„Es gibt zwei Themen, die oberste Priorität haben“
Frau Belegante, was bedeutet das Wahlergebnis für die Branche? Welche Erwartungen haben Sie?
Das Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag ist wie im Vorfeld erwartet, sehr eng ausgefallen. Wir erwarten, dass diese Regierungsbildung schnell zu Stande kommt. Unsere mittelständisch geprägten Mitgliedsunternehmen brauchen schnell Klarheit und Perspektive, wohin das Land in den nächsten Monaten und Jahren steuert. Unsere Mitglieder leiden nach wie vor unter den Folgen der Corona-Pandemie. Dazu gehören insbesondere erhebliche Umsatzverluste sowie eine unklare Pandemieentwicklung im beginnenden Herbst. Darüber hinaus spielen aber auch die zunehmende Bürokratie, die Steuerbelastung des Mittelstandes, Arbeitskräftemangel und die Zukunft der Sozialpartnerschaft eine Rolle. Wir brauchen also Klarheit, dass Umsatzverluste aufgeholt und damit tausende Arbeitsplätze gesichert werden können. Wir brauchen aber ebenso Klarheit, dass die Sozialpartner weiterhin eigenverantwortlich ihrer ureigensten Aufgabe nachkommen können: nämlich die Tariflohnfindung. Deshalb darf der Inhalt, der Charakter und die Aufgabe der Mindestlohnkommission nicht angetastet werden. Wir sind seit Jahren verlässlicher Tarifpartner, alle unserer Mitgliedsunternehmen verpflichten sich zur Tarifbindung und bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ist die notwendige Expertise vorhanden, die Löhne für die jeweilige Branche auszuhandeln.
In welcher Koalition sehen Sie die größte Chance, dass die Forderungen und Wünsche der Branche durch- oder umgesetzt werden?
Wir setzen darauf und werden uns natürlich auch dafür einsetzen, dass sich jede zukünftige Koalition intensiv mit wirtschafts-, arbeitsmarkt-, und tarifpolitischen Fragestellungen sowie explizit auch mit unserer Branche auseinandersetzt. Es gibt bei allen aktuell diskutierten Koalitionsoptionen und bei jeder Partei gute Vorschläge – für das Land, aber auch für meine Branche. Es gibt aber ebenso Vorschläge, die wir sehr kritisch sehen. Ich bin allerdings der Meinung, dass wir nur durch Dialog und durch gegenseitiges Verständnis etwas erreichen können. Deshalb biete ich mich sehr gerne als Gesprächspartnerin an und freue mich, mit der neuen Bundesregierung die Lage und drängenden Themen der Systemgastronomie zu diskutieren.
Was sind die wichtigsten inhaltlichen Aussagen, die die neue Regierung treffen sollte?
Es gibt zwei Themen, die für meine Branche absolut oberste Priorität haben. Das ist einmal das klare Bekenntnis zur grundgesetzlich verankerten Rolle der Sozialpartner in der sozialen Marktwirtschaft. Dazu zählt für mich insbesondere, dass sich der Staat aus der Lohnfindung heraushält. Die Mindestlohnkommission und die nachlaufende Orientierung an der Tarifentwicklung bei der Festlegung der Höhe des gesetzlichen Mindestlohns haben sich bewährt. Deshalb gibt es keinen Grund, daran etwas zu ändern. Meine Mitgliedsunternehmen bekennen und verpflichten sich aus Überzeugung zur Tarifbindung und übertragen dem BdS als ihr Arbeitgeberverband und Tarifpartner der Gewerkschaft NGG die Verantwortung die Branchentarifverträge auszuhandeln. Es wäre daher ein heftiger Schlag, wenn diese Verantwortungsbereitschaft nun durch eine gesetzliche Mindestlohnerhöhung, außerhalb der in der Mindestlohnkommission festgelegten Regeln, konterkariert werden würde. Das zweite Thema ist, dass unsere Mitgliedsunternehmen nach wie vor Umsatzverluste von 30 Prozent und mehr verkraften müssen. Deshalb setzen wir uns für die dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer über 2022 hinaus ein, inklusive der Getränke. Das wäre ein konjunkturelles Anreizinstrument für die Verbraucherinnen und Verbraucher und gleichzeitig würde es unsere mittelständischen Unternehmen in die Lage versetzen, wieder auf einen Erholungs- und Wachstumspfad zurückzukehren.
Herzlichen Dank für das Gespräch!