Wie lange gibt es Chinarestaurants schon in Deutschland?
Das Jahr 1923 gilt bis heute als Schicksalsjahr der jungen Weimarer Republik. Wirtschaft am Boden, Staat pleite. Die angeworfene Notenpresse ließ die Inflation explodieren. Doch 1923 war eben nicht nur das Jahr der Hyper-Inflation. So ging damals etwas los, was bis heute viele köstlich finden.
Wo eröffnete das erste Chinarestaurant auf dem heutigen Staatsgebiet der Bundesrepublik?
„1923 eröffnete das erste chinesische Restaurant in Berlin in der Kantstraße 130b.“ So ist es in einem Aufsatz der Bundeszentrale für politische Bildung über Berlin zu lesen. „Es wurde vom ehemaligen Koch der Gesandtschaft betrieben und hieß ‚Tientsin‘.“
„Tientsin“ (wörtlich in etwa ‚Himmelsfurt-Stadt‘) ist eine frühere Bezeichnung für die nordchinesische Stadt und Provinz Tianjin. Heute steht an der Kantstraße 130b/Ecke Leibnitzstraße ein eher unscheinbares Haus mit Brillenladen und Apotheke im Erdgeschoss.
„Das Berliner ‚Tientsin‘ ab 1923 war wohl das erste Chinarestaurant in Deutschland, das sich auch an die deutsche Bevölkerung richtete und zum Beispiel junge Intellektuelle und Bohemians anzog.“, so der Hamburger Historiker Lars Amenda, der sich seit Jahrzehnten mit chinesischer Migrationsgeschichte beschäftigt.
Wann kamen die ersten Chinesen nach Berlin?
Laut Bundeszentrale kamen erste Chinesen Anfang des 20. Jahrhunderts nach Berlin und studierten zum Beispiel an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Am nahen Kurfürstendamm befand sich damals auch die chinesische Botschaft. In den 20ern habe der seit 1902 bestehende Verein chinesischer Studenten sein Büro in der Kantstraße 118 gehabt.
Bis heute gilt die Kantstraße – sie beginnt am Breitscheidplatz mit der Gedächtniskirche – als Asia- oder Chinatown der deutschen Hauptstadt, wenn auch keineswegs vergleichbar mit amerikanischen Vierteln etwa in San Francisco oder New York.
„In den 20ern war ein Lokal mit außereuropäischer Küche absolut ungewöhnlich“, sagt Amenda.
Weiterlesen