Umsatzausfälle werden nicht „überkompensiert“
Das Gastronomie-Netzwerk Leaders Club Deutschland reagiert mit Verwunderung auf die Aussagen des Steuerökonomen Tobias Hentze. Der Experte vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärte kürzlich, dass die durch den Lockdown im November und Dezember verursachten Verluste des Gastgewerbes durch die angekündigten Hilfen „überkompensiert“ würden. „Wer pauschal erklärt, wir hätten in Zeiten der Schließung keine variablen Kosten und führen dank der umsatzbezogenen Entschädigungen auf Steuerzahlerkosten satte Gewinne ein, verkennt die Realität in unserer Branche“, hält der Gastronom und langjährige Leaders Club-Präsident Roland Koch dagegen. Die angeführten Rechenbeispiele seien ausgesuchte Einzelfälle, aber nicht auf die gesamte Gastronomie übertragbar. „Es geht jetzt nicht nur darum, mit den Hilfsgeldern unseren 2,4 Millionen Mitarbeitern ein einigermaßen schönes und hoffnungsvolles Weihnachtsfest zu ermöglichen. Für viele Unternehmen sind die Novemberhilfen die erste Unterstützung, die sie seit Beginn der Pandemie erhalten. Ihnen steht das Wasser bis zum Hals!“
Der Leaders Club ist der Bundesregierung dankbar, dass die Novemberhilfen in Höhe von 75 Prozent der Vorjahresumsätze abzüglich sonstiger Unterstützungsleistungen seit der vergangenen Woche ausbezahlt werden. „Für größere Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern sind die Abschläge von bis zu 10.000 Euro in der Woche allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, macht Leaders Club-Vorstand und Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan deutlich. „Wir haben keine Reserven mehr, unsere Liquidität wurde in den vergangenen Monaten völlig aufgezehrt.“
So wie ihr geht es der Mehrheit der Branche: „Ja, es mag sein, dass die Novemberhilfe für einige wenige Unternehmen unter dem Strich einen kleinen Bonus ergibt. Im Regelfall bleibt jedoch nach Abzug des Kurzarbeitergelds und der Überbrückungshilfen nicht viel übrig“, sagt Roland Koch. Er führt seit mehr als 30 Jahren zahlreiche Restaurantkonzepte und kennt die besondere Vielfalt der Gastronomie genau: „Jeder Betriebstyp hat unterschiedliche Kostenstrukturen. Eine individuelle Berechnung von Hilfsgeldern auf Basis der Fixkosten erfordert deshalb einen enormen Aufwand und würde die Auszahlung deutlich verzögern. Deshalb befürworten wir die Bezugsgröße des Vorjahresumsatzes in dieser für uns alle sehr schwierigen Zeit des Lockdowns.“
Gastronomen stocken das Kurzarbeitergeld auf
Koch weist zudem darauf hin, dass ein großer Teil der Gastronomen das Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter aufstockt, damit diese über die Runden kommen. „Niemand kann auf die Dauer von 60 Prozent seines Gehaltes leben, Miete zahlen, eine Familie ernähren. Wir stehen gegenüber unseren Mitarbeitern in der Verantwortung – gerade jetzt zu Weihnachten!“
Auch die Annahme, dass während der Schließung geringe oder keine Kosten entstehen, sei falsch. „Wir sind keine Garage, die man einfach auf- und zuschließen kann. Es fallen erhebliche Kosten für ablaufende Waren an, Mieten, Abschläge für Strom, Müllabfuhr und Versicherungen müssen bezahlt werden.“
Davon abgesehen ist das letzte Quartal normalerweise für viele Gastronomen das umsatzstärkste und hilft den Unternehmen dabei, finanzielle Polster für die schwachen Monate Januar bis März aufzubauen, in denen 2021 noch dazu das Karnevalsgeschäft ausfällt.
Es sei außerdem längst nicht klar, ob die Dezemberhilfen tatsächlich nach den gleichen Voraussetzungen wie im November bezahlt werden, unterstreicht Kerstin Rapp-Schwan. „Die Ausführungsbestimmungen dafür liegen noch gar nicht vor. Eine pauschale Rechnung wie die des IW, die noch dazu auf Schätzungen und Vermutungen beruht, ist aus unserer Sicht nicht seriös.“
(Leaders Club/NZ)