Viele Gastronomen wollen uneingeschränkt öffnen
In der Gastronomie Nordrhein-Westfalens kehrt nach gut zwei Jahre Pandemieeinschränkungen an diesem Sonntag so viel Normalität wie lange nicht mehr ein. Die bisher geltenden staatlichen Zugangsbeschränkungen 3G (geimpft, genesen oder getestet) und 2G-Plus (geimpft, genesen, plus getestet oder geboostert) fallen weg, wie das NRW-Gesundheitsministerium bereits mitgeteilt hat. Auch die Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen wird nicht beibehalten.
Die Gastronomen können im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheit und ihres Hausrechtes Beschränkungen aufrechterhalten. Viele Gastronomen denken derzeit noch über diese Möglichkeiten und den Spielraum nach, den sie aufgrund des Arbeitsschutzes für die Beschäftigten haben.
„Wir stellen es den Mitarbeitern frei, wenn es rechtlich möglich ist“, sagte Gastronom Christian Bickelbacher zur Frage nach der Maskenpflicht für Beschäftigte. Dies sei auch der Tenor bei anderen Betrieben, erklärte Bickelbacher, der Vorstandsmitglied der Bochumer Immobilien- und Standortgemeinschaft „Bermuda3Eck“ ist. Es werden wohl einige Mitarbeiter weiter eine Schutzmaske tragen wollen. Die wegfallende Vorgabe des Landes, dass die Gäste in den Innenräumen auf den wenigen Metern bis zu ihrem Sitzplatz eine Maske aufsetzen mussten, hat nach seiner Meinung wenig Sinn gemacht. Mit Blick in das Ausland sei Deutschland ohnehin ein Nachzügler bei den Lockerungen.
Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan prüft Maskenpflicht
Die Düsseldorfer Gastronomin Kerstin Rapp-Schwan prüft aufgrund des Arbeitsschutzes, ob die Maskenpflicht für die Mitarbeiter wirklich aufrecht halten werden muss oder ob es den Mitarbeitern freigestellt werden kann, eine Schutzmaske zu tragen. „Ich würde keinem Gast vorschreiben, eine Maske im Betrieb zu tragen“, sagte sie. Es werde auch keiner schräg angeguckt, weil er eine Maske trägt. Als Gastgeber gehe es den Gastronomen darum, den Gästen eine „gute Zeit“ verkaufen. Da seien Verbote oder sogar Stoppschilder sowieso schwierig gewesen. Dabei sei die Gastronomie nie ein Treiber der Pandemie gewesen.
Angesichts der hohen Fallzahlen auf der einen Seite und dem Wegfall der staatlichen Schutzmaßnahmen auf der anderen Seite gebe es nach wie vor gebe es eine gewisse Verunsicherung – auch bei Gästen. „Es wird schwierig sein, jedem zu genügen“, verdeutlichte Rapp-Schwan. Deshalb behalte man Spender mit Desinfektionsmitteln und verkürzte Reinigungszyklen bei. „Verwaltungstechnisch und politisch scheint die Pandemie vorbei zu sein, medizinisch und medial aber noch nicht.“
Die große Frage in der Gastronomiebranche sei, wie sich der Herbst gestalten werde, unterstrich die Gastronomin. Es dürfe nicht wieder zu einem Lockdown kommen. Das sei auch wichtig, um neue Mitarbeiter gewinnen zu können. Sie habe immer noch einen Ruhetag wegen des Personalmangels, den es sonst nicht geben würde. Die auf sieben Prozent reduzierte Mehrwertsteuer für Speisen sollte nicht nur bis Jahresende 2022 gelten und auch auf Getränke ausgedehnt werden.
„Corona-Krise ist für die Branche leider noch lange nicht vorbei“
Der Branchenverband Dehoga NRW spricht von einem wichtigen Schritt für das Gastgewerbe, wenn die gesetzlichen Corona-Beschränkungen ab Sonntag wegfallen. Die Corona-Krise sei damit für die Branche leider noch lange nicht vorbei, sagte Sprecher Thorsten Hellwig. Die letzten beiden Jahre hätten massive wirtschaftliche und mentale Spuren bei Unternehmern, Beschäftigten und Gästen hinterlassen. Umsatzverluste würden trotz des Wegfalls der Auflagen erst einmal bleiben, „weil sich die Verunsicherung in der Bevölkerung und damit bei unseren Gästen im Umgang mit der Pandemie weiterhin auswirkt“, erklärt er.
„Mit dem Wegfall der Beschränkungen ist Corona nicht weg. Durch den Wegfall verschiebt sich die Verantwortung vom Staat auf den einzelnen Bürger, auf Unternehmen und Beschäftigte, die allen in einem Boot sitzen“, verdeutlichte der Sprecher des Branchenverbandes in NRW. Wie viele Gastronomen an Beschränkungen festhalten werden, sei derzeit noch nicht abzusehen. Aber das Gros werde uneingeschränkt öffnen.
(dpa/MK)