Die Gäste sind zurück!

Was Gastronomen aus dem Shutdown lernen können

Kellnerin deckt Tische ein
Die Krise als Chance begreifen wohl – zu Recht – die wenigsten Gastronomen. Trotzdem gibt es einige Aspekte, die in Zukunft helfen könnten. (© unsplash / Louis Hansel)
Nach rund zwei Monaten Zwangspause dürfen Gäste seit kurzem wieder in die Lokale gehen. Akzeptanz, Zusammenhalt und Google Ads: So können Gastronomen ihre Türen öffnen.
Mittwoch, 10.06.2020, 10:08 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

„Es ist für die Betriebe ein Schritt in Richtung Aufatmen“, fasst Christian Bauer, Geschäftsführer von resmio, einer Firma für digitale Managementlösungen, das aktuelle Stimmungsbild der Gastronomen zusammen. Seit kurzem dürfen Restaurants und Cafés ihre Gäste wieder willkommen heißen. Damit bahnt sich vorerst und schrittweise das Ende einer Zeit an, die selbst für die stresserprobten Unternehmer dieser Branche Herausforderungen einer neuen Dimension bedeuteten. Christian Bauer, der mit seinem 30-köpfigen Team weltweit an der Seite von über 10.000 Betrieben steht, fasst die neun wichtigsten Learnings zusammen:

  1. Social Media nicht länger freiwillig
    Dass der Unternehmensauftritt auf Facebook, Instagram & Co. für die Kommunikation mit Gästen förderlich ist, war auch vor der Krise bekannt. Wie entscheidend der Aufbau einer eigenen Reichweite in den digitalen Medien aber sein kann, rückte erst jetzt in das Bewusstsein vieler Betriebe. Von der bloßen Sichtbarkeit bis hin zum Aufbau einer richtigen Community stehen die Chancen von Social Media heute stärker im Fokus denn je.
  1. Mini-Budgets mit großer Wirkung
    Dass auch zusätzliches Budget in die digitale Kommunikation fließen kann, um gezielt Sichtbarkeit zu schaffen, gehört ebenso zu den Maßnahmen, die viele Restaurants jetzt neu entdecken. „Schon für geringe, zweistellige Beträge können auf Facebook genau die Menschen im Umkreis des Betriebes erreicht werden, die eigentlich zur Laufkundschaft gezählt hätten“, so Bauer. Wichtige Infos zu veränderten Öffnungszeiten oder Angeboten erhalten so die nötige Aufmerksamkeit.
  1. Rückhalt vom System
    Ein Learning, das nicht alle Betriebe der Branche im gleichen Ausmaß erfahren haben – die Strukturen von Behörden und Ämtern stehen Betroffenen zur Seite. Von unbürokratischen Einmalzahlungen über die Stundung von Zahlungen bis hin zum Kurzarbeitergeld für Mitarbeiter: „Fehlte in anderen Ländern Europas jegliches Sicherheitsnetz, zeigen Länder wie Deutschland oder Österreich flächendeckend ein Mindestmaß zeitnaher Hilfestellungen“, vergleicht der Experte.
  1. Zusammenhalt der Branche
    Einen viel wichtigeren Anlaufpunkt, um plötzliche Sorgen zu teilen, bildeten die Akteure der Branche jedoch für sich selbst. Ob das vom Sternekoch Max Strohe gestartete Projekt „Kochen für Helden“, das Mahlzeiten für medizinisches Personal bereitstellte oder theisolatedchef, der auf Instagram Rezepte aus verschiedensten Restaurants Berlins teilt, entstanden in der Zeit des Shutdowns zahlreiche Initiativen und Kooperationen, die die Unternehmer auch weiterhin vernetzen.
  1. Mitarbeitende sind Helden
    In einer Branche, in der unbefristete Arbeitsverträge, Mini-Jobs und studentische Aushilfen zur Tagesordnung gehören, schärfte die Krise den Blick vieler Arbeitergeber auf das wichtigste Gut ihrer Betriebe: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Für eine Vielzahl der Beschäftigten bedeutete der Stopp des Tagesgeschäfts die sofortige Arbeitslosigkeit. Dass auch und gerade sie eine besondere Form der Unterstützung und Absicherung brauchen, wurde sowohl in der Gesellschaft als auch unter den Gastronomen deutlich“, so Bauer.
  1. Neue Vertriebswege
    „Der Shutdown machte Restaurants mal eben zum Online-Shop – der Absatz über Liefer- und Abholservice blieb als Einziger bestehen“, beschreibt der Experte. „Das verlangte von den Betroffenen schnelles Handeln.“ Auch Restaurants, die das Außer-Haus-Geschäft bisher nicht bedienten, mussten die Strukturen, sei es mit der Kooperation größerer Liefer-Apps oder ohne, erlernen. „Ob die Restaurants diese Form des Vertriebs nach den jetzigen Neueröffnungen wieder beenden, bleibt zu beobachten.“
  1. Bedeutung der Kommunen
    Die erste Anlaufstelle für Gastronomen, um Informationen über Hilfeangebote oder aktuell über die Auflagen zur Wiederinbetriebnahme der Gewerbe zu erlangen, sind die jeweiligen Kommunen bzw. Gemeinden. Dass diese insgesamt eine herausragende Bedeutung für die Gastronomie haben und dieser in ganz unterschiedlichem Ausmaß gerecht werden, wurde durch die Krise besonders deutlich. „Über die Verantwortung der Kommunen, auch für Corona-unabhängige Themen wie Gaststättensterben und Personalmangel, wird aktuell offener und kritischer diskutiert als zuvor – eine wichtige Entwicklung“, fasst Bauer zusammen.
  2. Akzeptanz für das Unveränderbare
    Die wichtigsten Learnings, die die Betreibenden aus der herausfordernden Zeit mitnehmen können, gehen jedoch über das Operative hinaus. „In der Natur eines Gastronomen liegt es, täglich hunderte Baustellen mit dem Ziel eines glücklichen Gasts zu koordinieren. Gibt es ein Problem, muss umgehend eine Lösung gefunden werden“, weiß Bauer. Bei den Problemen der letzten Wochen hingegen, waren den Unternehmern die Hände gebunden. „Diesen Zustand zu akzeptieren und trotzdem zuversichtlich zu bleiben, war eine Aufgabe, an der viele Betreibende gewachsen sind“, weiß der Experte.
  3. Sehnsucht auf beiden Seiten
    Das wohl aber grundlegendste Learning, das sich sowohl bei den Gastronomen als auch ihren Gästen im Zeitraum der letzten Wochen zeigte: Restaurants, Cafés, Kantinen, Kneipen – die Funktion, die von den Inhabern bis zum Tellerwäscher alle Beschäftigten der Branche für die Gesellschaft erfüllen, geht über das Essen und Trinken hinaus. „Es sind Orte der Begegnung, die nun, nachdem wir sie für wenige Wochen nicht aufsuchen konnten, auch wieder als so bedeutend wahrgenommen werden.“
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