12-Stunden-Tag

Tourismus gegen „haltlose Unterstellungen“

Kellnerin verlässt mit 2 vollen Tellern die Küche
Auch die Arbeitgeberseite betont, dass 12-Stunden-Arbeitstage die Ausnahme und nicht die Regel im Gastgewerbe bleiben sollen. (© fotolia.com/Iakov Filimonov)
Der mögliche 12-Stunden-Tag für Arbeitnehmer lässt weiter die Wogen hochgehen. Arbeiterkammer und Gewerkschaft gegen Wirtschaftskammer und ÖHV lautet das Match, fein säuberlich entlang der Parteigrenzen.
Donnerstag, 08.11.2018, 10:44 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Mit September hat die ÖVP-FPÖ-Regierung einen großen Wunsch der Wirtschaft erfüllt und – auf ausdrücklich freiwilliger Basis – die Möglichkeit für Arbeitnehmer geschaffen, zwölf statt bisher zehn Stunden am Tag arbeiten zu können, bei maximal 60 Wochenstunden. Nicht wirklich überraschend, dass bald einige Fälle publik wurden, in denen es die Arbeitgeber mit der Freiwilligkeit nicht ganz so genau genommen haben – auch im Gastgewerbe und auch wenn es bis dato nur Einzelfälle waren.

„Husch-Pfusch-Gesetz“
Aber Gewerkschaft und Arbeiterkammer (beide rot dominiert) nutzen natürlich die Steilvorlage, um ihr Mütchen an der ungeliebten rechts-konservativen Regierung zu kühlen. „Arbeitgeber wollen Rechte der Beschäftigten wieder einschränken“ warnt etwa Gewerkschafts-Vorsitzender Berend Tusch und spricht gleichzeitig von einem „realitätsfremden Husch-Pfusch-Gesetz“. Die Regierung betreibe damit aktive Mitarbeiter-Abschreckungspolitik. Sie sei nicht an einer Attraktivierung der Tourismusbranche interessiert, sondern wolle so die Schleusen für möglichst viele Billigarbeitskräfte aus dem Ausland öffnen. Ebenfalls kein gutes Haar an dem Gesetz lässt AK-Präsidentin Renate Anderl, die von einem „unglaublichen Angriff“ auf die Arbeitnehmer spricht.

Umgekehrt betont die (schwarz dominierte) Wirtschaftskammer, sich voll zum Arbeitnehmerschutz und zur Freiwilligkeit bei Überstunden zu bekennen. „Das schließt die Kontrolle der Arbeitszeitgrenzen und insbesondere auch die Freiwilligkeit und das Wahlrecht bezüglich Überstunden ein, worüber wir unsere Mitgliedsbetriebe laufend informieren“, stellt WKÖ- Generalsekretär Karlheinz Kopf klar. Und weiter: „Das Gesetz erhöht die Flexibilität, stärkt aber gleichzeitig die Arbeitnehmerrechte. Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist der Haupteffekt, dass das Gesetz Rechtssicherheit anstelle von Grauzonen schafft und die Arbeitszeit insgesamt nicht verlängert.“

„Pauschalen Panikmache“
Als haltlose Unterstellungen bezeichnet auch der Obmann der Fachgruppe Hotellerie der Kärntner Wirtschaftskammer, Sigismund Moerisch, die Kritik der Arbeiterkammer, wonach es „massenhaft“ zu Verstößen gegen die gesetzlich vorgesehene Freiwilligkeit bei der Leistung von Überstunden komme. Moerisch: „Mit dieser pauschalen Panikmache ist niemandem gedient. Die Wirtschaftskammer nimmt aber die aufgetauchten Einzelfälle ernst und wird ihre Mitgliedsbetriebe nochmals gezielt über die gesetzlichen Neuerungen informieren.“ Gleichzeitig stellt er aber auch klar: „Wir distanzieren uns eindeutig von Formulierungen in Dienstverträgen, die – in welcher Form auch immer – auf eine Einschränkung des gesetzlichen Ablehnungs- bzw. Wahlrechtes der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters abzielen.“

Auch der Generalsekretär der Österreichischen Hotelier-Vereinigung (ÖHV), Markus Gratzer, weist die pauschale Kritik an der Branche zurück: „Was hier geleistet wurde, wirft einen Schatten auf alle Betriebe, die sich sehr um ihre Mitarbeiter bemühen.“ Dabei weist er darauf hin, dass pauschale Vorab-Zustimmungen zu 12-Stunden-Diensten und 60-Stunden-Wochen wie in den kritisierten Musterverträgen rechtsunwirksam sind und keine Basis für Arbeitsverhältnisse: „Wie eine Zustimmung zur 11. und 12. Stunde aussehen muss, damit sie verbindlich ist, weiß aber niemand“, wünscht sich Gratzer eine bessere Planbarkeit.

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