Dehoga begrüßt Corona-Urteil gegen Versicherungen
Nachdem bundesweit zahlreiche Klagen gegen zahlungsunwillige Versicherungen bei Betriebsschließungen erhoben wurden, hat das Münchner Landgericht erstmals einem klagenden Gastwirt die geforderte Millionensumme zugesprochen. Laut Urteil muss die beklagte Versicherungskammer die Kosten von 30 Tagen coronabedingter Betriebsschließung an den Pächter des Münchner Augustinerkellers zahlen – exakt 1,014 Millionen Euro. Und hunderte ähnliche Klagen gegen Versicherungen sind noch anhängig – auch gegen den Marktführer Allianz. Folge der Münchner Entscheidung könnte nach Einschätzung des siegreichen Wirts eine zweite Klagewelle sein: Viele Wirte hätten nicht das Geld, um sich einen Prozess zu leisten, sagte der Pächter des Münchner Augustinerkellers. „Für die haben wir jetzt Vorarbeit geleistet.“ Viele Gastronomen seien in ihrer Existenz bedroht. „Jetzt ist endlich mal ein Richter da, der sagt: Es ist Unrecht, was ihr da macht.“
Versicherung gibt sich noch nicht geschlagen
Ähnlich sieht es der Dehoga: „Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, vermittelt es dennoch Hoffnung für viele tausende Unternehmer, die sich bislang von ihrer Versicherung mit einer Verweigerungshaltung konfrontiert sehen“, ließ Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dazu verlauten. Rechtskräftig ist die Entscheidung nicht, die unterlegene Versicherungskammer will sich auch nicht geschlagen geben. In dem Urteil geht es um eine Police, in der die Betriebsschließung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ausdrücklich gedeckt ist. Der Chef des Augustinerkellers hatte den Vertrag überhaupt erst am 5. März unterschrieben, weil er sich gegen eine coronabedingte Schließung absichern wollte. Die Versicherungskammer will dennoch nicht zahlen, weil der Schutz nach Auffassung des Unternehmens nur für Krankheiten und Erreger gilt, die in dem Vertrag ausdrücklich genannt sind. Covid-19 zählt nicht dazu.
„Bringschuld liegt beim Versicherer“
Das Gericht sieht das Ganze jedoch anders: Schließungen nach Infektionsschutzgesetz seien in dem Vertrag abgesichert, sagte die Vorsitzende Richterin Susanne Laufenberg. Ob Covid-19 ausdrücklich erwähnt ist oder nicht, spielt laut Urteil keine Rolle. Die Bringschuld für allgemeinverständliche Verträge liegt demnach beim Versicherer: „Wir sind der Meinung, dass man von einem Versicherungsnehmer nicht erwarten kann, dass ihm das Infektionsschutzgesetz geläufig ist“, sagte die Richterin dazu. Der siegreiche Wirt beschuldigte anschließend die Chefetagen der Versicherer, eigene finanzielle Interessen über diejenigen der Kunden zu stellen: „Es ist wirklich eine Schweinerei, finde ich, dass man diese Leute (die Wirte) an die Wand fährt, um sich höhere Boni einzustreichen“, sagte Vogler. Allianz-Chef Oliver Bäte und einige andere Spitzenmanager der Branche hingegen argumentieren, dass sie nur für ausdrücklich versicherte Schäden zahlen können, da das Geschäft ansonsten zu nicht mehr kalkulierbaren finanziellen Risiken führen würde.
Intransparente Versicherungsbedingungen
Auch die Allianz muss in München Niederlagen fürchten, da deren Versicherungsbedingungen ähnlich formuliert sind: Schließungen nach Infektionsschutzgesetz sind versichert, der Covid-19-Erreger ist aber nicht ausdrücklich genannt. Die Kammer hat in mehreren mündlichen Verhandlungen die Versicherungsbedingungen beider Unternehmen als „intransparent“ kritisiert. Doch bedeutet der Erfolg des prominenten Münchner Wirts keineswegs, dass alle verklagten Versicherungen vor Gericht unterliegen müssten, weder in München noch anderswo. Klar ist lediglich, dass sowohl die Versicherungskammer als auch die Allianz im heimischen München mit allen gleichlautenden Betriebsschließungspolicen schlechte Chancen haben. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft GDV betonte dementsprechend: „Es kommt im Einzelfall auf den genauen Wortlaut der Versicherungsbedingungen an.“ Auch wenn es noch Jahre dauern könnte, bis es rechtskräftige Urteile gibt, haben die Prozesse jetzt schon Folgen: Die Versicherer wollen ihre Policen verständlicher formulieren. „Wir müssen von vornherein noch klarer kommunizieren, was versichert ist und was nicht“, sagte eine GDV-Sprecherin. „Ein Expertenkreis arbeitet an dieser Aufgabe und verfolgt das Ziel, die Arbeiten bis Jahresende abzuschließen.“ (dpa/TH)