Wein gegen Handy: Restaurantgäste sollen mehr reden statt tippen
„Früher haben sich immer mal wieder Pärchen gebildet, die miteinander ins Gespräch gekommen sind und vielleicht sogar Freunde geworden sind“, sagt Vittorio Turco. „Heute schaut jeder nur noch auf sein Handy und ist mit seinen eignen Sachen beschäftigt.“
In seinem Restaurant Dalla Mamma in Münster will er deshalb seine Gäste dazu anregen, wieder mehr miteinander statt mit dem Smartphone zu interagieren. Dafür hat er ein ganz besonderes Angebot eingeführt: Gäste können ihr Handy abgeben und erhalten dafür eine Flasche Wein oder Wasser gratis – aber nur pro Pärchen und nur, wenn alle am Tisch das Handy abgeben. Bei neun Gästen, die alle ihr Handy abgeben, gibt es somit vier Gratis-Flaschen Wein oder Wasser.
Die Telefone kommen dann in eine braune Papiertüte hinter die Theke. Die Tüte ist dabei mit der Tischnummer versehen, sodass eine Verwechslung bei der Rückgabe ausgeschlossen ist. Eine Bestellpflicht gibt es nicht – Gäste können einfach ihr Handy abgeben und müssen nichts anderes trinken oder essen.
Trotzdem rechnete der Gastronom vor dem Start der Aktion natürlich damit, dass jeder Tisch, der das Angebot wahrnimmt, auch mindestens eine Flasche Wasser bestellt. „Dadurch habe ich zwar nicht viel gewonnen, aber auf jeden Fall auch nicht viel verloren“, stellt Vittorio Turco heraus. Einen Umsatzgewinn ziehe er aus der Aktion nicht.
Gäste sensibilisieren
Warum der Gastronom das Ganze trotzdem macht? „An Familientischen habe ich nur noch diese Streitgespräche über die Handynutzung der Kinder gehört. Eltern drohen mit Strafen, dass das Handy weggenommen wird oder der WLAN-Code zu Hause geändert wird, wenn ihre Kinder das Handy jetzt nicht weglegten – das hat mich einfach sehr gestört“, erklärt der Restaurantinhaber auf Anfrage von HOGAPAGE. „Als ich klein war, war es für mich ein Highlight, wenn mich meine Eltern zum Essen mitgenommen haben – heutzutage scheint dies Standard geworden und nichts Besonderes mehr zu sein.“
Wenn er jetzt beispielsweise ältere Leute mit Kindern sehe, spielten die jungen Gäste nur noch am Handy herum. „Das waren die Momente, in denen mir klar wurde, dass die Kommunikation vollkommen verloren gegangen ist“, sagt Vittorio Turco. „Diese schönen Gespräche, die Familien mal geführt haben, die gibt es überhaupt nicht mehr.“
Deshalb will er seine Gäste dazu anregen, wieder mehr miteinander zu kommunizieren. „An sich wollte ich erreichen, dass die Menschen mal ein bisschen mehr sensibilisiert werden und sie selber merken, dass es nicht sein muss, dass man alle 30 Sekunden auf sein Handy guckt“, erklärt der Restaurantbesitzer.
Herzerweichende Momente
Die Reaktionen seiner Gäste geben ihm recht: Waren diese vorher mit Handy nur ca. eine bis eineinhalb Stunden bei ihm im Restaurant, bleiben sie nun ohne Handy bis zu zwei bis drei Stunden. „Das Angebot kommt super an und ist zu 100 Prozent positiv“, berichtet der Gastronom.
Auch mehr Gäste habe er verzeichnen können. „Ich habe jetzt schon einige neue Gesichter nur deswegen hier gehabt. Sie haben das meistens in der Zeitung gelesen oder im Fernsehen gesehen.“
Ein Vorfall hat ihn jedoch am meisten gerührt: „Einmal war eine Frau da, die mir gesagt hat, dass sie seit 20 Jahren kein so schönes Gespräch mehr mit ihrem Ehemann geführt hat. Dafür hat sie mich am Ende sogar umarmt“, erinnert sich Vittorio Turco. „Das sind dann immer die Momente, in denen einem ganz warm ums Herz wird.“
„Ich bin stolz, dass ich Menschen wieder zusammenzuführen kann“
Wie von dem Gastronomen erhofft, kommen seine Gäste also wieder ins Gespräch. Gerade auch bei zwei benachbarten Tischen, die das Angebot nutzen, fangen laut Vittorio Turco die Gäste an, miteinander zu reden und sich auszutauschen.
„Ich bin stolz, dass ich Menschen wieder zusammenzuführen kann“, sagt der Restaurantinhaber. Er findet, dass auch andere Gastronomen ihre Gäste dafür sensibilisieren sollten, wieder mehr miteinander zu kommunizieren und das Smartphone wegzulegen. „Man sollte bei einer solchen Aktion zwar etwas auf die Kosten achten, ansonsten ist da ja aber nichts Schwieriges dabei“, betont Vittorio Turco.
Wie lange er das Angebot noch beibehalten will, darüber hat er sich nach eigener Aussage noch keine vollendeten Gedanken gemacht. „Ich wollte erst einmal schauen, wie das Ganze so ankommt und auch beobachten, wie es in der Länge angenommen wird. Aktuell kommen in der Woche ca. acht Tische, die das Angebot wahrnehmen. Wenn das so bleibt, will ich es zumindest ein Jahr weiterführen – und wenn nicht übertrieben wird, mache ich vielleicht sogar noch länger weiter damit“, sagt Vittorio Turco.
(SAKL)