Lebensmittel-Rückrufe laut foodwatch oft zu spät oder gar nicht
Neben einer zu späten oder gar komplett ausbleibenden Rückrufaktion, werden zudem die gesundheitlichen Risiken der Lebensmittel, die zum Beispiel mit Bakterien belastet sind oder Fremdkörper enthalten, immer wieder verharmlost. Der Report „Um Rückruf wird gebeten“ von foodwatch kritisiert außerdem auch das staatliche Internetportal lebensmittelwarnung.de als gescheitert. Eine Auswertung von allen 92 Rückrufaktionen, die dort in zwei Testzeiträumen über insgesamt zwölf Monate hinweg veröffentlicht wurden, ergab: Die verantwortlichen Behörden stellen fast jede zweite Warnung (47 Prozent) verspätet auf die Seite. Die betroffenen Lebensmittelunternehmen nutzen praktisch nie alle verfügbaren Kommunikationskanäle, um vor unsicheren Produkten zu warnen.
Handel muss handeln
„Hersteller rufen heute viel häufiger ihre Produkte zurück als noch vor ein paar Jahren – dennoch können die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht sicher sein, dass im Fall der Fälle wirklich ein Rückruf gestartet wird und vor allem, dass sie davon auch erfahren“, sagte foodwatch-Deutschland-Geschäftsführer Martin Rücker. „Der Handel spielt eine besonders wichtige Rolle bei der Information von Kundinnen und Kunden über unsichere Lebensmittel. Es wird höchste Zeit, dass Supermärkte an zentraler Stelle über alle Rückrufaktionen aus ihrem Sortiment informieren – dazu sind sie bisher nicht verpflichtet, und die wenigsten Handelsunternehmen leisten hier ihren Beitrag.“
Mit einer heute gestarteten E-Mail-Aktion forderte foodwatch die großen Handelsketten auf, in Zukunft mit Aushängen in den Märkten, mit Newslettern und in Social-Media-Kanälen über Lebensmittelwarnungen zu informieren.
foodwatch prangert fehlende Klarheit an
Lena Blanken, Expertin für Lebensmittelhandel bei foodwatch, erklärte: „An allen Ecken fehlt es an Klarheit: Das Lebensmittelrecht lässt zu viele Spielräume, wann ein Rückruf erforderlich ist. Den Behörden sind oftmals die Hände gebunden, weil sowohl die Risikoeinschätzung als auch die öffentliche Warnung in erster Linie Aufgabe der Unternehmen ist, die hier einen unauflösbaren Interessenkonflikt haben. Nicht zuletzt geht fast jede Behörde gegenüber den Unternehmen anders vor, weil es an Standards fehlt.“ So gebe es keinen Katalog, auf welchem Weg eine Warnung verbreitet werden muss – die Behörden verlangten oft nur den Versand einer Pressemitteilung an eine Nachrichtenagentur. Newsletter, Facebook-Seiten oder zentrale Aushangflächen im Einzelhandel blieben vielfach ungenutzt. Beispiele aus der Auswertung von foodwatch:
- Eine Warnung vor potenziell listerienbelasteten Pilzen erschien erst drei Tage nach der Herstellerwarnung auf der staatlichen Internetseite – weil dazwischen Silvester und der Neujahrstag lagen und die zuständige Behörden an Feiertagen wie an Wochenenden grundsätzlich keine Informationen auf lebensmittelwarnung.de einstellt.
- Bei einem Nahrungsergänzungsmittel, das nicht zugelassene pharmakologische Substanzen enthielt und dessen Konsum in selten Fällen zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen konnte, vergingen sogar 20 Tage, bis die zuständige Behörde warnte. Sie begründete den Verzug mit der Notwendigkeit, den niederländischen Hersteller zunächst anzuhören. Dieser war jedoch nicht erreichbar.
- Erst vier Tage nach dem Rückruf eines Bio-Säuglingstees durch den Hersteller erfuhren davon die Leser von lebensmittelwarnung.de – weil die örtlich für diese Firma zuständige Überwachungsbehörde zwei Tage benötigte, um die Information an ihre obere Landesbehörde weiterzureichen, die wiederum als einzige für die Einstellung von Meldungen aus ihrem Bundesland in das Portal zuständig ist. Dafür benötigte sie aufgrund von weiteren „Ermittlungen“ abermals zwei Tage.
(ots/MJ)