Wenn das Wollen zum Tun wird
HOGAPAGE: Frau Hohenlohe, mit Konstantin Filippou hat Österreich einen neuen Top-Koch der 4-Hauben-Liga. Was macht eigentlich den Unterschied zwischen 18 und 19 Punkten, also zwischen drei und vier Hauben aus? Was hat sich bei ihm etwa verbessert?
Martina Hohenlohe: Bei Konstantin Filippou konnten wir in den letzten Jahren eine stetige Steigerung wahrnehmen, in Sinne von Präsizision in der Ausführung, Weiterentwicklung seiner persönlichen Handschrift und dem beeindruckenden Überraschungsmoment bei jeder einzelnen seiner Kreationen. Der Unterschied liegt darin, dass das Wollen zum Tun wurde, dass keinerlei Verkrampftheit in diese Richtung zu spüren ist, sondern dass hier eine ganz klare und selbstbewusste Küchenlinie stattfindet. Ein bisschen wie das große Ich-bin-ich der Spitzengastronomie.
Selbst international wurden 20 Punkte erst zweimal vergeben: an Marc Veyrat und Sergio Herman. Gäbe es bei uns zumindest theoretische Chancen, diese 20 Punkte zu erreichen, oder werden die aus Prinzip nicht vergeben?
In Österreich vergeben wir keine 20 Punkte, weil wir aus den Fehlern anderer gelernt haben und es uns nicht freisteht, das Punktesystem so zu verändern, dass es wieder Luft nach oben gibt.
Im Top-Segment liegen die Menüpreise in Österreich im Schnitt bei etwa 150 bis 200 Euro. Im internationalen Vergleich eine Okkasion. Sollten unsere Gastronomen hier mutiger sein oder gibt der österreichische Markt nicht mehr her?
Wir sind der Meinung, dass die Preise in Österreich stellenweise spürbar angezogen haben und sich durchaus mit dem internationalen Vergleich messen können. Ein Menü ohne Wein um € 185,- oder gar € 250,- befördert uns von der preislichen Insel der Seligen doch in deutliche Distanz.
Generell hört man oft den Vorwurf, dass Speisen in Österreich zu billig, Getränke dafür zu teuer wären. Ist die Kritik berechtigt?
Teilweise sind die Getränkepreise in der österreichischen Gastronomie tatsächlich sehr fantasievoll. Besonders, was Schaumweine anbelangt. Wir denken, dass hier Vorsicht geboten ist, der Gast wird immer mündiger und möchte sich nicht über den Tisch gezogen fühlen.
Abseits der absoluten Spitzengastronomie: Welche Trends kann man aktuell im gehobenen Mittelbau der Ein- und Zwei-Hauber erkennen?
Die Mittelschicht zeichnet sich vor allem durch weitgehend konsequente Leistungen aus, hier nehmen wir weniger Bewegung in den Bewertungen wahr, als unter der Haubengrenze oder an der Spitze. Wenn man einmal die Flughöhe erreicht hat, wird sie ohne große Kursänderungen weitgehend gehalten. Das führt natürlich auch mit sich, dass wir hier in puncto Kreation und Innovation nicht so viel wahrnehmen. Regionalität wird in diesen Breitengraden sicher am kompromisslosesten zelebriert.
Ist Regionalität noch immer das große Thema oder darf Fleisch inzwischen wieder aus Südamerika und Fisch aus dem Pazifik kommen?
Regionale Schwerpunkte finden in Kombination mit internationalen Zutaten zu neuen Höhepunkten – Regionalität hat sich nach unserer Beobachtung neu definiert, man baut nach wie vor sein Netzwerk naher Produzenten aus, aber erweitert es durch europäische Produkte und schreckt auch nicht davor zurück, auch international einzukaufen. Immer wieder hörten wir den Standpunkt: „Wenn ein französisches Bresse-Huhn einfach besser ist, warum darf ich das dann nicht anbieten?“