In diese Branche ist das Personal aus dem Gastgewerbe abgewandert
Einer neuen Studie zufolge hat die Corona-Krise vor allem Arbeitskräfte aus dem Gastgewerbe in den Einzelhandel getrieben. Allein im Jahr 2020 hätten bundesweit 216.000 Beschäftigte der Gastronomie und Hotellerie den Rücken gekehrt, heißt es in der Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Fast 35.000 von ihnen hätten im Verkauf einen neuen Job gefunden, wo etwa die Discounter Aldi und Lidl mit Einstiegslöhnen von mindestens 14 Euro locken.
Was zunächst in vielen Fällen als vorübergehende Lösung gedacht gewesen sein möge, habe sich in vielen Fällen als Dauervariante etabliert – womöglich unter anderem wegen familienfreundlicherer Arbeitszeiten.
Nicht nur Minijobber
Rund 27.000 Menschen seien zudem von der Gastronomie in das Verkehrs- und Logistikgewerbe gewechselt, unter anderem als Fahrer für Paketdienste. Etwa gleich viele hätten im Bereich Unternehmensführung angeheuert, zum Beispiel als Sekretäre.
Der Studie zufolge sind es vor allem aber nicht nur Minijobber, die die Gastronomie verließen. Unter den Abgängen waren von Juni 2020 bis Juni 2021 auch knapp 60.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, heißt es in der Studie weiter – ein Rückgang um 10,3 Prozent.
Gastronomie braucht sechsmal mehr Personal
„In keinem anderen Berufsbereich fällt der Rückgang so stark aus, weder absolut noch prozentual“, analysieren die Autoren der Studie, Anika Jansen und Paula Risius, über die Gastronomie. Dort macht es sich auch am stärksten bemerkbar. Selbst Vorzeigebetriebe müssten inzwischen schließen oder zusätzliche Ruhetage einlegen, sagt Thomas Geppert, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Bayern. Hotels könnten aus Personalmangel ihre Zimmer nicht mehr voll auslasten.
Die Gastronomie brauche sechsmal mehr Personal als etwa der Einzelhandel, um denselben Umsatz zu erzielen, rechnet Thomas Geppert vor. Dass eine solche personalintensive Branche in der Pandemie besonders leide, sei nicht verwunderlich. Zumal die vielen Minijobber während der Lockdowns nicht von der Kurzarbeit aufgefangen worden und somit gezwungen gewesen seien, sich etwas Neues zu suchen. Bei den Festangestellten sei der Abgang mit 8,5 Prozent in Bayern weniger dramatisch.
Branche muss noch viel tun
Thomas Geppert ist sich darüber bewusst, dass die Branche selbst noch viel tun muss, um ihr Personal zu binden. „Wir brauchen flexiblere Arbeitszeitmodelle“, sagt er. Aber auch Politik und Verwaltung könnten helfen. Etwa mit leichteren Visa-Zugängen für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, etwa aus dem Westbalkan. „Ich glaube, man wird die Lücke innerdeutsch nicht decken können.“ Ein neuer Tarifabschluss sehe „dramatische Lohnsteigerungen“ vor. Wohl auch, weil der Trinkgeld-Anteil am Verdienst unter anderem wegen zunehmender Kartenzahlung schwindet.
(dpa/SAKL)