Interview

„Fairtrade ist im Mainstream angekommen“

Hartwig Kirner
Hartwig Kirner kann sich über die zunehmende Akzeptanz von Fairtrade-Produkten auch in der Gastronomie freuen. (© Fairtrade)
Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, im HOGAPAGE-Interview über die Bedeutung von Fairtrade in Österreich, das ständig steigende Angebot und den Nutzen des Gastro-Siegels.
Freitag, 17.05.2019, 09:09 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Herr Kirner, Fairtrade existiert seit mittlerweile 26 Jahren in Österreich. Wie sieht Ihre aktuelle Bilanz aus und wie hat sie sich gegenüber dem Vorjahr entwickelt?
Sowohl der Umsatz von Fairtrade-Produkten als auch die Zahlen bei den Rohstoffen entwickeln sich gut, teilweise sogar im zweistelligen Bereich. Das größte Plus gab es bei Fairtrade-Baumwolle mit 60 Prozent. Fairtrade ist im Mainstream angekommen und das ist sehr erfreulich. Sowohl große, als auch kleine Firmen setzen auf fair gehandelte Rohstoffe und das quer durch alle Preissegmente. Dennoch ist der Gesamtmarktanteil in einem Bereich, wo durchaus noch Luft nach oben ist. Bei Kaffee liegen wir beispielsweise bei knapp acht Prozent, bei fair gehandelten Rosen sind es hingegen schon 37 Prozent, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Wie teilt sich der Fairtrade-Markt in Österreich zwischen Handel und Gastronomie auf?
In der Gastronomie sind vor allem Fairtrade-Kaffee und andere -Heißgetränke sehr gefragt. Mittlerweile werden 27 Prozent davon im Außer-Haus-Markt umgesetzt. In einigen anderen Kategorien, wie Bananen oder Rosen, liegt der Hauptumsatz natürlich vor allem im Lebensmittelhandel. Tee und Fruchtsäfte auf der anderen Seite finden auch in der Gastronomie zunehmenden Absatz.

Was sind Ihre umsatzstärksten Produkte in der Gastronomie?
In der Gastronomie sind vor allem Kaffee und Heißgetränke sehr gefragt. Aber auch andere Produkte, wie beispielsweise Reis, Orangensaft, Limonaden oder Schokolade sind im Aufwind. Reis gibt es mittlerweile beispielsweise in für die Gastronomie praktischen 5 kg-Säcken.

Wie viele Fairtrade-Produkte werden aktuell in Österreich angeboten?
Mittlerweile sind es mehr als 2.100 Fairtrade-Produkte. Die Palette wird von unseren Lizenzpartnern ständig erweitert. Allein im Vorjahr sind wieder rund 200 neue Produkte dazu gekommen. Somit müsste man täglich zumindest fünf Produkte ausprobieren, wenn man in einem Jahr das gesamte Sortiment kosten möchte.

Aus wie vielen Ländern und von welchen Kontinenten beziehen Sie Ihre Produkte?
Die Fairtrade-Rohstoffe stammen aus insgesamt 73 Ländern des globalen Südens. Diese sind in Afrika, Asien und Lateinamerika beheimatet. Insgesamt sind im Fairtrade-System rund 1,66 Millionen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern sowie Beschäftigte auf Plantagen erfasst. Wobei die Kleinbauernfamilien fast 90 Prozent der Gesamtzahl ausmachen.

Wie viele Hotels und Gastronomiebetriebe in Österreich bieten aktuell Fairtrade-Produkte an? Im letzten Jahr waren es angeblich rund 1.850 Betriebe.
Ja, das ist richtig. Diese Zahl inkludiert Hotels, Cafés, Restaurants, Kantinen und Bäckereien. Gastronomiebetriebe, die Fairtrade-Produkte anbieten, gibt es verteilt in ganz Österreich. Diese Entwicklung fördern auch die mittlerweile 200 Fairtrade-Gemeinden, -Städte und –Bezirke aktiv. Ganz neu hat sich der Haubenkoch Max Stiegl vom Gut Purbach im Burgenland als Fairtrade-Gastropartner registriert. Er verwendet Fairtrade-Reis, -Kokosmilch und -Gewürze. Und bei El Gaucho und im Courtyard by Marriott Linz gibt es seit kurzem Fairtrade-Kaffee für die Gäste.

