Gastronomie macht Innenstädte attraktiver
Die Debatte um die Zukunftsfähigkeit deutscher Innenstädte hat im Zuge der Monate des Lockdowns weiter an Fahrt aufgenommen. „Wenn wir über zukunftsfähige Innenstädte sprechen, dann haben wir oft diesen diffusen Begriff Vielfalt im Kopf und es sind gerade die kleinen individuellen Restaurants und Cafés, die Vielfalt im Stadtbild schaffen, die Städten ein Gesicht geben, sie erlebbar, aber vor allem auch unterscheidbar machen. Das heißt, die zukunftsfähige Stadt braucht eine Gastronomie, die ihre Potenziale vollkommen ausschöpfen kann und umgekehrt, Innenstadtlagen sind für Gastronomen sehr attraktiv – aber auch sehr herausfordernd“, erklärt Ivonne Julitta Bollow, Global Director Public Policy der Metro. Welche Herausforderungen hier gemeint sind und wie die Gastronomie zum Erhalt der Innenstädte beitragen kann, zeigt die aktuelle Studie #Innenstadtinitiative von Metro und der IFH Köln.
Besucherzahlen rückläufig
Die Attraktivität der Innenstädte nimmt bereits seit längerem ab. „Und damit verbunden auch die Besuchsdauer“, erklärt Boris Hedde, Innenstadtexperte und Geschäftsführer des IFH Köln. Gleichzeitig ist die Besucherfrequenz seit Beginn der Pandemie rückläufig. Im 1. Halbjahr 2021 etwa sank diese im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 36 Prozent. Das geht natürlich nicht spurlos an der Branche vorbei: 52 Prozent der Gastronomen gaben an, dass ihre größte Herausforderung seit der Pandemie die ausbleibenden Kunden sind.
Weitere Herausforderungen für die Betriebe
Daneben haben Gastronomen mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen: Ein Großteil der Befragten kritisiert, dass die Mieten für attraktive Standorte zu hoch sind (46 %). „Die wenigsten Gastronomiebetriebe können in den Innenstädten die hohen fünfstelligen Pachten erwirtschaften“, bestätigt Dehoga-Geschäftsführerin Ingrid Hartges. Auch die intransparente Vergabe „unter der Hand“ ist ein Problem für Gastronomen (43 %).Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Fachkräften (34 %).
Darüber hinaus muss ein guter Standort einige Rahmenbedingungen erfüllen: Sauberkeit und Ambiente (69 %), Anzahl potenzieller Kundschaft im Einzugsgebiet (68 %) sowie ÖPNV-Anbindung (66 %) und gute Erreichbarkeit für Zulieferer (63 %).
Keine Innenstadt ohne Gastronomie
Die Studie verdeutlicht jedoch auch, dass Kunden und Kommunen die Bedeutung der Gastronomie für die Stadtzentren klar ist. So gaben bei einer Kommunalumfrage in NRW 37 Prozent der Befragten an, dass fehlende Gastronomie beziehungsweise Außengastronomie eine große Herausforderung für das Zentrum ist. Kein Wunder, schließlich sind sich die Innenstadtbesucher über alle Altersgruppen hinweg einig (76 Prozent): Die Gastronomie gehört dazu.
Das muss sich ändern
Was muss sich also konkret ändern, damit die Innenstadtlage für Gastronomen wieder attraktiver wird?
- Bezahlbare Mieten und Transparenz bei der Vergabe der Flächen: „Es braucht gegebenenfalls eine städtische Vergabeplattform für Gastronomieflächen“, schlägt Sven Liebert, Head of Public Policy Germany bei Metro, vor. „Städte können zudem mit dem städtischen Vorkaufsrecht experimentieren oder Zwischenanmietungen nutzen, um leerstehende Flächen zu vermeiden. Sonst erhalten nur die größeren Institutionen die Zuschläge und nicht die kleinen Gastronomen mit Herz.“
- Mobilitätsanbindung der Gäste und Erreichbarkeit für Dienstleister: Die Gastronomiebetriebe brauchen eine optimale Anbindung an verschiedene Mobilitätslösungen, um ein breites Gästespektrum ansprechen zu können. „Es wird immer wieder diskutiert, ob man Straßen für den PKW-Verkehr schließt, um sie dem Radverkehr zu öffnen“, so Hedde und stellt klar: „Dann braucht es aber auch Alternativen.“ Um den Gastronomiebetrieb sicherzustellen zu können, braucht es zudem vielfältig Warenströme über tagesbeschränkte Be- und Endladezonen, sowie ein umfassendes Angebot an Dienstleistern bzw. lokalem Handwerk.
- Stadtambiente aus Sauberkeit, Grünflächen, Lebendigkeit und Vielfalt: Die Innenstädte sollten saubere Fußgängerzonen, intakte Gebäude und Fassaden, ausstreichend Plätze und Grünflächen aufweisen. Zeitgleich ist es wichtig, dass die Zentren auch durch die Vergabe der Gewerbeflächen an Pop-up Restaurants, der Organisation von städtischen Veranstaltungen und einer Stärkung der Kulturbetriebe lebendig gehalten und vielfältig gestaltet wird.
- Benennung eines städtischen Gastrobeauftragten: Ein städtischer Gastro-Beauftragter könnte bspw. als Teil der Wirtschaftsförderung sowohl die Schnittstelle zwischen Gastronomie und Politik erfüllen und somit den Dialog der Anspruchsgruppen sichern, bei Verwaltung und Behördenauflagen unterstützen und Vernetzung innerhalb der Stadtgesellschaft behilflich sein. So würde die Gastronomie als essenzieller Teil der Stadtgesellschaft gleich mitgedacht. „Einige Städte haben bereits gezeigt, dass das Konzept erfolgreich sein kann“, so Hedde.
- Beantwortung des Fachkräftemangels als existenzielle Frage für die Gastronomie: Es bedarf einer gemeinsamen Kraftanstrengung auf allen politischen Ebenen und der Betriebe, um Fachkräfte zu sichern. Auf kommunaler Ebene braucht es eine enge Vernetzung zwischen der Wirtschaft und Schulen sowie die Einrichtung einer Plattform zur Vermittlung von Ausbildungsplätzen innerhalb der ansässigen Gastronomie. Um die Ausbildung weiter zu stärken gilt es durch die Länder die Weiterentwicklung und Internationalisierung von Lehrkonzepten an den Berufsschulen voranzutreiben. Der Bund kann durch flexiblere Arbeitszeitgestaltung mit bspw. einer Wochenhöchstarbeitszeit zu einem attraktiveren Arbeitsumfeld beitragen. Nichtsdestotrotz braucht es für attraktive Löhne auch eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Wertschätzung und Wichtigkeit der Gastronomie für unser Zusammenleben und eine höhere Preisbereitschaft der Gäste.
(Metro/NZ)