„Tourismus als Bauernopfer“
Der offizielle Corona-Shutdown ist vorbei, viele Hotels und Gastronomiebetriebe in Österreich haben seit kurzem wieder geöffnet – und kämpfen in der Regel um jeden einzelnen Gast. Zu einer nicht unwesentlichen Gästegruppe haben sich etwa in Tirol auch die Motorradfahrer entwickelt. Kein Wunder, die Besitzer verdienen in der Regel nicht schlecht, denn das Hobby ist prinzipiell teuer und da lässt man es sich dann beim Essen und Übernachten auch mal gut gehen. Außerdem wird meist in einer Gruppe gefahren, es kommen bei einer Buchung also oft gleich vier, fünf oder noch mehr Gäste.
Besonders bitter also, wenn die grüne Tiroler Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe jetzt aus Gründen des Anrainerschutzes für etliche Tiroler Täler willkürliche Lärmgrenzen festgelegt hat, die etliche nagelneue, völlig serienmäßige Motorräder überschreiten. Ausnahmen für dieses Fahrverbot gibt es nicht mal für Anrainer. Der Aufschrei in den sozialen Medien ist entsprechend groß, nicht nur unter den Bikern, die sich nun andere Urlaubsziele suchen müssen, sondern vor allem auch bei den betroffenen Hoteliers und Gastronomen, die jetzt – kurz nach Corona – mit einer neuerlichen Stornowelle konfrontiert sind.
Sogar aus Salzburg kommen schon Stornos
„Nach den unsäglichen Vorfällen am Ende der abgebrochenen Wintersaison entsteht momentan neben den wirtschaftlichen Einbußen ein weiterer, nachhaltiger Imageverlust für Österreichs Tourismus“, klagt etwa Kai Bürskens vom Hotel Schönauer Hof im vom Fahrverbot betroffenen Lechtal, das sich auf Biker als Kunden spezialisiert hat. „Ich will jetzt gar nicht davon reden, dass ich meine Lieblingsmaschine – ein echtes Sammlerstück – kurzfristig verkaufen musste, weil ich die sonst nicht mehr hätte benutzen dürfen, aber wir haben alleine in einer Woche nach Bekanntwerden des Fahrverbotes 48 Stornos hereinbekommen. Was soll das?“ Bürskens hofft jetzt auf Musterklagen von betroffenen Wirten oder auch von Privatpersonen, die mit der Verordnung quasi enteignet werden. „Bei uns – ich bin auch Vertreter der MOHO-Motorradhotels – geht es jedenfalls seit einigen Tagen rund. Viele Biker sind stinksauer und stornieren ihren Urlaub aus Solidarität, obwohl sie mit ihrem Motorrad gar nicht betroffen wären. Sogar aus Obertauern, das in Salzburg liegt und von dem Verbot auch nicht betroffen ist, bin ich von Kollegen über Stornos informiert worden“, klagt Bürskens im Gespräch mit HOGAPAGE. Es gäbe sogar schon Aufrufe aus Deutschland, Österreich als Urlaubsdestination nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter zu boykottieren. Bürskens frustriert:“Nimmt die Politik diesen zusätzlichen Kollateralschaden am heimischen Tourismus billigend in Kauf, nur um kurzfristig ein Fahrverbot durchzusetzen, dessen Wirksamkeit sogar von den Initiativen gegen Motorradlärm stark angezweifelt wird? Oder hat die Landesregierung womöglich den nun eingetretenen Boykott miteinkalkuliert und will so ihr Ziel der Lärmreduktion erreichen? Der Tourismus wäre dann quasi das Bauernopfer.“
„Nicht nachvollziehbar“
Wenig Verständnis für diese Maßnahme bringt auch Josef Hackl, Obmann der Sparte Tourismus der Wirtschaftskammer Tirol auf: „Natürlich hat der Motorradverkehr in der Region in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen, aber völlig legale, serienmäßige Motorräder plötzlich zu verbieten, das ist für mich nicht nachvollziehbar. Gerade in der jetzigen Situation, wo wir schauen müssen, dass wir im Tourismus und der Gastronomie in Tirol wieder dort hinkommen, wo wir vor der Krise waren. Im Moment brauchen wir jeden Gast. Aus Sicht der Wirte ist diese Maßnahme also völlig kontraproduktiv. Und speziell Motorradfahrer sind in den letzten Jahren zu einer wichtigen Klientel geworden, die einiges Geld in den Lokalen und Hotels ausgeben.“
Diplomatisch gibt man sich in dieser Causa indes bei der Tirol Werbung: „Es ist nicht unsere Aufgabe, Verordnungen des Landes zu kommentieren. Wir respektieren dieses Fahrverbot natürlich, zumal besonders laute Motorräder in den vergangenen Jahren für viele Anrainer im Bezirk Reutte das zumutbare Ausmaß der Belastung deutlich überschritten haben. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass keine Missverständnisse entstehen und man sich dadurch nicht mehr willkommen fühlt: Motorradfahrer sind selbstverständlich weiterhin in Tirol willkommen. Diese Verordnung gilt für einen kleinen Teil unseres Straßennetzes zum Schutz der dort lebenden Bevölkerung vor besonders lauten Motorrädern“, so Florian Phleps, Geschäftsführer der Tirol Werbung auf HOGAPAGE-Anfrage. Man habe von Betrieben gehört, dass es aufgrund des Fahrverbots zu Stornierungen von Motorradfahrern im ganzen Land gekommen sei. Konkrete Zahlen habe man dazu allerdings nicht.