Bundes-Notbremse

Verfassungsbeschwerden gegen Infektionsschutzgesetz

Hubert Aiwanger
Hubert Aiwanger, Bundesvorsitzender Freie Wähler: „Die geplanten automatischen Ausgangssperren sind in ihrer jetzigen Pauschalität zu radikal.“ (Foto: © Freie Wähler)
Ausgangssperre, Verstöße gegen die Prinzipien des Gleichheitsgrundsatzes und der Verhältnismäßigkeit – an der Bundesnotbremse gibt es einiges an Kritik. Die Initiative „Händler helfen Händlern“, Gastronomen aber auch die Freien Wähler streben daher Verfassungsbeschwerden an.
Montag, 26.04.2021, 10:35 Uhr, Autor: Natalie Ziebolz

Bereits während der Bundespressekonferenz stellten die Freien Wähler eine Verfassungsbeschwerde gegen die im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes beschlossenen automatischen Ausgangssperre in Aussicht. Nach der Unterschrift des Bundespräsidenten für die „Bundesnotbremse“ wurde diese als Eilantrag in Karlsruhe eingereicht. Darüber hinaus wird die Einreichung einer zweiten Verfassungsbeschwerde gegen die existenzbedrohenden Eingriffe in Handel und Gastronomie geprüft.

„Es geht uns nicht darum Corona zu leugnen oder alle Maßnahmen in Frage zu stellen. Wir halten es für durchaus denkbar, dass das Instrument der Ausgangssperre in einzelnen Landkreisen sinnvoll sein kann. Grundsätzlich halten wir jedoch differenzierte und niederschwellige Maßnahmen durch die Landratsämter vor Ort für zielführender“, erklärt Huber Aiwanger, Bundesvorsitzender Freie Wähler. „Die geplanten automatischen Ausgangssperren sind in ihrer jetzigen Pauschalität zu radikal. Es ist daher völlig unnötig jetzt diese Keule aus Berlin zu schwingen für Dinge, die wir sinnvoller in den Kommunen vor Ort gestalten können.“

Dr. Joachim Streit, Chef Freie Wähler Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz und einer der Beschwerdeführer, ergänzt: „Bei unsere Beschwerde geht es um die Freiheitsrechte jedes Einzelnen. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss immer das mildeste geeignete Mittel zur Bekämpfung der Pandemie eingesetzt werden. Automatisierte Ausgangssperren sind daher ein untaugliches Instrument. Die Pläne aus Berlin haben nichts mit der Realität vor Ort zu tun, tragen nicht zur Reduktion der Inzidenz bei und verstören die Menschen. Unser Grundgesetz steht nicht unter Pandemievorbehalt. Es kann deshalb nicht sein, dass Ausgangssperren, ohne dass es eines weiteren Vollzugsakts bedarf, automatisch in Kraft treten.“

Händler und Gastronomen halten zusammen

Aiwanger ergänzte: „Wir werden uns nicht nur mit dem Thema der Ausgangssperren beschäftigen, sondern auch die Eingriffe in Handel und Gastronomie zum Thema machen. Es kann nicht sein, dass dem Handel das Recht zu öffnen verwehrt wird, obwohl Supermärkte mit ähnlichem Sortiment offen haben. Auch in der Gastronomie besteht großer Handlungsbedarf. Die Außengastronomie wird in den nächsten Woche Teil der Lösung und nicht des Problems sein, wenn wir dadurch Menschen gezielt und in geordneter Form soziale Kontakte ermöglichen. Außerdem vermissen wir völlig intelligentere Lösungen wie Öffnen durch Testen und die Nutzung von Lüftungssystemen in Innenräumen. Wir prüfen daher eine zweite Verfassungsbeschwerde.“

Auch der Gastgebekreis kritisiert die Beschlüsse und unterstützt die von der Initiative „Händler helfen Händlern“ bei ihrer vorbereiteten Verfassungsbeschwerde in Form einer Sammelklage gegen die Novelle des Infektionsschutzgesetzes, um sich gegen die Ungleichbehandlung zweier bedeutender Branchen zur Wehr zu setzen.  „Die derzeitige Lage der Corona-Pandemie ist sehr ernst und die aktuell steigenden Fallzahlen und Todesfälle erzwingen ein schnelles und vor allem umfassendes Handeln. Das überarbeitete Infektionsschutzgesetz ist allerdings ein unmittelbarer und sehr einschneidender Grundrechtseingriff. Zudem ist die Prüfung durch das Verfassungsgericht noch nicht erfolgt und ich hege große Zweifel an der juristischen Haltbarkeit der Gesetzesänderung“, erklärt Stephan von Bülow, Vorsitzender der Geschäftsführung Block House und Mitinitiator Gastgeberkreis.

Mirko Silz, CEO der FR L’Osteria SE und Mitinitiator des Gastgeberkreises, ergänzt: „Wir erwarten vernünftige und gut durchdachte Lösungsansätze und keine kurzfristigen Panikreaktionen sowie darüber hinaus konkrete Vorschläge für eine bessere Umsetzung der Maßnahmen, damit die jeweiligen Städte und Landkreise besser dafür Sorge tragen, dass die verordneten Maßnahmen auch wirklich durchgeführt und eingehalten werden. Ohne die Gastronomie und den Handel wird es keine Zukunft der Innenstädte geben. Damit wird den Menschen ein wichtiger Teil zur Erfüllung und Bewältigung ihres Alltags genommen.“

(Welt/Freie Wähler/NZ)

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