„Durch dieses unprofessionelle Verhalten werden Existenzen aufs Spiel gesetzt“
Die nochmalige Verlängerung des Lockdowns durch Bund und Länder war zu erwarten. Trotzdem ist der endgültige Beschluss – die Lockdown-Verlängerung vorläufig bis 14. Februar 2021 – ein erneuter Schlag für die Gastronomie und Hotellerie, die ihre Betriebe seit Monaten nur sehr eingeschränkt führen oder teils komplett geschlossen lassen müssen. Zumindest haben die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder angekündigt, dass man eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe damit beauftragen werde, eine sichere und gerechte Öffnungsstrategie zu erarbeiten. Nach der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz melden sich nun diverse Stimmen der Branche zu Wort und üben teils scharfe Kritik am Vorgehen der Politiker.
Branchenstimmen zum verlängerten Lockdown
Spürbare Verzweiflung herrscht inzwischen vor allem bei vielen Gastwirten. Thomas Geppert, Geschäftsführer Dehoga Bayern sagte: „Wir versuchen nach wie vor mit aller Kraft die Pandemie zu überstehen und mit Zuversicht in das zweite Corona-Jahr zu schauen. Angesichts der erneuten Verlängerung des Lockdowns bis Mitte Februar nimmt allerdings in weiten Teilen des Gastgewerbes die Verzweiflung überhand.“ Der Lockdown könne nicht ewig ohne eine echte Perspektive verlängert werden.
Der Verband fordert daher erneut Planungssicherheit für Unternehmen, Gäste und Mitarbeiter sowie stabile und verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen. So müssten Softwareprobleme bei der kürzlich gestarteten Auszahlung der Novemberhilfe endlich behoben werden. „Durch dieses unprofessionelle und verzögerte Verhalten der Bundesregierung werden Existenzen aufs Spiel gesetzt. Das ist unverantwortlich“, erklärte Geppert. „Wehe einer von uns zahlt nur einen Tag zu spät seine Steuern, aber der Bundesfinanzminister schafft es nicht, dass Ende Januar die Novemberhilfen fehlerfrei ausbezahlt werden.“
Geppert forderte zudem, bei weiter sinkenden Infektionszahlen das Gastgewerbe schrittweise zu öffnen. „Das steht nicht im Widerspruch zur Pandemiebekämpfung. Wir sind Teil der Lösung und nicht des Problems“, betont der Verbandschef.
„Hilfe – und zwar jetzt!“
Auch die deutsche Initiative Gastgeberkreis, die erst kürzlich mit den Worten „Uns geht jetzt endgültig die Luft aus!“ einen verzweifelten Hilferuf an die Politiker in Berlin und den Bundesländern adressiert hatte, erneuerten diesen jetzt. Schon jetzt würden deutschlandweit jeden Tag wegen des Lockdowns und weggebrochener Umsätze ungezählte Gastronomiebetriebe für immer schließen. Diese Unternehmen würden nach der Krise nicht zurückkehren, sondern seien mitsamt der Arbeitsplätze für immer verloren.
Dem Gastgeberkreis gehören aktuell rund 40 Gastronomen und Gastrounternehmer an – darunter große Unternehmensgruppen wie die Block Gruppe, Hans im Glück, Nordsee, LeCrobag und L‘Osteria – die sich wie die gesamte Branche in der Krise befinden. Mirko Silz, CEO von L’Osteria und Mitinitiator des Gastgeberkreises: „Lockdown-Verlängerung folgt auf Lockdown-Verlängerung. Darauf folgen bislang aber keine umfassenden und unbürokratischen Hilfen. Auch die großen Gastronomiebetriebe brauchen jetzt Entschädigungen in Höhe der tatsächlich angefallenen Verluste, und zwar ohne Deckelung durch die Unternehmensgröße. Die Grenzen müssen dafür angehoben werden.“ Prof. Dr. Torsten Olderog von der AKAD University Stuttgart ergänzt: „Ohne solche Hilfen setzt in der Branche in Kürze ein Massensterben ein. Eine ganze Branche mit gut zwei Millionen Beschäftigen braucht Hilfe. Und zwar jetzt!“
Sicheres Reisen ist möglich
Die Tourismusverbände in Deutschland fordern gemeinsam ein abgestimmtes Konzept für den Neustart. Hierzu erklären der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes (DTV), Norbert Kunz, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Dirk Inger, der Präsident des Internationalen Bustouristik-Verbandes (RDA), Benedikt Esser und der Vorstand des Verbandes Internet Reisevertrieb (VIR), Michael Buller:
„Es ist gut, dass Bund und Länder nun endlich eine Öffnungsstrategie angehen. Die Tourismusbranche fordert seit langem ein stimmiges Konzept und bietet ihre Mitarbeit an. Gerade der Tourismus braucht Perspektiven für den Neustart. Trotz aller Appelle und Gesprächsangebote der Branche hat der Bund bisher nichts an Konzepten für den Restart des Tourismus vorzuweisen. Wir mahnen seit dem ersten Lockdown eine Tourismus-Taskforce aus Politik und Branchenexperten und einen Tourismusgipfel an.“
Man sei überzeugt, dass sicheres Reisen nach der zweiten Corona-Welle wieder möglich sei – mit einem abgestimmten Konzept, das stimmige Quarantäne- sowie Teststrategien beinhalte, klare Hygiene- und Schutzregeln und eine differenzierte Betrachtung der einzelnen touristischen Segmente.
Gastronomie-Betriebe sollen öffnen dürfen
Auch Manfred Schnabel, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar, sprach sich für einen konkreten Fahrplan zur Wiedereröffnung der Gastronomie, Freizeit- und Kulturwirtschaft sowie des Einzelhandels aus: „Geschlossene Betriebe brauchen eine Öffnungsperspektive, sofern sie entsprechende Hygienekonzepte umsetzten.“ Er appellierte an die Politik, schnellstmöglich ein solches Konzept zu entwickeln.
(Gastgeberkreis/DTV/dpa/lsw/lby/KP)