Schlaftourismus – ein Trend, den die Hotellerie nicht verschlafen sollte
„Jede dritte bis vierte Person in Deutschland schläft schlecht. Das ist ein Thema, das sich seit Jahren widerspiegelt“, sagt Christine Lenz, Expertin für Schlafgesundheit und -medizin. Gerade während der Corona-Pandemie hätten viele Menschen, insbesondere Frauen, ein Schlafdefizit angehäuft.
Die Menschen würden sich daher nach einem Ort der Ruhe und Erholung sehnen. Ein Ort, an dem sie nicht nur übernachten, sondern wirklich schlafen können – auch oder vielleicht sogar vor allem im Urlaub. „Die Menschen suchen nicht mehr nur nach Action und Abenteuer im Urlaub, sondern nach Ruhe und Erholung. Und genau hier liegt die Chance für die Hotellerie“, sagt Lenz.
Ihrer Meinung nach würden noch zu wenig Hotels das Thema Schlaftourismus – also den Trend wegzufahren, um auszuschlafen – aufgreifen. „Die Hotellerie verschläft das Potenzial des Schlaftourismus“, bemerkt Lenz. „Es gibt zwar einige Hotels, die einzelne Maßnahmen umsetzen, aber ein ganzheitliches Konzept, das den Schlaf der Gäste in den Mittelpunkt stellt, fehlt oft noch.“
Was bringt ein Schlafkonzept?
Dabei könnten Hotels vom Schlaftourismus in vielerlei Hinsicht profitieren. Zum einen bietet die Ausrichtung auf den Schlaftourismus die Möglichkeit, neue Zielgruppen anzusprechen und das Geschäftspotenzial der Hotels zu erweitern. Auch kann diese Ausrichtung dazu beitragen, Randzeiten, also weniger starke Auslastungszeiten, zu füllen.
Durch das Angebot eines optimalen Schlaferlebnisses kann es zudem gelingen, sich von der Konkurrenz abzuheben und so die Attraktivität für Reisende zu erhöhen. Hierbei kommt es darauf an, ein einzigartiges Erlebnis anzubieten, das den Gästen positiv in Erinnerung bleibt – dann kann auch die Mund-zu-Mund-Propaganda wirken.
„Ein Mensch, der seit fünf Jahren schlecht schläft und in dem Hotel dann zum ersten Mal wieder gut schläft, wird nicht nur bereit sein, entsprechend Geld auszugeben, sondern wird auch das Hotel weiterempfehlen“, sagt Lenz.
Letztendlich könne ein optimales Schlaferlebnis im Hotel nicht nur die Zufriedenheit der Gäste steigern, sondern auch dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit des Hotels zu stärken und langfristige Kundenbindungen aufzubauen.
Das Konzept sollte ganzheitlich gedacht werden
Doch wie können sich Hotels am besten auf den Schlaftourismus ausrichten? „Wenn ein Hotel sich dafür entscheidet, seinen Gästen ein Schlafkonzept anzubieten, muss dieses auch ganzheitlich gedacht werden und mit dem gesamten Personal kommuniziert werden“, erklärt Lenz.
Dazu gehöre nicht nur die Ausstattung der Zimmer mit bequemen Betten und Schlafhilfen wie Ohrstöpseln und Schlafmasken, sondern auch die Schaffung einer ruhigen und entspannten Umgebung. Hierzu zählt zunächst die Auswahl eines geeigneten Standorts für das Hotel – abseits von stark befahrenen Straßen oder anderen Lärmquellen. Schalldichte Fenster und Türen sind ebenfalls hilfreich, um störende Geräusche von außen zu minimieren.
Darüber hinaus können Zimmer mit einem speziellen Lichtkonzept ausgestattet werden, das auf den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus abgestimmt ist und eine beruhigende Atmosphäre schafft. Weitere Aspekte wie die Auswahl von ruhigen Farben und Materialien für die Inneneinrichtung sowie die Bereitstellung von Schlafhilfen tragen ebenfalls dazu bei, eine ruhige und entspannte Umgebung zu schaffen, die den Gästen einen erholsamen Schlaf ermöglicht.
Das Zimmermädchen ist eine wichtige Quelle
Doch nicht nur die Kreation einer ruhigen Atmosphäre ist entscheidend. Wichtig ist es auch, das Hotelpersonal entsprechend zu sensibilisieren und zu schulen, damit es die Bedürfnisse der Gäste verstehen und angemessen darauf reagieren kann. Da einige Gäste möglicherweise auch tagsüber schlafen möchten, ist es beispielsweise sinnvoll, sicherzustellen, dass das Reinigungspersonal Rücksicht darauf nimmt und Zimmer nur dann betritt, wenn dies vom Gast ausdrücklich gewünscht wird.
Das Zimmermädchen spielt jedoch noch eine weitere entscheidende Rolle. Durch den regelmäßigen Zugang zu den Zimmern kann es subtile Hinweise auf das Schlafverhalten der Gäste erkennen, die anderen Mitarbeitern möglicherweise entgehen.
Indem die Zimmermädchen beispielsweise darauf achten, ob der Gast das Bett überhaupt nutzt, welche Seite des Bettes bevorzugt wird oder ob Schlafhilfen verwendet werden, können sie wertvolle Informationen sammeln. Diese Erkenntnisse können es dem Hotel wiederum ermöglichen, einen noch persönlicheren Service anzubieten und sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Gäste bestmöglich erfüllt werden.
„Es geht darum, dass der Gast gut schläft“
„Es gibt so viele Möglichkeiten, das Thema Schlaf abzuspielen – man muss sie nur nutzen“, betont Lenz. „Wichtig ist, dass man hierbei an allen Fronten arbeitet und den Schlaf voll und ganz in den Mittelpunkt stellt.“ Am besten sei es daher, das komplette Haus noch einmal unter die Lupe zu nehmen und mit einem Blick von außen zu überlegen, was dem Gast guttun könnte. Dabei kann es auch hilfreich sein, sich mit Schlafstudien auseinanderzusetzen und die Gäste selbst zu befragen.
Letztlich gehe es darum, den Gast zum Staunen zu bringen. „Indem das Hotel dem Gast etwas anbietet, was er selbst vielleicht nicht erwartet hätte, schafft es ein besonderes Erlebnis und stärkt die Bindung zum Hotel“, betont Lenz.
Der Schlaftourismus bietet der Hotellerie damit ein großes Potenzial, das es zu erkennen und zu nutzen gilt. Indem Hotels sich zu Schlafdestinationen entwickeln und den Schlaf der Gäste in den Mittelpunkt stellen, können sie sich von der Konkurrenz abheben und ein einzigartiges Erlebnis bieten.
„Es geht nicht nur darum, dass der Gast schläft, sondern darum, dass er gut schläft“, sagt Lenz. „Und das ist es, worauf es letztendlich ankommt.“
(SAKL)