Wie vegane Restaurants Erfolgsgeschichte schreiben
Die vegane und auch die vegetarische Ernährung spielt in der heutigen Gesellschaft eine immer größere Rolle. Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse lag die Anzahl der Menschen in Deutschland, die sich selbst als Veganer einordnen im Jahr 2023 bei 1,52 Millionen. Dementsprechend wird auch immer mehr von Restaurants erwartet, dass sie vegane Speisen anbieten.
„Generell wächst in großen Teilen Europas das Bewusstsein für vegetarische und vegane Ernährung zurzeit enorm“, sagt Nikodemus Berger, Küchenchef im Sternerestaurant Bonvivant. „Auch Fine Dining wird immer fleischloser. Zwar gibt es noch immer sehr wenige rein vegetarische Sternerestaurants, aber die Menüs in den ‚normalen‘ Sternerestaurants werden immer reicher an Gemüse.“
Vor einigen Jahren hätte ein siebengängiges Menü noch aus drei Fischgerichten, drei Fleischgerichten und einem Dessert Bestanden. Mittlerweile gebe es aber viele Restaurants, die nur noch in ein bis zwei Gängen Fleisch servieren.
Restaurantleiter Christian Liesendahl, von Kopps Bar & Restaurant, beobachtet: „Fast jedes Restaurant bietet inzwischen vegane Optionen an, was auf die bewusstere Ernährungsweise der Gäste hindeutet und die gestiegene Nachfrage nach pflanzenbasierter Kost widerspiegelt.“
Das Kopps war eines der ersten veganen Restaurants in Berlin. „Wir haben damals die gestiegene Nachfrage an pflanzlicher Küche aufgegriffen“, sagt Liesendahl. Im Kopps sei man der Überzeugung, dass durch eine rein pflanzliche Küche der geringste ökologische Fußabdruck entsteht. Mit der veganen Ausrichtung will man daher einen Beitrag zur Emissionseinsparung liefern. „Der Fokus auf einer omnivoren Ernährung ist in Anbetracht des Klimawandels und der Treibhausgasemissionen nicht mehr zu verantworten“, betont Liesendahl.
Ähnlich sieht dies Ricky Saward, Küchenchef das Seven Swans in Frankfurt am Main: „Die Reduzierung oder teilweise auch der Verzicht diverser tierischer Produkte ist unvermeidlich. Wer denkt, er könne Hummer, Kaviar und Wagyu noch die nächsten zehn Jahren kochen, verkalkuliert sich.“
„Die Umstellung auf vegan war unvermeidlich“
Ricky Sawards Restaurant – das Seven Swans – ist in Deutschland als das einzige vegane Restaurant bekannt, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. 15 Jahre Verarbeitung von tierischen Produkten waren für den Spitzenkoch der Auslöser zum Umdenken.
„Wenn man reflektiert, wie viele Tiere man in seiner Laufbahn eigentlich verarbeitet hat, ist das sehr erschreckend. Vor allem denkt man in den jungen Jahren gar nicht darüber nach, was man da eigentlich in den Händen hält und gerade häutet, filetiert, füllt, einlegt, brät, anrichtet oder sonst irgendwie verarbeitet. Für mich ist das aus heutiger Sicht nur noch Produktplatzierung ohne Fokus auf das eigentliche Handwerk“, erläutert Ricky Saward seinen Impuls, das Seven Swans vegan zu gestalten.
Das Restaurant hat er bereits übernommen, als es noch vegetarisch ausgerichtet war. Damals habe man laut Saward allerdings bereits zu 80 Prozent vegan gekocht.
„Die Umstellung auf vegan war unvermeidlich“, sagt Ricky Saward. Ein Konzept wie das des Seven Swans – regional, saisonal, vegan und nachhaltig mit einem „farm to table“- und „root to leaf“-Konzept – mache nur in einem ganzen Paket für ihn Sinn.
„Umso mehr man sich mit der Materie auseinandersetzt, desto kreativer wird man im Umgang mit den Produkten“, erklärt Saward. Das saisonale und regionale Gemüse nimmt man dabei im Seven Swans auf jegliche Art und Weise auseinander. So werden die einzelnen Teile des Gemüses mit verschiedenen Techniken bearbeitet, um Geschmack und Konsistenz auf ein Level zu heben, das die Gäste nicht erwarten. Auf Gewürze verzichtet man dabei, um den natürlichen Geschmack nicht zu verändern.
