Wie die Küchenpsychologie das Gästeerlebnis beeinflusst
„Ich bin ein Priener, ich war immer hier und will niemals weg“ – Das sagt Spitzenkoch Dominik Wachter über sich selbst. Hier, in der malerischen Landschaft von Prien am Chiemsee, erfüllte sich Dominik Wachter seinen Lebenstraum. Hier gründete er in der ehemaligen Kochschule seines Lehrmeisters Thomas Mühlberger im Oktober 2022 sein eigenes nach ihm benanntes Restaurant: Die Wachter Foodbar.
„Eine Küche voller Finesse“, urteilt der Michelin Guide. Auch 2024 wurden Wachter und sein Team mit dem Stern ausgezeichnet. Die Menüs, die der Spitzenkoch kreiert und seinen Gästen auf handgefertigter Keramik präsentiert, sind in der Tat von einzigartiger und ausgezeichneter Qualität. Doch jeder Hobbykoch weiß, dass es nicht allein auf die Kochkunst ankommt.
„Das Auge isst mit“ – ist nur eine von vielen Weisheiten, die darauf hindeuten, dass es mehr als Kochtalent braucht, um Feinschmecker zu begeistern. Die Küchenpsychologie ist entscheidend. Aber was verbirgt sich hinter dem Begriff Küchenpsychologie und warum ist sie wichtig? Dominik Wachter wagt im wahrsten Sinne des Wortes den Blick über den Tellerrand.
Herr Wachter, wie definieren Sie den Begriff Küchenpsychologie?
Mit dem Begriff Küchenpsychologie verbinde ich meine Vorstellung und Philosophie des Kochens. Der Anspruch von mir und meinem Team ist es, den Gast auf eine Reise mitzunehmen, auf welcher er das Konzept der Wachter Foodbar mit all seinen Sinnen, nicht nur den Geschmacksnerven, spürt. Zentrum und Ziel der Reise bleiben selbstverständlich das Menü. Der Weg dorthin lässt sich gut mit dem Begriff Küchenpsychologie beschreiben.
Lassen Sie uns konkret werden. Inwiefern beeinflusst etwa die Präsentation eines Gerichts das eigentliche Geschmackserlebnis?
Präsentation eines Gerichtes ist ein wichtiger Punkt. Die stilvolle Darreichung eines Gerichts macht das Menü komplexer und besonderer, erfreut den Gourmet und (Wachter schmunzelt) beeindruckt vermutlich auch Restaurantkritiker. Doch Präsentation meint nicht nur Optik. Jedes Menü erzählt eine eigene Geschichte. Wir gehen mit unseren Gästen in ein Gespräch auf Augenhöhe und erzählen die Story des Gerichtes. Von welchen Produzenten und Zulieferern aus der Region stammen die Zutaten? Wie sehen unsere Arbeitsschritte und Techniken aus, mit denen wir das Menü zubereitet haben? Das interessiert den Gast, Feinschmecker und Hobbykoch und wir beantworten diese Fragen gerne. Durch solch eine verbale Präsentation fühlt sich der Gast wertgeschätzt und, was vielleicht noch wichtiger ist: Es entsteht eine emotionale Bindung zum Menü. Das Gericht wird ganz anders wahrgenommen und viel bewusster zu sich genommen.
Welche weiteren psychologischen Aspekte berücksichtigen Sie bei der Menüplanung?
Definitiv die Jahreszeit. Der Mensch ist wetterfühlig. Bei vielen Menschen wird die eigene Stimmung auch von der Jahreszeit beeinflusst und das spiegelt sich in unseren Menüs wider. Mit regionalen und saisonalen Produkten lässt sich die Stimmung am besten einfangen. Im Sommer bieten wir frische leichte Gerichte an, im Herbst und Winter eher dichtere und warme Speisen. Dabei achten wir stets auf die passenden Getränke. An heißen Tagen reichen wir gerne einen Champagner mit „non Dosage“. Der ist etwas frischer und animiert den Gast zum Essen. Im Winter hingegen empfehlen wir einen Champagner mit mehr Dosage. An kalten Tagen lohnt sich bei Weinen außerdem der dezente Geschmackseinsatz von Holz, um dem Gast ein Gefühl von Wärme zu vermitteln.
Wie wichtig sind Farben und Texturen bei der Präsentation von Speisen, um Emotionen hervorzurufen?
