Restaurant mit kostenlosen Gerichten eröffnet
Das Essen im Stuttgarter Café „Raupe Immersatt“ wäre eigentlich auf dem Müll gelandet – der übrig gebliebene Kuchen einer Konditorei ebenso wie die bräunlichen Bananen aus einem Supermarkt. Stattdessen können sich die Gäste an Kühlschränken und Regalen bedienen – und zahlen nichts dafür. „Am Anfang war vielen gar nicht klar, was hier passieren wird: Da herrscht doch dann Futterneid, es gibt lange Schlangen“, erzählt Maike Lambarth. Sie hat das Café vor kurzem gemeinsam mit vier Bekannten eröffnet. Das helle Lokal ist das nach eigenen Angaben erste Foodsharing-Café Deutschlands. Hinter dem Begriff Foodsharing verbirgt sich eine 2012 gegründete Initiative, die Lebensmittel vor der Mülltonne bewahren möchte. Die Mitglieder sammeln sie von Supermärkten, Restaurants oder auch Privatleuten ein und verteilen sie kostenlos weiter. Vernetzt sind mehr als 260.000 Menschen über die deutschsprachige Online-Plattform. Jeder kann auch selbst Lebensmittel mitbringen oder gratis mitnehmen, erklärt Betreiber Lisandro Behrens. „Wir wollten einen schönen Ort schaffen, um über Lebensmittelverschwendung zu reden.“
Finanzierung durch Getränkespenden
In Deutschland werden einem Bericht der Umweltorganisation WWF aus dem vergangenen Jahr zufolge jährlich mehr als 18 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Eine vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Auftrag gegebene Untersuchung ergab, dass deutsche Haushalte jährlich 4,4 Millionen Tonnen Lebensmittel wegwerfen – pro Kopf 55 Kilogramm. Fast die Hälfte des Abfalls bewerteten die Studienteilnehmer selbst als vermeidbar. „Wir verteilen jeden Tag 50 bis 100 Kilogramm weiter“, schätzt „Raupe Immersatt“-Betreiber Behrens. Das Café haben die 24- bis 29-Jährigen mithilfe von Crowdfunding-Geld eröffnet. Finanzieren soll sich der Betrieb über die Getränke: Während das Essen umsonst ist, zahlen die Gäste für Cappuccino, Saftschorle oder Sekt. Feste Preise gibt es aber nicht, jeder soll zahlen, was er für angemessen erachtet.
„Abgelaufene Lebensmittel dürfen verschenkt werden.“
Den Lebensmittelüberwachern der Stadt Stuttgart ist das ungewöhnliche Café bei Nachfrage direkt ein Begriff: „Das ist kein normaler Gastrobetrieb, sondern ein Sammelsurium geretteter Lebensmittel“, sagt Petra Frohnert, die stellvertretende Dienststellenleiterin des Amts. Es sei unklar: Wo kommt das Essen her, wie wurde es gelagert und transportiert. Allerdings dürfen Lebensmittel, die das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, verkauft oder eben verschenkt werden. „Der Hersteller der Ware gibt die Garantie dafür, dass sie bis zu diesem Datum einwandfrei ist. Nach Ablauf geht die Verantwortung an den Unternehmer über“, sagt Frohnert. Anders beim Verbrauchsdatum, dass etwa bei Hackfleisch zu finden ist: Ist das überschritten, darf das Essen nicht mehr weitergegeben werden. Bislang hat es den Betreibern zufolge noch kein Café gegeben, das das gesammelte Essen tatsächlich umsonst verteilt. Ob das Stuttgarter Konzept rentabel sein wird, ist den Betreibern bisher noch nicht klar. Lange Schlangen vor den Kühlschränken gibt es jedenfalls nicht, auch von Futterneid ist nichts zu spüren. (dpa/TH)