Hitzige Debatte um Mehrwertsteuer in der Gastronomie
Mecklenburg-Vorpommern hält an seiner Forderung fest, den Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie dauerhaft von 19 auf 7 Prozent zu senken.
Nach einer emotionsgeladenen Debatte mit gegenseitigen Schuldzuweisungen forderte der Landtag am Freitag in Schwerin mit den Stimmen der rot-roten Koalition die Landesregierung auf, sich für eine geringere Besteuerung von Verpflegungsleistungen in Schulen, Kitas und Pflegeeinrichtungen einzusetzen. Mit Blick auf die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten sei es angebracht, zumindest für die Essensversorgung im sozialen Bereich den ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, hieß es zur Begründung.
In dem Antrag wird zugleich die Forderung nach einer generellen Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie bekräftigt. Der Steuersatz von 19 Prozent bringe zahlreiche Unternehmen der Branche ins Schleudern, sagte der Linke-Abgeordnete Torsten Koplin. In namentlicher Abstimmung erhielt die Beschlussvorlage in Teilen Unterstützung auch aus den Reihen der Opposition.
„Die Gaststätten sind derzeit wieder rappelvoll“
Die Grünen unterstützten den Vorstoß für geringere Steuersätze in Schulen, Kitas und Heimen, nicht aber für Gaststätten. Die befristete Absenkung von 19 auf 7 Prozent sei erfolgt, um Gastronomen über die Zeit der Zwangsschließungen während der Corona-Pandemie zu helfen.
Dieses „Kriseninstrument“ sei nun nicht mehr erforderlich. „Die Gaststätten sind derzeit wieder rappelvoll“, sagte die Grünen-Abgeordnete Jutta Wegner.
Es gehe darum, Eltern, Senioren und soziale Einrichtungen zu entlasten. „Zielgerichtet gelingt das durch Unterstützung im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung“, betonte Wegner. Sie schlug vor, die 30 Millionen Euro an Steuereinnahmen im Land durch die wieder angehobene Gastro-Mehrwertsteuer zur Entlastung der Essenslieferanten für Kitas, Schulen und Pflegeheime einzusetzen.
„Scheinheiligkeit hat einen Namen“
Torsten Renz von der CDU warf der SPD-Linke-Koalition in Schwerin vor, sich als Kritikerin der SPD-geführten Ampel in Berlin profilieren und so vom eigenen Versagen ablenken zu wollen. „Scheinheiligkeit hat einen Namen: SPD“, sagte Renz.
Der Antrag verschweige zudem, dass nicht nur CDU-, sondern auch SPD-geführte Bundesländer die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz gebilligt hätten. Es sei daher „dreist und scheinheilig“, wenn die SPD die Verantwortung für die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer bei CDU und FDP abladen wolle. Renz reagierte damit auch auf Aussagen von Finanzminister Heiko Geue (SPD), der der CDU in Bund und Ländern eine Verweigerungshaltung vorgeworfen hatte.
Die CDU-Landtagsfraktion schloss sich der Forderung nach einer abgesenkten Mehrwertsteuer für die Gastronomie an. Dies sei nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Anbieter zu stärken, betonte Renz. In 23 der 27 EU-Länder würden niedrigere Steuern von der Gastro-Branche erhoben.
Forderung: Steuersätze in Deutschland vereinheitlichen
FDP-Fraktionschef René Domke wies die Kritik an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zurück, dieser habe für die Rückkehr zur Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf Speisen gesorgt. Auch die Mehrzahl der Bundesländer sei gegen eine Verlängerung des abgesenkten Steuersatzes über Ende 2023 hinaus gewesen.
Domke erneuerte zudem die Forderung seiner Partei, die Steuersätze in Deutschland insgesamt zu vereinheitlichen und so das Steuersystem zu vereinfachen.
„Es ist an der Zeit, den Wahnsinn an Überregulierung und Bürokratie auszumisten und an die Lebensverhältnisse von heute anzupassen“, sagte Domke. Keinem Menschen sei zu erklären, warum Äpfel und Wasser mit je mit 7 Prozent besteuert würden, Apfelsaft aber mit 19 Prozent.
Wie der CDU-Abgeordnete Sebastian Ehlers wies auch Domke der Landesregierung eine Mitschuld an den erhöhten Preisen für Schul- und Kitaessen zu, da mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz die Lohnkosten der Anbieter nach oben getrieben würden.
Kritik vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband
Der Landeschef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Lars Schwarz, kritisierte die Ausrichtung des Landtagsbeschlusses auf externe Catering- und Verpflegungsleistungen in Schule, Kita und Sozialeinrichtungen. „Das zeigt uns deutlich, dass die Politik die Tragweite und Dramatik des grundsätzlichen Problems nicht verstanden hat. Statt einzelne Branchensegmente und Angebotsformen herauszugreifen, muss Essen bezahlbar bleiben – für alle, immer und jederzeit“, betonte Schwarz.
Zwar möge der Antrag gut gemeint gewesen sein, doch sei er viel zu kurzsichtig. „Er sendet vielmehr ein verheerendes Zeichen, da eine in sich geschlossene und zusammenhaltende Branche gespalten und die Gesamtforderung nach dauerhafter Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen geschwächt werden“, beklagte der Verbandspräsident. Dies sei umso fataler, da es oftmals der Gastronom vor Ort sei, der auf dem Land und in der Fläche Kitas und Schulen mit Essen versorgt.
Hintergrund
Zur Unterstützung der Branche war während der Corona-Pandemie der Steuersatz auf 7 Prozent gesenkt worden. Aufgrund der Energiekrise wurde die Ausnahmeregelung mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2023. Seit Anfang 2024 gelten auf Speisen aber wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer.
Eine auch von der rot-roten Landesregierung in Schwerin geforderte dauerhafte Absenkung scheiterte am Widerstand der Bundesregierung.
Christian Lindner: Keine Rückkehr zur 7-Prozent-Mehrwertsteuer
„Wir können Krisenmaßnahmen nicht auf Dauer fortsetzen“, erklärte Lindner damals. „Wer auf Dauer Krisenmaßnahmen aufrechterhalten will, ruiniert den Staatshaushalt.“
Der Bund müsse nun neue Sicherheitspuffer aufbauen. Denn Lindner fürchte, dass es irgendwann wieder eine sehr gefährliche Situation geben wird, wo der Staat handlungsunfähig sei.
Bedenken aus der Branche
Die Gastro-Branche fürchtet derweil viele Betriebsschließungen. Eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga Bundesverband) zeigte bereits im Dezember, dass die Mehrwertsteuererhöhung von 7 auf 19 Prozent auf Speisen schwerwiegende Folgen für die Gastgeber haben wird. Demnach gaben 62,7 Prozent der befragten Unternehmer an, dass sie die Steueranhebung auf 19 Prozent wirtschaftlich hart treffen wird.
Weitere 12 Prozent treibt die politische Entscheidung an den Rand des Ruins und 5,2 Prozent werden ihren Betrieb mangels Perspektiven sogar ganz aufgeben. Nur 4,2 Prozent der Betriebe fühlen sich kaum oder nicht betroffen.
(dpa/SAKL)