Hotspot-Regelung in Mecklenburg-Vorpommern gekippt
Das Oberverwaltungsgerichts in Greifswald kippte am Freitag die vom Landtag im März beschlossene Hotspot-Regel, die noch bis zum 27. April gelten sollte. Gegen den Landtagsbeschluss hatte die AfD-Landtagsfraktion geklagt. Das Gesundheitsministerium in Schwerin äußerte sich zunächst nicht. Man prüfe die OVG-Entscheidung, hieß es lediglich.
Das Gericht gab einem einstweiligen Rechtsschutzantrag der AfD in wichtigen Punkten statt. Die außer Vollzug gesetzten Schutzmaßnahmen betreffen laut OVG insbesondere das Abstandsgebot und die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske oder Atemschutzmaske. Die 3G-Regel (geimpft, genesen, getestet) hatte die Landesregierung bereits am Gründonnerstag weitgehend aufgehoben – Gastgewerbe und Kulturwirtschaft hatten zuvor Druck gemacht.
Dem Gericht zufolge entfällt die Maskenpflicht etwa im Einzelhandel, auf Wochenmärkten und im Großhandel, bei körpernahen Dienstleistungen, bei Freizeitangeboten und in der Gastronomie. Auch das Abstandsgebot in öffentlich zugänglichen Innenräumen ist gekippt worden. Damit können Kinos und Theater wieder die volle Platzkapazität ihrer Säle nutzen. Bisher mussten sie die Besucher im sogenannten Schachbrettmuster platzieren, wodurch ein erheblicher Teil der Plätze nicht zur Verfügung stand. Das Gericht verwarf auch die Optionsmodelle, mit denen Anbieter die Abstandsregel umgehen konnten, wenn sie stattdessen Testpflichten verhängten. Der Beschluss des OVG ist unanfechtbar.
Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg hatten sich zu Corona-Hotspots erklärt
Der Landtag in Schwerin hatte am 24. März das gesamte Bundesland zum Corona-Hotspot erklärt, um flächendeckend die damals geltenden Schutzmaßnahmen weiterführen zu können. Das verstößt nach Überzeugung der Richter gegen das Bundesgesetz. Eine besonders hohe Zahl an Corona-Neuinfektionen und eine drohende Überlastung der Krankenhauskapazitäten hätte laut Gericht für jeden Landkreis und jede kreisfreie Stadt einzeln festgestellt werden müssen, um sie zum Hotspot zu erklären. Dies sei nicht erfolgt, monierten die Richter.
Ohne den Landtagsbeschluss wären die meisten Schutzmaßnahmen gemäß Bundesinfektionsschutzgesetz Anfang April ausgelaufen – in den meisten Bundesländern war das auch so. Nur Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg erklärten sich komplett zu Corona-Hotspots.
Die AfD-Landtagsfraktion bezeichnete die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts als Niederlage für Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). „Ein großer Erfolg! Die Corona-Hotspot-Regelung ist rechtswidrig. Eine weitere Schlappe für die Landesregierung und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig“, sagte der Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer. Er sprach von einem „Verbotswahn“ der Landesregierung.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der ebenfalls oppositionellen CDU-Fraktion, Katy Hoffmeister, warf der rot-roten Landesregierung vor, die Hotspot-Regelung missbräuchlich angewendet zu haben. „Das steht nunmehr fest“, sagte sie. „Die Vorstellung, dass allein der Zweck die Mittel heilige, ist einer demokratisch gewählten Regierung unwürdig.“
Dehoga begrüßt die Entscheidung des OVG
Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zeigte sich über die Gerichtsentscheidung wenig verwundert. „Bei der Einführung der Hotspot-Regel haben wir genau das kritisiert: dass dieser Ausnahmezustand nur regional bezogen sein kann und nicht für das ganze Bundesland“, sagte Verbandschef Lars Schwarz. Außerdem hätten genaue Parameter festgelegt werden müssen, ab welcher Infektionszahl und welcher Krankenhausbelastung eine Region ein Corona-Hotspot sei.
Er gehe davon aus, dass die Menschen weiter vernünftig sein werden, sagte der Dehoga-Chef. Das zeigten auch die anderen Bundesländer, in denen schon Anfang April Schutzmaßnahmen wie 3G und Maskenpflicht weitgehend weggefallen sind. „Wir sind noch nicht durch die Pandemie durch“, betonte Lars Schwarz. Die Entscheidung des OVG in Greifswald führe aber dazu, dass Mecklenburg-Vorpommern jetzt die gleichen Regeln habe wie alle anderen Bundesländer außer Hamburg.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wertete das juristische Aus der Hotspot-Regelung in Mecklenburg-Vorpommern nach Angaben eines Sprechers als Schlappe für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Entscheidung des Gerichtes zeige, dass die Bundesregierung den Ländern ein untaugliches Werkzeug an die Hand gegeben habe. „Es war richtig, dass wir Bayern nicht insgesamt zum Hotspot erklärt haben.“ Die Regelung des Bundes sei handwerklich äußerst schlecht gemacht. „Die schwammigen und unnützen Formulierungen lassen sich eben nicht rechtssicher umsetzen.“
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte, auch Lauterbach könne jetzt erkennen, dass so ein „butterweiches Gesetz“ nicht helfen könne, für einen guten Grundschutz zu sorgen.
(dpa/SAKL)