„Novemberhilfen können nur einmalig Linderung verschaffen“
Wir haben mit Andrea Belegante, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS), über die Corona-Krise und ihre wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen in der Systemgastronomie gesprochen.
Frau Belegante, mit Blick auf die vergangenen Monate – wie sieht die Lage bei Ihren Mitgliedsunternehmen aus?
Die Corona-Krise hat unsere Branche mit enormer Wucht und großen wirtschaftlichen Folgeschäden getroffen. Laut Statistischem Bundesamt* muss die Gastronomie einen Umsatzrückgang von März bis August 2020 von rund 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verkraften. Diese Zahlen können wir bestätigen, teilweise sind die Verluste sogar noch deutlich höher und Restaurants bis heute geschlossen. Zwar konnten manche Mitgliedsunternehmen durch über Jahrzehnte etablierte Strukturen wie Drive-In und To-Go die Umsatzverluste etwas abmildern. Dies war und ist aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und das Statistische Bundesamt verzeichnet auch bei diesen Angeboten Umsatzrückgänge von rund 30 Prozent.
(*Anm. d. Red.: In einer offiziellen Mitteilung teilte des Statistischen Bundesamtes am 26. Oktober 2020 mit, dass der Umsatz im Zeitraum von März bis August 2020 real (preisbereinigt) um 40,5 % unter dem des Vorjahreszeitraums lag. Innerhalb der Gastronomie besonders stark betroffen waren alle Lokale, die ihr Geld mit dem Ausschank von Getränken verdienen. Restaurants mit Lieferdiensten und Ab-Haus-Verkäufen lagen mit ihren Umsätzen von März bis August 2020 um 29,3 % unter denen des Vorjahreszeitraums, Caterer lagen sogar um 42,1 % darunter.)
Welche Maßnahmen hat die Systemgastronomie ergriffen, um die Corona-Krise bestmöglich durchzustehen?
Zunächst ist zu sagen, dass hinter den bekannten Marken ganz überwiegend der klassische deutsche Mittelstand an selbstständigen Unternehmerinnen und Unternehmern steckt. Unsere Mitgliedsunternehmen haben vor der Corona-Krise ihre Hausaufgaben gemacht, sodass wir Anfang des Jahres optimistisch in die Zukunft blicken konnten. In den vergangenen Jahren konnten unsere Mitglieder einen Beschäftigungszuwachs von über zehn Prozent verzeichnen und Menschen vielfältige berufliche Chancen eröffnen. Darüber hinaus haben unsere Mitglieder durch die flächendeckende deutschlandweite und ihre 100-prozentige Tarifbindung in Mitarbeiter investiert. Auch Investitionen in Produktinnovationen, Digitalisierung und Modernisierungen haben eine positive Ausgangsbasis geschaffen. Doch die Krise hat diese guten Daten sehr stark eingetrübt. Deshalb waren wir als Bundesverband der Systemgastronomie e.V. zu Beginn der Krise gefordert und konnten in Rekordtempo eine Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit in der Systemgastronomie mit unserem Sozialpartner, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), abschließen. Diese praxisnahe und zielführende Maßnahme hat zigtausende Arbeitsplätze gerettet. Die Unternehmerinnen und Unternehmer haben durch die Aufstockung des Kurzarbeitergelds sozial- und tarifpolitische Verantwortung übernommen. Darüber hinaus haben auch die Mitgliedsunternehmen unternehmerischen Ideenreichtum bewiesen und zum Beispiel Personalkooperationen zur Abdeckung von Auftragsspitzen im Einzelhandel geschlossen, neue Vertriebsstrukturen wie Lieferdienstangebote etabliert und natürlich auch die strengen behördlichen Vorgaben zu Hygiene- und Abstandsregeln umgesetzt. Auch mit eigenen Kampagnen, wie der Initiative #deutschlandbestellt, die auf die Liefer- und Abholmöglichkeiten der Branche und damit – gerade während des November-Lockdowns – auf die notwendige Unterstützung aufmerksam macht, versuchen wir, die Krise zu meistern. Die gesamte Branche hat nach Kräften versucht, die Krise in Eigenverantwortung zu meistern. Doch spätestens mit dem zweiten Lockdown sind viele Unternehmerinnen und Unternehmer wirtschaftlich wie privat am Rande ihrer Kräfte angelangt.
Wie sehen die Zukunftsaussichten aus? Was braucht die Branche, was würde tatsächlich helfen?
Mit den zuversichtlich stimmenden Meldungen der vergangenen Tage zur Impfstoffentwicklung sind die Aussichten zwar etwas positiver. Dennoch bleibt noch sehr viel zu tun und die Branche benötigt dringend Unterstützung. Die Novemberhilfen sind zwar wichtig, noch sind sie allerdings nicht verfügbar, geschweige denn ausbezahlt. Zudem können die Novemberhilfen nur eine einmalige Linderung verschaffen. Was die Branche aber braucht, ist nachhaltige Planungssicherheit. Deshalb fordern wir, die für die Gastronomie geltenden reduzierten Mehrwertsteuersätze über den 30. Juni 2021 hinaus zu verlängern. Diese Maßnahme versetzt unsere Unternehmen in die Lage, aufgenommene Kredite auch zurückzahlen können. Das wäre ein Mut machendes Signal an die gesamte Branche zum Erhalt vieler mittelständischen Gastronomieunternehmen und der gastronomischen Vielfalt in Deutschland.
Wir danken für das Gespräch.