Woher kennen Sie diese Zahl eigentlich? Fairtrade wird ja auch im C&C-Handel angeboten, wodurch Sie ja nur schwer wissen können, wer aller Ihre Produkte kauft.
Das ist eine sehr konservative Schätzung. Konservativ deshalb, weil die tatsächliche Zahl wohl deutlich höher liegt. Angemeldete Gastro-Partner gibt es aktuell rund 200 mit mehr als 1.000 Standorten. Beispielsweise ist es auch ein Kriterium für die Umweltzeichen-Betriebe, mindestens zwei Fairtrade-Produkte zu verwenden – das sind nochmal 400 in Österreich.
Immer öfter gelingt es, dass bekannte, in der Gastronomie gern eingesetzte Marken, Fairtrade-Produkte anbieten. So zum Beispiel ist der Zucker im Vöslauer Balance Fairtrade-zertifiziert, und auch das in der Gastronomie beliebte Ben&Jerrys-Eis trägt das Siegel. Hier gibt es daher sicher eine hohe Dunkelziffer, die wir sehr schwer abschätzen können. Nur ein kleiner Anteil dieser Gastronomen registriert sich als Fairtrade-Gastropartner. In diesem Fall ist es aber erfreulich, dass die Dunkelziffer höher liegt, als unsere Schätzungen.

Bieten Sie ein Gastro-Siegel an, mit dem Gastgewerbebetriebe ihren Kunden zeigen können, dass sie einen gewissen Prozentsatz ihrer Produkte von Fairtrade beziehen? Also unter dem Motto „tue Gutes und sprich darüber“. Der Gastronom soll ja von seinem Engagement auch einen Mehrwert haben.
Die Gastropartner von Fairtrade erhalten ein jährliches Zertifikat und kostenlose Werbematerialien wie Tischaufsteller, Aufkleber und ein hochwertiges Emailschild. Sie können das Fairtrade-Siegel auch in der Speisekarte für die jeweiligen Fairtrade-Produkte verwenden, um ihre Gäste darauf aufmerksam zu machen. Wie proaktiv die Gastropartner ihren Einsatz für den fairen Handel kommunizieren wollen, bleibt natürlich ihnen selber überlassen. Die Fairtrade-Partnerschaft ist mit keinerlei Kosten für die Gastronomen verbunden und somit ein Mehrwert ohne finanziellem Aufwand.

Vergangenes Jahr gab es eine „Wir kochen fair“-Aktion, die sich an die Außer-Haus-Verpflegung gewendet hat. Ist etwas Ähnliches heuer wieder geplant?
Ja, das Hotel Stefanie in der Wiener Leopoldstadt war schon im Vorjahr dabei und wird auch dieses Jahr wieder ein faires Menü im Sommer kreieren. Ende 2018 ist beispielsweise auch der bekannte Wiener Schneckenbauer Andreas Gugumuck Fairtrade-Gastropartner geworden und hat eine Schneckenbutter mit Fairtrade-Kakao kreiert.

Mit rund 35 Euro/Person liegt Österreich weltweit unter den Top-5-Fairtrade-Nationen. Wer ist die Nummer 1 und wie hoch sind dort die Pro-Kopf-Ausgaben?
Es sind mittlerweile sogar fast 38 Euro und Österreich reiht sich damit erfreulicherweise noch immer im Spitzenfeld ein. Zum Vergleich: In Deutschland ist der Pro-Kopf-Konsum nur etwa halb so hoch pro Jahr. Die Schweizer Eidgenossen führen hingegen nach wie vor das Klassement an.

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