Wie eine Restaurantkette zum Politikum wird
Es ist keine Filiale wie jede andere – auch wenn hier Fritten und Burger wie in allen Restaurants von McDonald’s beinahe im Sekundentakt über die Theke gehen. Wenige Gehminuten vom Kreml und dem Roten Platz entfernt strömen Tausende Kunden pro Tag in das kleine Restaurant. 30 Jahre ist es nun her, dass dort die erste Fastfood-Filiale des US-Konzerns noch zu Sowjetzeiten eröffnet wurde. Die Eröffnung am 31. Januar 1990 war ein Zeichen für Umbruch und Aufbruch Richtung Kapitalismus – und Richtung Westen. Heute ist McDonald’s in Russland in seiner Branche Marktführer. Doch das passt nicht jedem…
McDonald’s als Symbol des Wandels?
Wie rund 30.000 Menschen war auch der Russe Konstantin einst am Eröffnungstag zur Filiale am Puschkin-Platz geeilt. Fünf Stunden lang standen sie für einen Burger an. „Wir spürten in diesem Moment: Ein Wind der Veränderung war in der Luft und in den Köpfen der Moskauer“, erinnert er sich. Mit den Biss in den Burger hätten sich für viele die Versprechungen von Michail Gorbatschow erfüllt – und das Fenster zur Freiheit geöffnet. „Viele sehen uns als ein Symbol des Westens und des Wandels“, erläutert hingegen der Russland-Chef von McDonald’s, Marc Carena, dieser Tage. „Deshalb gibt es noch immer eine starke emotionale Verbindung zu der Fastfoodkette.“ In den rund 700 Restaurants konsumieren landesweit nach Angaben der Firma jeden Tag 1,7 Millionen Kunden und jedes Jahr entstehen Dutzende neue Filialen.
Abzug aus der Ukraine und Vergeltungsmaßnahmen des Staates
Das McDonald’s jedoch zu einem „Volksernährer“ geworden ist, weisen einige russische Politiker vehement zurück. Besonders seit 2014 weht ein rauer Wind: Der US-Konzern spürte ihn nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und den vom Westen verhängten Sanktion deutlich. Er schloss damals seine ukrainischen Filialen auf der Krim, daraufhin wurde der Konzern wegen angeblicher mangelnder Hygiene verklagt; ein Gericht ordnete die zeitweise Schließung einiger Restaurants in Moskau an – darunter auch die Pionier-Filiale in der Hauptstadt. Viele munkelten aber, es sei eine Vergeltung.
„Wir machen es besser als McDonald’s!“ (Wladimir Putin)
Einer staatlichen Umfrage zufolge forderten 2014 sogar zwei Drittel die Schließung aller McDonald’s-Filialen. Der Nationalist Wladimir Schirinowski schlug in die gleiche Kerbe: „Wir schmeißen den Konzern raus. Wir brauchen diesen Geist in unserem Land nicht.“ Selbst Kremlchef Wladimir Putin sagte: „Wir haben eine wunderbare russische Küche. Das müssen wir für den Markt produzieren – und es besser machen als die Konkurrenten wie McDonald’s.“
Bulettenbrötchen statt Burger
Es ist jedoch auch in politischen Krisensituationen äußerst unwahrscheinlich, dass es jemals dazu kommen wird. Denn immerhin ist McDonald’s mit 60.000 Angestellten einer der größten Arbeitgeber in Russland. Zudem sind die Verkaufs- und Kundenzahlen trotz allem nach oben geschnellt. „Trotz der zum Teil schwierigen makroökonomischen Situation aufgrund des stagnierenden Realeinkommens, bleibt der russische Konsument unserer Marke treu“, sagt Carena. Im Angebot lässt man aber russische Küche einfließen: So gibt es auch Burger „à la russe“ mit Roggenbrot. Für einen Regionalpolitiker geht das jedoch noch nicht weit genug. Wenn schon McDonald’s, dann zumindest mit russischen Namen, witzelte er. „Warum muss man das überhaupt Burger nennen? Kann man nicht einfach auch ein ‚Brötchen mit Buletten‘ bestellen?“