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Das sagen Branchenverbände zum Koalitionsvertrag

V. l. n. r.: Markus Söder (CSU), Ministerpräsident Bayern, Friedrich Merz (CDU), Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil (SPD), Bundesvorsitzender, und Saskia Esken (SPD), Bundesvorsitzende
Union und SPD haben gestern die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. V. l. n. r.: Markus Söder (CSU), Ministerpräsident Bayern, Friedrich Merz (CDU), Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil (SPD), Bundesvorsitzender, und Saskia Esken (SPD), Bundesvorsitzende (Foto: © picture alliance/dpa | Michael Kappeler)
Nach wochenlangen Verhandlungen steht der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Für das Gastgewerbe enthält er viele wichtige Verbesserungen. Branchenverbände zeigen sich erfreut, sehen aber auch einige Kritikpunkte.
Donnerstag, 10.04.2025, 14:50 Uhr, Autor: Sarah Kleinen

Nach mehrwöchigen Koalitionsverhandlungen haben Union und SPD sich endlich einigen können. Gestern haben sie die Inhalte des Koalitionsvertrags vorgestellt. Dieser enthält viele positive Signale für das Gastgewerbe.

Dementsprechend fallen die Reaktionen der deutschen Gastwelt auf den neuen Koalitionsvertrag von Union und SPD überwiegend positiv aus. Von der dauerhaften Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen bis hin zu weniger Bürokratie und mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit – viele langjährige Forderungen aus Hotellerie, Gastronomie, Tourismuswirtschaft und Systemgastronomie finden sich im Vertrag wieder. Die Branche spricht von einem wichtigen Signal – fordert jedoch zugleich eine rasche und verlässliche Umsetzung.

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BdS: „Wir haben einen großen Erfolg erzielt“

Der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) feiert den Koalitionsvertrag als einen der größten politischen Erfolge der vergangenen Jahre. Vor allem die Rückkehr zur 7-Prozent-Mehrwertsteuer auf Speisen sei essenziell für eine starke und zukunftsfähige Systemgastronomie. „Das ist ein Meilenstein für unsere Branche und ein klares Zeichen, dass die Politik die Bedeutung der Systemgastronomie für die Wirtschaft und Gesellschaft anerkennt“, betont BdS-Hauptgeschäftsführer Markus Suchert.

Markus Suchert
Markus Suchert ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Systemgastronomie e.V. (BdS) (Foto: © BdS)

Der Verband begrüßt zudem die geplante Reduzierung der Bürokratiekosten um 25 Prozent sowie den Abbau von Dokumentationspflichten. Dies würde eine erhebliche Erleichterungen für systemgastronomische Unternehmen bedeuten.

Darüber hinaus plane die neue Bundesregierung eine deutliche Beschleunigung der Asylverfahren durch Digitalisierung und den Ausbau des Datenaustauschs. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels sei diese Maßnahmen ein entscheidender Faktor für die beschäftigungsintensive Systemgastronomie. „Unsere Branche leidet unter einem hohen administrativen Aufwand. Die jetzt geplanten Entlastungen sind wesentlich, um unsere Betriebe handlungsfähig zu halten. Besonders der Fokus auf digitale Lösungen wird uns langfristig zugutekommen.“ Auch die geplante Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Energiepreisreduktion seien deutliche Fortschritte. 

Positiv hervorzuheben sei zudem, dass der Koalitionsvertrag von der im Sondierungspapier noch vorgesehenen Ausweitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf die Außerhausverpflegung absieht. Diese Erweiterung hätte laut BdS für systemgastronomische Betriebe einen erheblichen bürokratischen Mehraufwand bedeutet und die erklärten Ziele des Bürokratieabbaus konterkariert. 

Erfreulich aus BdS-Sicht ist zudem, dass Einschränkungen der Werbung für zucker- und fetthaltige Produkte nicht in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen wurden. Ein pauschales Werbeverbot würde einen großen Anteil aller Lebensmittel betreffen und Konsumenten in ihrer Entscheidungsfreiheit bevormunden. 

Kritisch sieht der BdS hingegen die politische Einmischung in die Lohnfindung sowie die nach wie vor unklare Lage bei der Verpackungsregulierung. Die Nennung oder Empfehlung konkreter Lohnhöhen durch die Politik würden sowohl die Mindestlohnkommission als auch die Tarifbindung schwächen. 

Auch bei der Verpackungsregulierung blieben viele Punkte unklar, sodass die Auswirkungen für die Branche noch nicht absehbar seien. Insbesondere die Einführung kommunaler Verpackungssteuern in einigen Kommunen würde für einen zusätzlichen Bürokratieaufwand für Unternehmen und Kommunen sorgen. 

Markus Suchert fasst zusammen: „Wir haben einen großen Erfolg erzielt, der unseren Mitgliedsunternehmen echte Entlastung bringt. Dennoch gibt es weiterhin Herausforderungen, die genau beobachtet und aktiv begleitet werden müssen. Wir bleiben im Dialog mit der Politik und werden uns weiter für die Interessen der Systemgastronomie einsetzen.“ 

DZG: „Ein gutes Signal für über sechs Millionen Beschäftigte“

Die Denkfabrik Zukunft der Gastwelt (DZG) sieht den Koalitionsvertrag als einen wichtigen Schritt für eine zukunftsfähige Gastwelt und Tourismuswirtschaft. Der Vertrag greife zentrale Herausforderungen der Gastwelt (Tourismus, Hospitality, Foodservice & Freizeit) auf – von der Wettbewerbsfähigkeit bis zur Lebensraumgestaltung in den Regionen.

