick auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist das Gastgewerbe die internationalste Branche. Rund 310.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte aus 150 Nationen finden hier eine Anstellung. Das Gastgewerbe gehört zudem zu den ausbildungsstärksten Branchen. Im Schnitt wird ein Azubi je 23,8 Beschäftigte im Gastgewerbe ausgebildet (Gesamtwirtschaft je
58,9 Beschäftigte).
Hohe Bedeutung für Attraktivität der Region
In jeder Region (kreisfreie Stadt oder Landkreis) beträgt der Anteil des Gastgewerbes an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mindestens ein Prozent. In 342 von 402 Kreisen liegt der Anteil bei mindestens zwei Prozent. Das stützt die These der flächendeckenden Bedeutung. Die Branche ist andererseits stark auf touristische Zentren konzentriert. Dort liegt in sieben Regionen der Beschäftigungsanteil höher als zehn Prozent und in 23 Regionen über sechs Prozent. „Unsere Betriebe sind Begegnungsstätten und Orte, an denen Menschen zusammenkommen
und ihre Freizeit verbringen. Eine deutliche Mehrheit hat die Beiträge des Gastgewerbes zum sozialen Zusammenhalt erkannt, würdigt und wertschätzt diese“, so Zöllick.
Die Angebote des Gastgewerbes haben Bedeutung für die Wohnortentscheidung, gerade für jüngere Menschen. So ist das Restaurantangebot für mehr als ein Drittel der Menschen wichtig oder sehr wichtig. In der Gruppe der jüngeren Befragten liegt diese Quote bei knapp 55 Prozent.
Gründungs- und Digitalisierungsbranche
Mit neun Gründungen je Bestandsunternehmen gehört die Gastronomie zur Spitzengruppe. Zudem nutzt die Branche die Chancen der Digitalisierung, etwa durch Abrechnungssysteme oder digitale Bestell- und Buchungssysteme. Hier ist die Hotellerie der Studie zufolge die am stärksten digitalisierte Branche Deutschlands.
Politische Herausforderungen
Die Branche ist arbeits- und damit auch personalkostenintensiver als andere. DerKosten-, Preis-, und Wettbewerbsdruck ist groß. Zudem gibt es einen Verdrängungswettbewerb. So baut der Lebensmitteleinzelhandel sein Sortiment verzehrfertiger Essensangebote signifikant aus. Für diese Angebote zum Mitnehmen gelten sieben Prozent Mehrwertsteuer, für die Speisen im Restaurant
19 Prozent. „Genau deshalb kämpfen wir dafür, dass Essen in Deutschland steuerlich gleich behandelt wird. Das wäre ein Zukunftsprogramm für unsere Restaurants und Wirtshäuser“, so Zöllick.
„Wichtig ist zudem mehr Flexibilität beim Arbeitszeitgesetz und konsequenter Bürokratieabbau. Oberstes Ziel muss die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Branche sein.“ (MJ)