Ein großer Aufwand, den man im Seven Swans auf sich nimmt. Doch für Ricky Saward ist er es allemal wert. „Ich sehe den Vorteil, dass wir die junge, neue Generation „Gourmets“ anziehen. Wir haben aktuell eine Durchschnittsklientel von Anfang 20 bis Mitte 30. Das ist eine schöne und auch notwendige Entwicklung“, erwähnt der Küchenchef. Zudem fänden auch immer mehr Gäste aus dem Ausland den Weg in sein Restaurant. „Es ist für mich immer noch nicht greifbar, dass wir Gäste aus New York, Buenos Aires oder Sydney haben“, sagt Ricky Saward.
Immer wieder eine spannende Aufgabe
Dass ein vegan ausgerichtetes Restaurant-Konzept kein Kinderspiel ist, weiß man auch im Kopps Bar & Restaurant. Der Verzicht auf nicht vegane Produkte in der Küche und an der Bar ist laut Restaurantleiter Christian Liesendahl eine Herausforderung.
„Wir müssen natürlich viel genauer auf die Zutatenlisten unserer Produkte achten als omnivore oder vegetarische Betriebe“, stellt Liesendahl heraus. Vor allem an der Bar und im Bereich Weine stehe man in engem Austausch mit den Lieferanten und Produzenten, um sicherzustellen, dass alle Produkte vegan sind und es auch bleiben.
Dennoch sei der Umgang mit veganen Speisen auch immer wieder eine spannende Aufgabe. „In unserm Haus können sich die Kollegen ausprobieren und Wege finden, klassische Gerichte neu und vegan zu interpretieren“, erwähnt Liesendahl.
Ideal für die vegane Küche sind laut dem Restaurantleiter Miso und Fermentationsmethoden, welche vor allem im asiatischen Raum traditionell angewendet werden. Durch diese Methoden könnten intensive Geschmäcker auf den Teller gebracht werden.
Die Gäste sind davon begeistert. Das Publikum des Kopps ist laut Liesendahl äußerst vielfältig und besteht nicht nur aus Veganern. Die Gäste würden sich bewusst für einen veganen Abend entscheiden und seien oft überrascht, wie köstlich vegane Küche auf gehobenem Niveau sein kann.
„Manchmal bringen junge Menschen ihre nicht veganen Eltern mit. Diese beäugen das Angebot dann schon etwas kritischer, sind aber nach unserem Menü doch in den meisten Fällen sehr begeistert“, erwähnt Liesendahl.
„Köche sollten wieder mehr mit Herz und Seele kochen“
Der Restaurantleiter ist sich daher sicher: „Ich bin der Überzeugung, dass der Trend zur veganen Kost anhalten und sich eher noch verstärken wird.“ Anderen Gastronomen rät er daher dazu, mutig zu sein, auszuprobieren und vegane Produkte mit der gleichen Hingabe zu kreieren wie die nicht veganen. „Oftmals habe ich erlebt, dass vegane Gerichte nur als ‚notwendiges Übel‘ angeboten werden. Das schmecken die Gäste am Ende und gehen unzufrieden aus dem Restaurant.“
Ricky Saward rät daher dazu, Schritt für Schritt in eine vegane Richtung zu gehen. Für ihn stellen Reduzierung, Regionalität und Nachhaltigkeit, ohne dabei Greenwashing zu betreiben, eine entscheidende Rolle. „Die eigene Handschrift ist der Schlüssel zum Erfolg. Köche sollten wieder mehr mit Gefühl kochen. Und das meine ich nicht laienhaft – sie sollten mehr mit Herz und Seele kochen.“
Um im Bereich der Kulinarik international wieder anerkannter zu werden, benötige es mehr risikofreudige Köche, die nicht nur Auszeichnungen anstreben und auf Nummer sicher gehen. „Wir brauchen Köche, die bewusst einen schweren, steinigen Umweg gehen, um sich abzuheben von der Masse“, betont Ricky Saward.
(Seven Swans/ Kopps Bar & Restaurant/Bonvivant/Statista/SAKL)