Wirte als Spielball der Politik
Corona hat Gastronomie und vor allem Tourismus wieder fest im Griff, wechselseitige Reisewarnungen werden wie beiläufig ausgesprochen und ändern sich beinahe im Stundentakt, das längerfristige Planen von Reisen oder größeren Veranstaltungen ist zu einem Glückspiel geworden, gegen das jedes Roulettespiel geradezu eine Wissenschaft ist. Besonders übel ist es allerdings, wenn jetzt Politiker beginnen, alle ihr eigenes Süppchen zu kochen. Siehe Österreichs Bundesländer: In Vorarlberg, Tirol und Salzburg gilt seit wenigen Tagen eine Sperrstunde von 22 Uhr. (Wird im Hangar-7, bei Obauers & Co sicher spannend, wie man ein 6-Gang-Menü mit allem Schnickschnack in zwei bis drei Stunden unterbringen soll…) Im Rest des Landes dürfen Lokale dagegen weiterhin bis 1 Uhr öffnen. Allerdings gilt in Wien und Niederösterreich aktuell eine Registrierungspflicht für alle Gäste. Bedeutet: Jeder Gastronomiekunde muss Namen, Telefonnummer und Mailadresse bekanntgeben, tut er das nicht, droht im Extremfall dem Wirt eine Strafe. Nur zur Ausweiskontrolle ist die Gastronomie (noch) nicht verpflichtet. Wer also statt Peter Schmid als Namen Gerhard Meier angibt, macht sich maximal selbst strafbar.
Die Zettelwirtschaft (pro Gast ein Formular, das wochenlang aufbewahrt werden muss, öffentlich ausgehängte Namenslisten sind aus Datenschutzgrünen unzulässig) wird trotzdem ins Unermessliche gehen. Und auch wenn etwa Gastronomie-Obmann Mario Pulker die Maßnahme versucht positiv zu sehen („Eine Vorverlegung der Sperrstunde wäre für sehr viele unserer Betriebe eine finanzielle Katastrophe. Jedes Mittel, um das zu verhindern, soll uns recht sein.“), wird diese Registrierung wohl den einen oder anderen Gast vom Lokalbesuch abhalten, sei es weil man seine Daten – aus welchem Grund auch immer – nicht angeben möchte, sei es weil einem der Aufwand für einen schnellen Kaffee zu groß erscheint, sei es weil man nicht riskieren möchte, zehn Tage in Quarantäne zu müssen, nur weil drei Tische weiter eventuell ein Corona-Infizierter gesessen ist.
Wahlkampfzeiten
Indes drängt die Bundes-ÖVP speziell auch Wien, seit Wochen der Hotspot der Neuerkrankungen, ebenfalls auf eine Vorverlegung der Sperrstunde, was Wiens SPÖ-Bürgermeister Ludwig erstens aus Prinzip verweigert und zweitens herrscht in Wien ja gerade Wahlkampf, also will man da ohnehin alles vermeiden, was danach aussehen könnte, man hätte Corona nicht im Griff. Wobei sich die Gerüchte verdichten, dass es auch in Wien bald nach der Wahl am 11. Oktober zu weiteren Verschärfungen kommen könnte.
Und so geht bei einer weltweiten Pandemie weiterhin nicht nur jeder einzelne Staat seine eigenen Wege, sondern in Österreich auch jedes Bundesland. Fehlt nur noch, dass in Wien jeder Bezirksvorstehen seine eigenen Regeln aufstellt. Wobei – vielleicht sollte man das nicht zu laut sagen… Übrig bleibt in jedem Fall der Wirt, der binnen kürzester Zeit jede neue Volte der Politik zu exekutieren hat und dabei je nach Standort entweder Glück oder Pech hat. Eine einheitliche, langfristige und stringente Politik sieht jedenfalls anders aus.