„Sollen wir Mitarbeitergehälter oder Mieten zahlen?“
Der 30. Juni 2020 wird zu einer erneuten Belastungsprobe für Deutschlands Hotellerie und Gastronomie. Denn dann läuft der von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erlassene Kündigungsschutz für Mieter aufgrund der Corona-Krise aus. Inzwischen steht zwar eine Verlängerung bis Ende September 2020 im Raum, doch noch immer sind sich die Fraktionen darüber uneins: So heißt es von der Union, eine Verlängerung der Sonderregelungen wäre ein völlig verfehltes Signal. Dagegen sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese: „Dass die Union diese wichtige Verlängerung gestoppt hat, ist ein Schlag ins Gesicht von vielen Restaurants, Kneipen und Einzelhändlern, die ihre Rücklagen aufgebraucht haben, immer noch rückläufige Umsätze haben und nun wieder die volle Miete zahlen müssen.“ Auch Die Linke setzt sich für eine dreimonatige Verlängerung des Kündigungsschutzes ein, ebenso wie die Grünen. Während die Politiker in Berlin jedoch weiter streiten, wird die Situation für die Betroffenen immer dramatischer. Das wird nun auch in einem Brandbrief der Deutschen Hotellerie* deutlich: Zehn Hotelgruppen forderten darin gemeinsam und stellvertretend für die gesamte Branche schnelle Entscheidungen von den Politikern in Berlin.
Adressiert an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Minister und Politiker, stellte die Initiative Deutsche Hotellerie mit Blick auf die Ende Juni auslaufende Kündigungsschutz-Frist gleich eingangs die rhetorische Frage: „Sollen wir die Gehälter unserer Mitarbeiter oder die Mieten und Pachten zahlen?“ – um gleich im Anschluss „im Sinne unserer Mitarbeiter und zur Absicherung von 17.500 Arbeitsplätzen“ die Verlängerung des Kündigungsschutzes zu fordern.
Einnahmen bleiben seit Monaten aus
Dabei braucht es eine kurzfristige Mitteilung. Denn die Gehälter werden schon Ende des Monats fällig, die Mieten am 3. Juli. Eine hohe finanzielle Belastung, wenn die Einnahmen in großem Ausmaß ausfallen, wie die Initiative deutlich macht: Im April lag der Umsatzrückgang in den Innenstädten im Vorjahresvergleich bei Minus 89 Prozent, im Mai betrug dieser immer noch knapp 80 Prozent und im Juni dürften die Zahlen mit ca. 75 Prozent Umsatzrückgang nur leicht besser sein. Aber auch zahlreiche, inzwischen erlassene Lockerungen der Corona-Beschränkungen wiegen den nachhaltigen Effekt des Lockdowns kaum auf. Während der vergangenen Monate waren touristische Übernachtungen gänzlich verboten und auch Businessgäste blieben größtenteils aus, da Großveranstaltungen und Messen bis heute verboten sind. Und ein Infektionsrisiko besteht weiterhin. „Wir brauchen eine gesetzliche Lastenverteilung!“ lautet das Fazit der Initiative Deutsche Hotellerie.
Staatliche Corona-Hilfen kommen kaum an
Auch beantragte Staatshilfen hätten nur in geringem Umfang gegriffen. Zum einen seien sie auf Klein- und Mittelständische Unternehmen beschränkt, zum anderen reichten Schnellkredite „aufgrund der Beschränkungen in der Höhe nicht, um unseren Bedarf zu decken“, heißt es in dem Schreiben. Auch würde lange Bearbeitungszeiten einer schnellen Hilfe im Weg stehen. „Seit Mitte März verfügen wir über keine beziehungsweise nahezu keine Einnahmen. (…) Uns fehlt es am heutigen Tage an Liquidität und an notwendigen politischen Regelungen!“, so das Ergebnis der Hotelgruppen.
Hohe Ausgaben bleiben
Was an der einen Seite fehlt, staut sich dagegen an der anderen: Denn die Ausgaben wurden in der Corona-Krise nicht weniger. Neben den Gehältern der Mitarbeiter, sind das unter anderem auch die monatlichen Pachten und die Erstattung stornierter Buchungen. Auch ließen die wenigsten Vermieter mit sich reden, was eine Pacht-Anpassung betrifft. Das Problem sehen die Schriftführer des schriftlichen Hilferufs vor allem in der gesetzlichen Formulierung: „Mit dem COVID-19 Gesetz hat das BMJV einen Bärendienst erwiesen, indem es in der Gesetzesbegründung formuliert hat, dass die Verpflichtung zu Zahlung der Mieten dem Grundsatz nach erhalten bleibt. Das mag für den privaten Mietbereich gelten, aber gewiss nicht für die vielen betroffenen gewerblichen Mieter, denen jede Möglichkeit zur Erwirtschaftung der Mieten genommen wurde.“
Zuletzt machten die Verfasser noch einmal ihre Bredouille ab Juli 2020 deutlich: „Für die Zahlung der Gehälter spricht, dass unsere 17.500 Mitarbeiter hiermit ihre Mieten begleichen können, sodass ihnen keine Kündigung des Mietvertrages droht. Für die Zahlung der Mieten spricht, dass wir langfristig die Arbeitsplätze unserer 17.500 Mitarbeiter erhalten.“
Es bleibt die Forderung nach einem Dialog und schnellen Entscheidungen seitens der Politiker in Berlin, in der Hoffnung, die neuerliche Welle an finanziellen Belastungen für die Hotellerie und das Gastgewerbe in Deutschland doch noch abzuwenden.
(Dormero-Hotelgroup/dpa/KP)
*Initiative Deutsche Hotellerie, zusammen mehr als 600 Hotels in Deutschland und über 17.500 Beschäftigte:
Centro-Hotelgroup
Deutsche Seereederei
Dorint- Hotelgroup
Dormero- Hotelgroup
GCH Hotelgruppe
GS-Hotelgroup
H-Hotels
Leonardo- Hotelgroup
Novum- Hotelgroup
Tripp Inn- Hotelgroup