Gastwelt aus neuer Perspektive betrachtet
Die Tourismus-, Hospitality- und Foodservice-Industrie gehört gemessen an ihrer Brutto-Wertschöpfung (355,3 Milliarden) und ihren Beschäftigungszahlen (4,1 Millionen) zu den Top-3-Wirtschaftsbranchen in Deutschland. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse einer neuen Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO mit dem Titel „Wirtschaftsfaktor 360° Gastwelt“ im Auftrag der Tourismus-Denkfabrik Union der Wirtschaft (UdW).
Die Kernklientel, und damit Zielgruppe der Wortschöpfungsbetrachtung, umfasst Touristen, Geschäftsreisende, aber auch die lokale Bevölkerung. Die Untersuchung wurde am 25. Oktober 2022 von der federführenden Wissenschaftlerin Prof. Dr. Vanessa Borkmann sowie den UdW-Vorständen Alexander Aisenbrey und Dr. Marcel Klinge vorgestellt.
Gastlichkeit als zentraler Eckpfeiler des täglichen Lebens
„Wenn wir bislang über Gastlichkeit gesprochen haben, standen Reisende im Fokus. Gastlichkeit findet aber tagtäglich im Leben von uns allen statt – ob auf dem Weg zur Arbeit beim Bäcker oder im Coffeeshop, bei Events und Messen, in der Kantine zum Mittagessen, in neuen Coworking-Spaces oder Freizeitsparks, bei der Schul- und Krankenhausverpflegung, im Reisebüro oder eben in Hotels oder der klassischen Gastro“, betont Klinge.
12 bis 15 Prozent der gesamten Lebenszeit verbringe jede Person durchschnittlich in der Gastwelt und damit jede achte Minute, so die Studie. „Gastlichkeit ist also keine Sache, die man zwei bis drei Mal im Jahr im Urlaub erfährt, sondern ein zentraler Eckpfeiler unseres täglichen Lebens und gesellschaftlichen Miteinanders. Ohne Gastlichkeit würde unserem Land ein wichtiger sozialer Stabilitätsanker fehlen“, sagt der frühere Bundestagsabgeordnete.
Gäste und Mitarbeiter rücken in den Fokus
Das Fraunhofer-Team konstatiert in seiner Untersuchung, dass Gastlichkeit gerade nach den jüngsten Lockdown-Erfahrungen eine Art „Renaissance“ erlebe. Borkmann erklärt: „Vielen ist in den Monaten zuhause bewusst geworden, was uns als Gesellschaft fehlt, wenn wir keine Orte und Möglichkeiten zur sozialen Interaktion haben, ob im beruflichen oder privaten Umfeld.“
Wenn auch die Werte der Gastlichkeit überwiegend kommerziell sind, werden eben auch die nicht kommerziellen, die sozialen Werte, immer wichtiger. Dazu zähle, so Borkmann, dass man auch die Bedürfnisse der Gastgeber und lokalen Bevölkerung stärker berücksichtige.
„Wir stellen mit dem Modell der 360° Gastwelt den Gast sowie die Mitarbeiter in den Mittelpunkt. Gastlichkeit wird zum gemeinsamen Purpose, zum verbindenden Element der Teilsysteme Tourismus, Hospitality, Catering, Gastronomie sowie Food und Non-Food“, unterstreicht sie.