Sehr wichtig. In den Farben und Texturen zeigt sich immer auch die Philosophie des Restaurants. Die Wachter Foodbar steht für eine ehrliche, erdige, bodenständige Küche. Den Einsatz von Lebensmittelfarben oder zu starker Kontraste vermeiden wir dementsprechend. Die Farben in meiner Küche wirken harmonisch, sind gerne etwas gedeckter und meist Ton in Ton. Mir ist es lieber, wenn dem Gast das Wasser im Mund zusammenläuft als wenn er erschrocken wegen zu greller Farben auf dem Teller erstarrt. Das Menü sollte farblich dezent, appetitlich und ansprechend wirken. Kontraste bevorzuge ich eher bei Temperaturen und Texturen. Für meine Gäste ist es oftmals eine Geschmacksexplosion, wenn sie sich durch verschiedene Temperaturen „löffeln“ und von cremig bis crunchy alles dabei ist. Wichtig ist mir außerdem, dass ein Gemüse immer als das Gemüse erkannt wird, was es ist und nicht alles zu Pürres oder Cremes verarbeitet wird.
Stichwort Wohlfühlatmosphäre: Wie beeinflusst das Ambiente Ihres Restaurants – vom Licht bis zur Akustik – das kulinarische Erlebnis der Gäste?
Wir haben bei der Wachter Foodbar sehr genau darauf geachtet, dass Akustik, Licht und Farbe ein stimmiges und harmonisches Gesamtbild ergeben. Das Ambiente unseres Restaurants soll sich anfühlen wie eine heimische Kombination aus Speisekammer, Wohnzimmer und Esszimmer. Der Gast soll sich vom ersten Moment an wohlfühlen, um dem Alltagsstress entfliehen zu können. Wichtig ist mir eine Atmosphäre, die bereits beim ersten Schritt in unsere Lokalität zum Genießen und Fallenlassen einlädt. Nicht eine wie auch immer geartete Etikette steht bei uns im Vordergrund, sondern allein der Genuss. So arbeitet auch mein Personal. Meine Mitarbeiter begegnen dem Gast zwar selbstverständlich professionell, aber immer auf eine lockere und natürliche Art.
Können Sie weitere Beispiele geben, warum Emotionen in der Küche so wichtig sind?
Gerne. Viele meiner Gäste sind Stammkunden. Nicht selten begegnen wir uns zur Begrüßung mit einer innigen Umarmung. Ich durfte feststellen, dass auch bestimmte Gerichte Emotionen in Form von schönen Erinnerungen auslösen. Abhängig vom individuellen Geschmack des Gastes überreiche ich als kleinen Gruß aus der Küche gerne ein emotionales Gericht, welches schon lange nicht mehr genossen wurde – zumindest nicht in einer solchen Qualität wie ich sie, in aller Bescheidenheit, anbiete. Der Begriff Trigger ist in der Psychologie meist negativ belegt. Gerade bei Gerichten gibt es viele positive Trigger. Es handelt sich um schöne Erinnerungen an köstliche Menüs aus Kindheitstagen. Ein Beispiel sind Königsberger Klopse oder auch mal ein Tafelspitz mit Meerrettichsoße. Was jedoch all meine Gäste eint, ist, dass sie Wert auf die Natur, auf Saisonalität und Regionalität legen. Für diese Philosophie, für diese Küchenpsychologie, steht die Wachter Foodbar.
Verfolgen Sie psychologische Studien? Beobachten Sie Trends, was die Zukunft der Gastronomie angeht?
Ja und nein. Als noch junges Unternehmen arbeiten wir selbstverständlich täglich daran, uns weiterzuentwickeln. Daher ist uns das Feedback eines jeden Gastes wichtig, um ihm beim nächsten Besuch ein noch schöneres Erlebnis zu bieten. Dennoch bin ich kein Koch, der Trends hinterherläuft. Ich konzentriere mich auf die Qualität des Produktes, auf die Qualität der regionalen Lieferanten und Erzeuger. In Zeiten der Nachhaltigkeit halte ich eine Rückbesinnung auf Bewährtes für klüger als jedem kulinarischen Trend, der vielleicht schon übermorgen out ist, hinterher zu hecheln. Küchenpsychologie bedeutet auch, auf seinen Bauch zu hören. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das der richtige Weg ist.
Eine letzte etwas persönliche Frage: Zu welchem Anteil fließen Ihre eigenen Überzeugungen, fließt Ihre eigene Seele mit in Ihre Kochkunst ein?
Zu einhundert Prozent. Mein Beruf ist meine Berufung. Die Philosophie meiner Küche ist meine eigene Kochphilosophie. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Gast das unbewusst spürt und schmeckt. Anders ausgedrückt: Stünde ich nicht zu 100 Prozent zu dem, was ich koche und wie ich koche, würde der Gast das am Ende des Tages auf seinem Teller schmecken. Auch das hat etwas mit Küchenpsychologie zu tun. Das Phänomen gilt vermutlich für die meisten Berufe. Man sollte das, was man tut, gerne und mit Leib und Seele tun.
(Wachter Foodbar/Münchner Marketing Manufaktur/SAKL)