Was die Bonpflicht 2020 wirklich kostet
Hohe Kosten, unnötiger bürokratischer Aufwand, Belastung für Umwelt und Gesundheit – die Kritikpunkte am sogenannten Kassengesetz und der damit einhergehenden Bon-Pflicht sind zahlreich. Denn im Kampf gegen den seit Jahren grassierenden Steuerbetrug am Ladentisch sollen mit dem Jahreswechsel Kassen technisch aufgerüstet werden. Bei jeder Transaktion sollen Händler dann auch einen Beleg ausgeben. Der Hintergrund: Der Staat verliert angeblich alljährlich hohe Summen, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen, Schummelsoftware oder fingierten Rechnungen nicht oder falsch erfassen – vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Den von der Steuergewerkschaft bezifferten Schaden von jährlich zehn Milliarden Euro hielt das Bundesfinanzministerium bisher aber für zu hoch.
30.000 Euro Kosten pro Betrieb möglich
Jetzt soll es die Kassensicherungsverordnung richten. Demnach sollen Kassen durch eine technische Sicherheitseinrichtung (TSE) fälschungssicher werden. Ursprünglich sollten Kassen bis zum Jahresbeginn 2020 die neuen Vorschriften erfüllen, das Finanzministerium räumte nun Zeit bis Ende September ein. Die Bon-Pflicht gilt trotzdem schon von Januar an. Cetin Acar vom Handelsforschungsinstitut EHI schätzt, dass die neue Regelung unverhältnismäßige Kosten verursachen wird. Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) geht von erheblichen Summen für Betriebe aus. „Erste grobe Kostenschätzungen liegen einschließlich Installation zwischen 300 und 500 Euro pro Kasse“, sagt HDE-Steuerexperte Ralph Brügelmann. In einzelnen Branchen können die Kosten aber noch weiter in die Höhe schießen – etwa bei Metzgereien. Denn dort sind Kassen und Waagen verbunden, wie Gero Jentzsch vom Deutschen Fleischer-Verband sagt. Der Umbau sei deshalb komplizierter. Pro Laden geht er von Kosten um 4.000 Euro aus. Schlimmer noch: Nur etwa die Hälfte aller Systeme in Metzgereien könne überhaupt technisch nachgebessert werden. In den anderen Geschäften müssten neue Kassen-Waagen-Verbunde angeschafft werden, sagt Jentzsch. Kostenpunkt: 30.000 Euro. „Gerade für einen kleinen Handwerksbetrieb ist das eine Investition, die in die Existenzbedrohung gehen kann.“
„Nur 500 Kassen in Deutschland können umgerüstet werden“
Doch obwohl die Verordnung von Januar an in Kraft tritt, können Unternehmer sich noch nicht mit neuen oder umgebauten Kassen ausrüsten. Jürgen Benad, Experte für Kassensysteme beim Dehoga, spricht deshalb von einer „großen Misere“ für die Branche. Der Ball liege bei den Kassenherstellern. Diese spielen ihn aber zurück zum Finanzministerium.Erst im zweiten Halbjahr sei man praktische Schritte gegangen. Die Herstellung der neuen Kassen ist Ketel zufolge ein „riesen Arbeitsaufwand“. Immerhin könnten von den etwa 1,85 Millionen Kassen, die in Deutschland im Einsatz sind, nur zwischen 400.000 und 500.000 umgerüstet werden. Die anderen müssten komplett neu produziert und ersetzt werden. Ein finanzieller Schub für die Kassenhersteller sei zwar erwartbar, aber soweit sei man noch nicht. „Es gibt noch keine Kasse, wir haben lediglich Feldtests gemacht“, sagt Ketel. Die Produktion der TSE solle bald ins Laufen kommen. Es gebe allerdings nur zwei Hersteller, die diese derzeit für die normale Kasse anfertigten. „Wir müssen natürlich auch sehen, ob die beiden Hersteller in der Lage sind, das in ausreichender Zahl zu produzieren.“
2 Millionen Kilometer zusätzliche Kassenbons
Neben der technischen Umstellung sorgt aber auch die Bon-Pflicht für Unmut. „Wer im Einzelhandel einkauft, der hat selten Interesse an einem Kassenzettel“, sagt Benad von der Dehoga. Bei Bäckereien wollen nur weniger als drei Prozent der Kunden einen Beleg, wie der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schreibt. Der HDE geht davon aus, dass Zahl und Länge der auszugebenden Kassenzettel spürbar zunehmen werden: „Im Einzelhandel in Deutschland rechnen wir mit mehr als zwei Millionen Kilometern zusätzlicher Länge an Kassenbons im Jahr.“ Die Bon-Pflicht bedeute deshalb „gerade für kleine Händler erhebliche Mehrkosten für Papier, Druck und Entsorgung der liegengebliebenen Bons“, betont der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Wenn der Kunde den Kassenzettel nicht wolle, müsse er ihn auch gar nicht mitnehmen, erklärt das Finanzministerium dazu. Nur der Händler müsse ihn aufheben. Die Belegpflicht stärke Transparenz und helfe gegen Steuerbetrug, etwa weil das Kassensystem und die Bons miteinander abgeglichen werden könnten. Sowohl die Bäcker, als auch die Dehoga und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erwarten eine „immense Menge an Papierverbrauch und zusätzlichem Müll“ wegen der Pflicht zum Kassenzettel. Dies sei „klima- und ressourcentechnisch kein gutes Signal“, so ein Sprecher des BUND.
Umwelt- und Gesundheitsgefahren durch Thermopapier
Auf Thermopapier gedruckte Kassenbons sind dem BUND zufolge aber nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Gesundheit bedenklich. Zwar darf von Januar an das hormonell wirksame Bisphenol A nicht mehr zum Beschichten des Papiers verwendet werden, doch bei einigen Alternativstoffen sei die hormonelle Wirkung nicht minder problematisch. Das Umweltbundesamt zeigt sich zurückhaltender. Es gebe nicht genügend Daten, um die Alternativstoffe zu beurteilen, auch wenn einige ebenso schädlich sein könnten. Zu guter Letzt gibt es aber nicht nur Kritik an den Details des Kassengesetzes, sondern auch Zweifel an dessen Wirksamkeit. Acar vom EHI sagt, die Verordnung sei nicht der Sache dienlich, Betrug könne nicht ganz vermieden werden. So könnten Händler nach wie vor einen Vorgang einfach nicht in der Kasse registrieren. Laut HDE-Experte Brügelmann kann die Umstellung der Kassen Steuerbetrug zwar eindämmen, die Beleg-Pflicht trage aber nicht dazu bei. „Denn mit dem ersten Tastendruck beim Kassieren wird eine Transaktion eröffnet, die sich bei einer mit einer TSE ausgerüsteten Kasse nicht mehr ohne Spuren löschen lässt. Ob dann der Kunde einen Beleg bekommt oder nicht, ist unerheblich.“ (dpa/TH)