Christian Niemeyer über die Zukunft der Betriebsgastronomie und nachhaltige Essensangebote
Im Mai veröffentlichte Sodexo eine Studie, bei der der Frage nachgegangen wurde, welche Bedeutung nachhaltiges Essen für die Deutschen hat – und was bei ihnen am liebsten auf die Teller kommt. Die Umfrageergebnisse geben spannende Einblicke in die Vorlieben und Gewohnheiten rund um Fleisch- und pflanzliche Produkte sowie regionale und ökologische Lebensmittel. Die Studie zeigt, dass traditionelle Essgewohnheiten nach wie vor weit verbreitet sind, gleichzeitig aber das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Tierwohl wächst.
Was das für die Betriebsgastronomie bedeutet, beantwortet Christian Niemeyer, Head of Food bei Sodexo Deutschland, im Interview mit HOGAPAGE.
Herr Niemeyer, die Sodexo-Studie zeigt: Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Tierwohl wächst. Was bedeutet das für die Betriebsgastronomie?
Was wir essen, ist weltweit für ein Drittel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich und damit ein Hebel im Kampf gegen den Klimawandel. Ein großer Faktor dabei ist die Tierhaltung. Nach Berechnungen des WWF benötigt man im Schnitt rund 650 Gramm Soja, um – zusammen mit anderen Futtermitteln – ein Kilogramm Schweinefleisch zu erzeugen. Dieses Beispiel macht deutlich, dass mehr pflanzliche Produkte auf dem Teller den CO2-Ausstoß verringern.
Wir haben erst im April dieses Jahres gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut YouGov auf das Essverhalten und den Einfluss des Klimawandels geblickt und über 1.000 Personen online befragt. Mehr als ein Drittel aller Befragten isst nach eigenen Angaben bereits weniger Fleisch- und Milchprodukte, um den Klimawandel zu bremsen. Auf der anderen Seite gehört für die Mehrheit Fleisch nach wie vor sehr regelmäßig auf den Teller. Diese Werte decken sich mit Beobachtungen aus unserem Betriebsalltag.
Wenn es um das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele von Unternehmen geht, ist das Betriebsrestaurant ein relevanter Faktor. Das ist uns bewusst und vor diesem Hintergrund hat Sodexo Deutschland im Januar 2024 ein umfassendes, pflanzenbasiertes Essenskonzept an den Start gebracht. Potenziell sind damit vollständig pflanzenbasierte Betriebsrestaurants möglich. Das bedeutet auch, dass wir im Durchschnitt durch die Überarbeitung der Basisrezepturen mehr als die Hälfte des CO2-Ausstoßes im Vergleich zum klassischen Rezept einsparen.
Wie sollte die Betriebsgastronomie denn jetzt reagieren?
Unsere Beobachtung zeigt, dass sich besonders lange Schlangen bei den Klassikern bilden: Pasta Bolognese, Schnitzel und Curry Wurst. Auf der anderen Seite wissen wir: Das Interesse an pflanzenbasierten Menüs wächst – und immer mehr Gäste kommen explizit für die fleischlosen Angebote in unsere Restaurants.
Im Food-Bereich beruht der Ansatz von Sodexo auf Freiwilligkeit und erweitert vor allem die Entscheidungsfreiheit. Gemeinsam mit dem Betriebsleiter legen Kunden fest, ob es bei einem rein pflanzenbasierten Gericht bleibt oder ob die Basis durch tierische Produkte erweitert wird. Oftmals entscheiden die Gäste selbst am Counter, welches Protein auf den Teller kommt.
Wir freuen uns, dass die Ergebnisse unserer Umfrage unser Vorgehen bestärken: Eine Mischung aus Fleisch-Gerichten, vegetarischen Gerichten und Fleischersatzprodukten ist das bevorzugte Betriebsrestaurant-Modell von rund 70 Prozent der Befragten. Gäste wünschen sich vor allem Abwechslung und genau das bietet das Sodexo-Baukastensystem.
Welche Rolle kann die Betriebsgastronomie als Multiplikator für nachhaltige Ernährung überhaupt einnehmen?
Was wir essen, ist ein Hebel im Kampf gegen den Klimawandel. Die Mehrheit der Menschen weiß dies und ist bereit, auch beim Essen danach zu handeln. Am Arbeitsplatz ist das Potenzial für mehr Fleisch-Alternativen groß: Wenn sich der eigene Arbeitgeber zum Wohle von Nachhaltigkeit und Klimaschutz entscheiden sollte, künftig weniger Fleisch im Betriebsrestaurant anzubieten, würden das laut unserer Umfrage 63 Prozent der Befragten (eher) unterstützen. 69 Prozent geben an, sie wären neugierig auf das Angebot und 65 Prozent fänden eine solche Anpassung „zeitgemäß“.