Dr. Marcel Kling
Dr. Marcel Klinge ist Vorstandssprecher der Denkfabrik Zukunft der Gastwelt. (Foto: © DZG)

Positiv bewertet die Denkfabrik neben der Mehrwertsteuersenkung auf 7 Prozent insbesondere die geplante Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie die angekündigte Modernisierung von Infrastruktur und Digitalisierung im Tourismusbereich. Auch die Stärkung der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) sowie die angekündigte Reform des Reisesicherungsfonds seien aus Sicht der DZG wichtige Fortschritte.

„Diese Koalition erkennt die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Gastwelt an – das ist ein gutes Signal für über sechs Millionen Beschäftigte in einem Schlüsselsektor des Landes“, erklärt Dr. Marcel Klinge, Vorstandsvorsitzender der DZG. 

Gleichzeitig mahnt die Denkfabrik aber eine raschere Umsetzung wichtiger Punkte an. So solle die Mehrwertsteuerreduktion laut Einigung der Koalitionäre erst zum 1. Januar 2026 wirksam werden. „Für viele Betriebe ist das möglicherweise zu spät. Wir plädieren dringend dafür, diesen Schritt bereits zum 1. Juli 2025 umzusetzen“, so Klinge. „Der wirtschaftliche Druck ist weiter sehr hoch – gute Entscheidungen müssen auch zum richtigen Zeitpunkt wirksam werden, um Existenzen zu sichern.“

Sorgen bereitet der DZG außerdem die geplante deutliche Anhebung des Mindestlohns. Für viele Gastwelt-Betriebe mit einfachen Tätigkeitsprofilen bedeute das eine erhebliche zusätzliche Belastung, die in Kombination mit immer noch hohen Energie- und Personalkosten kaum zu kompensieren sei.

Enttäuscht zeigt sich die Denkfabrik von der Vereinbarung, dass es zwar Staatsminister für Sport und Ehrenamt sowie für Bund-Länder-Zusammenarbeit geben soll, aber Gastwelt und Tourismus erneut nicht den Sprung in die politische Top-Ebene schaffen. Es sei jetzt unausweichlich, dass es mindestens einen Staatssekretär dezidiert für Tourismus und Gastwelt im Wirtschaftsministerium gibt. „Gerade vor dem Hintergrund der positiven Weichenstellungen im Vertrage muss es jetzt auch eine politisch durchsetzungsfähige Position geben, die den guten Koalitionsvertrag für Gastwelt und Tourismus in Regierungshandeln übersetzen kann. Das ist vor allem auch im Interesse des Wirtschaftsstandortes Deutschland“, betont Klinge.

Insgesamt sieht die Denkfabrik im Koalitionsvertrag zwar einen echten Fortschritt für die Branche, mahnt jedoch ein entschlossenes Regierungshandeln an. „Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit: Wir brauchen eine ambitionierte Umsetzung, stabile Finanzierung und politische Verlässlichkeit. Nur dann kann die Gastwelt ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Rolle auch künftig voll entfalten“, so Klinge. 

Dehoga: „Wichtige Weichen für die Zukunft der 200.000 gastgewerblichen Betriebe werden gestellt“

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband) begrüßt zunächst die zügige Einigung von CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag 45 Tage nach der Bundestagswahl. „Deutschland braucht gerade jetzt eine handlungsfähige Regierung“, erklärt Dehoga-Präsident Guido Zöllick. 

Guido Zöllick
Guido Zöllick ist Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. (Foto: © DEHOGA Bundesverband/Svea Pietschmann)

Auch Zöllick betont, dass der Koalitionsvertrag wichtige Verbesserungen, wie die Umsatzsteuerreduzierung, die Wochenarbeitszeit und Bürokratieabbau, für die Branche enthält. „Damit werden wichtige Weichen für die Zukunft der 200.000 gastgewerblichen Betriebe und ihrer zwei Millionen Beschäftigten gestellt“, sagt der Dehoga-Präsident.

Vor allem die geplante dauerhafte Geltung der 7-Prozent-Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie sei eine Entscheidung von besonderer Relevanz für die Branche. „Diese Maßnahme sorgt endlich für fairen Wettbewerb und beendet die steuerliche Benachteiligung unserer Branche gegenüber anderen Anbietern von Essen“, betont Zöllick. „Die 7 Prozent Mehrwertsteuer sind eine Entscheidung für die heimischen Gastgeber, die täglich mit Leidenschaft für ihre Gäste da sind, sie sichern Existenzen, Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie die kulinarische Vielfalt – in der Stadt wie auf dem Land.“

Die geplante Einführung einer Wochenarbeitszeit nach EU-Recht anstelle der bisherigen täglichen Höchstarbeitszeit bezeichnet Zöllick als „richtigen Schritt hin zu mehr Flexibilität im Arbeitsmarkt“ und hebt hervor: „Diese Reform entspricht der Lebensrealität und dem Wunsch unserer Unternehmer ebenso wie vieler Mitarbeiter.“ Die Absichtserklärungen, Bürokratie abzubauen, begrüßt der Dehoga-Präsident ebenso.

„Die Parteien haben den Ernst der Lage im Gastgewerbe erkannt. Jetzt muss daraus verbindliche Politik werden“, sagt Zöllick abschließend. „Nach fünf Jahren mit realen Verlusten kommt es für unsere Branche mehr denn je auf die richtigen wirtschaftspolitischen Impulse an, um wieder durchstarten zu können – für lebendige Innenstädte und Regionen, gastronomische Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

(BdS/DZG/Dehoga Bundesverband/SAKL)

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