Gastgewerbe hat Entschädigungsanspruch
Privaten Unternehmen steht eine Entschädigung durch die Behörden zu, sofern sie im Rahmen der Corona-Pandemie geschlossen werden mussten. Das bestätigte nun der Rechtsanwalt Michael Falter, Managing Partner Deutschland der internationalen Wirtschaftskanzlei DWF. „Die Entschädigungsregeln des Infektionsschutzgesetzes sehen dies eindeutig vor.“ Als Beispiel nennt der Jurist unter anderem Hotels und Restaurants, die durch die angeordneten Schließungen immense Verluste zu verzeichnen haben. Dass die Maßnahmen der Behörden durchaus rechtmäßig sind, stehe dabei gar nicht zur Debatte: „Ob sie jedoch einen Entschädigungsanspruch nach sich ziehen, hängt davon ab, ob sie der Verhütung übertragbarer Krankheiten dienen oder deren Bekämpfung.“
Definition Infektionsverhütung
Das bedeutet: Zur Verhütung ermächtigt werden die Behörden durch §16 bzw. 17 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Der sieht vor, dass bei einem Gefahrenverdacht alle notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um Neuansteckungen zu verhindern – zum Beispiel das Verbot von Versammlungen bei drohender Pandemie. Solche Anordnungen fallen demnach unter Infektionsprophylaxe.
Definition Infektionsbekämpfung
Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten stützen sich dagegen auf §28 IfSG. Diese antiepidemischen Maßnahmen sollen Krankheitsfälle erfassen, behandeln und von ihnen ausgehende Infektionsgefahren beseitigen. Michael Falter: „Die Bekämpfung setzt somit stets am individuellen Krankheitsfall an. Im polizeirechtlichen Sinne gelten deshalb Kranke, Krankheitsverdächtige, Ausscheider und Ansteckungsverdächtige als seuchenhygienische Störer.“
Nichtstörer seien hingegen all diejenigen Betriebe, von denen kein unmittelbares Infektionsrisiko ausgeht (s. Hotels und Restaurants). Folglich basieren die sie betreffenden Maßnahmen stets auf §16 IfSG. Hier geht es immer um Prävention sprich Vorsorge.
Für Entschädigungsanspruch ist Unterschied essentiell
Wenn es nun um mögliche Entschädigungsansprüche geht, ist diese Unterscheidung von zentraler Bedeutung, wie Michael Falter sagt.
- 56 IfSG regelt die Ansprüche der Störer: Aktuell zählen dazu Personen, die wegen Krankheitsverdachts unter Quarantäne gestellt wurden, ohne tatsächlich krank zu sein. Ihnen steht eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls für die ersten sechs Wochen zu, danach in Höhe des Krankengeldes. Entsprechend steht auch Selbstständigen ein Ersatz des Verdienstausfalls zu. Sämtliche Ansprüche müssen innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden.
- 16 bzw. 17 IfSG beschreiben Maßnahmen zur Prävention und betreffen die seuchenhygienischen Nichtstörer. „Nur sie sollen nach dem Willen des Gesetzgebers eine Entschädigung erhalten“, erklärt der Jurist. Das heißt: Maßnahmen der Infektionsprophylaxe sind entschädigungspflichtig – und zwar nach § 65 IfSG. Maßnahmen der Infektionsbekämpfung hingegen nicht. Denn im ersten Fall seien Nichtstörer betroffen, im zweiten jedoch Störer. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bemisst sich dabei nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadensersatzrechts: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Anordnung stehen würde. Eine Dreimonatsfrist besteht in diesem Fall nicht. Zu richten sind die Ansprüche gegen das Land, in dem die Anordnung erlassen wurde.
Fazit
Falters Fazit: „Viele der Maßnahmen, die von den Behörden zur Verhütung einer Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 Virus-Infektionen angeordnet wurden, sind Maßnahmen der Infektionsprophylaxe, die nur auf § 16 IfSG gestützt werden können. Sie sind damit, auch wenn sie sich als rechtmäßig erweisen sollten, nach § 65 IfSG entschädigungspflichtig.“ Die Vorschrift des § 65 IfSG habe bislang ein Schattendasein geführt. Rechtsprechung dazu sei nicht verfügbar. „Sie dürfte aber in den kommenden Monaten erhebliche Bedeutung bei der Folgenbeseitigung der Corona-Krise bekommen.“
(ots/KP)