Unberücksichtigte Faktoren über die geplante Mehrwertsteuererhöhung
Bei der Berechnung des zusätzlichen Steueraufkommens durch die mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer wird (vermutlich) davon ausgegangen, dass bei gleichbleibenden Netto-Umsätzen der Gastronomie lediglich der höhere Steuersatz auf Speisen zum Vor-Ort-Verzehr angewendet wird und ansonsten alle anderen Parameter gleich bleiben.
BdS-Hauptgeschäftsführer Markus Suchert betont: „Weder die Reaktionen der Gastronomen noch die der Verbraucher sind hier allerdings mitberücksichtigt. Diese werden jedoch sicherlich nicht ausbleiben und sollten in der derzeitigen Diskussion mit einbezogen werden, denn sie haben gravierende Auswirkungen auf das zusätzliche Steueraufkommen.“
„Von den erhofften Mehreinnahmen wird nach unseren aktuellen Berechnungen auf Basis des CREST Verbraucherpanels* wohl nur ein Bruchteil tatsächlich übrigbleiben“, sagt Jochen Pinsker, Industry Advisor Foodservice Europe des Marktforschers Circana Group GmbH*.
Vier Faktoren
Vier Faktoren wurden in die Berechnungen von Circana einbezogen:
- Zum einen werden die Gastronomen bei weitem nicht die gesamten zusätzlichen Steuerbelastungen an die Kunden weitergeben. Die Preise für Speisen werden nicht von 7 Prozent auf 19 Prozent erhöht werden können, sondern nur etwa die Hälfte wird (im Durchschnitt über alle Gastronomen) weitergegeben werden.
- Aufgrund der gestiegenen Preise wird mit einem Rückgang der Besuchszahlen gerechnet. Der erwartete Rückgang wird noch recht optimistisch mit lediglich 3 bis 5 Prozent beziffert.
- Bereits in den vergangenen Monaten wurden erste sogenannte Trading-Down-Effekte beobachtet, also die Verschiebung von Besuchen von höher- in niedrigpreisigere Segmente. Bei den notwendigen Preiserhöhungen wird von einer weiteren Verstärkung dieses Effektes ausgegangen.
- Darüber hinaus wird eine Verschiebung vom Vor-Ort-Verzehr zur Mitnahme erwartet. Dabei handelt es sich um einen Effekt, der bereits in früheren Zeiten höherer Preissensibilität beobachtet wurde. Für Verbraucher bedeutet diese Möglichkeit weitere Einsparmöglichkeiten.
Selbst bei optimistischen Annahmen – wie von Circana prognostiziert – werden diese Effekte bereits die Hälfte (49 Prozent) der erhofften Steuermehreinnahmen auffressen. Für BdS-Hauptgeschäftsführer Markus Suchert bedeutet dies eine inakzeptable Tatsache, bei der die gastronomischen Betriebe die Leidtragenden wären.
Appell an die Politik
Kurz vor den abschließenden Beratungen im Deutschen Bundestag appelliert Suchert daher noch einmal mit Nachdruck an die politischen Entscheider, die noch bis Ende des Jahres reduzierte Mehrwertsteuer zu entfristen: „Wir brauchen die Entfristung der Mehrwertsteuer für Planungssicherheit, ein vielfältiges Speisenangebot und für einen fairen Wettbewerb in Europa, weil unternehmerische Freiheit wieder mehr Spielraum braucht und Kosten explodieren, weil Aus- und Weiterbildung für alle möglich sein muss und Nachhaltigkeitsinitiativen finanzielle Ressourcen benötigen sowie zur Sicherung von 100 Prozent Tarifbindung in der Systemgastronomie. Die fairen 7 Prozent müssen bleiben!“
Anmerkungen
*Über die Circana Group GmbH: Die Circana Group GmbH, Nürnberg, ist eine Tochtergesellschaft von Circana L.P. mit Sitz in Chicago und New York/USA, spezialisiert auf Analysen und konzeptionelle, strategische Lösungen für die Profi-Gastronomie sowie deren Partner. Im Vordergrund stehen eigene Instrumente der Primärforschung wie das Verbraucherpanel CREST, regelmäßige Sentiment Studien sowie das Benchmarking Panel SalesTrack. Durch die Kombination von Daten, Branchenexpertise und statistischen Methoden hilft das Unternehmen seinen Kunden – Gastronomieketten, Zulieferer, Großhandel und Verbände – den Markt und die Gäste und Verbraucher zu verstehen, um Entscheidungen in nahezu allen Aspekten des Geschäfts zu treffen, einschließlich Verkauf, Marketing, Bedarfsplanung, Vertriebs- und Sortimentsplanung, Produktentwicklung und mehr. Circana erstellt regelmäßig belastbare Vorhersagen zur Entwicklung der Gastronomiesegmente und Änderungen des Verzehrverhaltens für den gesamten Foodservice-Markt.
*Über CREST: Für das Verbraucherpanel CREST befragen die Marktforscher von Circana täglich 800 Panelteilnehmer in Deutschland zu ihrem Verzehr am Vortag mittels einer Online-Befragung. Die Resultate der repräsentativen Stichprobe werden monatlich auf Gesamtdeutschland hochgerechnet. CREST deckt alle gastronomisch präparierten und für den sofortigen Verzehr gekauften Speisen und Getränke ab.
(BdS/SAKL)