Wir sehen eine große Verantwortung in unseren kulinarischen Angeboten für Kunden und Gäste, denn wir haben einen relevanten Einfluss auf die Ernährung von vielen Menschen. Dem möchten wir mit der richtigen Haltung begegnen und sind davon überzeugt, mit unserem Food-Ansatz einen zukunftsorientierten, realistischen Weg eingeschlagen zu haben.
Aber gibt es auch Herausforderungen, die sich aus der Umstellung auf eine pflanzenbasiertere Ernährung in Betriebsrestaurants ergeben?
Die Herausforderung liegt zum einen darin, die Bedürfnisse unserer Gäste zu befriedigen und gleichzeitig möglichst umweltbewusste Angebote bereitzustellen. Fakt ist, dass Klassiker wie Curry Wurst ein Dauerrenner bleiben werden. Diesen Vorlieben möchten wir gerecht werden, aber auch mit pflanzenbasierten Gerichten überzeugen. Hier die richtige Balance zu finden und im Einklang mit unseren eignen Nachhaltigkeitsbestrebungen zu sein, kann durchaus herausfordernd sein.
Denn bei Sodexo ist Nachhaltigkeit fest in der DNA verankert und in unserem „Better Tomorrow 2025“-Plan gebündelt. Bis 2025 soll der Anteil der pflanzlichen Gerichte am Gesamtspeiseplan 33 Prozent betragen. Zusätzlich dazu planen wir Maßnahmen zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung und Einsparung von Energie in allen Bereichen unseres Unternehmens, um den CO2-Ausstoß bis 2040 auf „NetZero“ zu senken.
Und welche Chancen bietet die Umstellung auf eine pflanzenbasiertere Ernährung in Betriebsrestaurants?
Wir sehen große Chancen für unser aller Umwelt: Mehr pflanzliche Produkte auf dem Teller verringern den CO2-Austoß und das Interesse an pflanzenbasierten Menüs wächst. Immer mehr Gäste kommen explizit für die fleischlosen Angebote in unsere Restaurants – das ist für uns ein großer Erfolg und Ansporn.
Auch die Ergebnisse unserer Umfrage machen deutlich, dass die Befragten sehr darauf achten, was auf den Teller kommt: Essen soll gesund sein, von glücklichen Tieren stammen und optimalerweise aus der Region kommen. 55 Prozent aller Befragten wünschen sich in der Kantine Fleisch der Haltungsformen 3 und 4. Ein hoher Anspruch und definitiv keine kleine Hürde – insbesondere wenn man dabei gleichzeitig die Preissensitivität der Menschen in Deutschland betrachtet. Das ist zwar angesichts der Inflation der vergangenen Jahre verständlich, mehr als 7 Euro darf ein Mittagessen im Betriebsrestaurant jedoch nur für jeden Fünften kosten. Im Sinne all dieser Kriterien gilt es, unser Angebot passend auszurichten. Insgesamt machen unsere gewonnenen Daten deutlich, dass wir uns als Gesellschaft auf dem richtigen Weg befinden. Das beflügelt auch uns in unserem Vorhaben, nachhaltig zu denken und zu handeln.
Blick in die Zukunft: Wie sieht das ideale Betriebsrestaurant von morgen aus?
Besonders digitale Lösungen entlang der gesamten Customer Journey sind ein großes Thema. Digitales bestellen und bezahlen umgeht Wartezeiten. Seit Mai dieses Jahres bietet Sodexo am Universitätsklinikum Tübingen mit der weltweit ersten Roboterküche des Hamburger Start-ups goodBytz für Mitarbeiter, Patienten sowie Gäste auch außerhalb der Öffnungszeiten der Betriebsrestaurants und der Cafeterien ein warmes Essen auf dem Campus. Täglich stehen fünf Gerichte zur Auswahl – viele davon sind pflanzenbasiert. Die Roboterküche ist eine Antwort auf die Realität der Arbeitswelt von heute und hilft gleichzeitig, in Zeiten des Fachkräftemangels Lücken zu schließen.
Es geht aber auch um Räumlichkeiten mit Wohlfühlcharakter, die modern und einladend sind, um gemeinsam Pausen zu machen und gesund zu essen. Als Experte und Vorreiter in der Food-Service-Branche möchten wir diesen Anforderungen mit zukunftsfähigen Antworten begegnen. Zusammenfassend kann man sagen: Für Sodexo ist die gemeinsame Weiterentwicklung einer modernen Betriebsgastronomie, die die Arbeitswelt unserer Kunden noch attraktiver macht, wichtig – und zwar mit abwechslungsreichem Food Service als Herzstück, das Menschen zusammenbringt.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Niemeyer!
(SAKL)