Forderung nach Öffnungen

„Das Moselufer ist sicherer als der Malle-Strand“

Ein männlicher dunkelhäutiger Kellner desinfiziert einen Tisch in einem Restaurant oder Café; im Hintergrund eine Kellnerin, die ebenfalls einen Tisch desinfiziert
Tische zu desinfizieren gehört seit über einem Jahr fest zu den Hygienekonzepten der Gastronomie. (Foto: ©Anatoliy/stock.adobe.com)
Die Rufe von Branchenverbänden und einzelnen Politikern nach Öffnungsperspektiven für das Gastgewerbe werden immer lauter. Angesichts des zunehmenden Infektionsgeschehens zieht die Regierung bei Lockerungen aber erneut die Bremse.
Donnerstag, 18.03.2021, 11:16 Uhr, Autor: Kristina Presser

Immer mehr Stimmen werden laut, Hotels über Ostern zu öffnen. Nachdem sich bereits Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ein Signal für den Osterurlaub gefordert hatten, spricht sich nun auch der niedersächsische Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Bernd Althusmann vor der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März 2021 für Öffnungen im Hotel- und Gastgewerbe über Ostern aus.

„Inzidenzwerte haben ihre Berechtigung verloren“

Der „Bild“ sagte Althusmann nun, mit einer „klugen Test- und Testapp-Strategie“ sollte eine Erholung im eigenen Land möglich sein. „Die Hotellerie hat ausgefeilte Hygiene-Konzepte, die ein Höchstmaß an Sicherheit bieten.“ Zugleich müsse alles getan werden, um das steigende Infektionsgeschehen im Griff zu behalten. Althusmann regte Öffnungen bis zu einer Auslastung von maximal 60 Prozent an. Mit seiner Forderung geht er unter anderem auf Gegenkurs zu Bayern und Sachsen. Deren Landesregierungen lehnen Öffnungen über Ostern ab.

Der rheinland-pfälzische Dehoga-Präsident Gereon Haumann machte deutlich, dass die Politik überholte Kriterien wie die Inzidenz über Bord werfen müsse, um „Dauer-Lockdowns“ zu verhindern. „Die Politik hat mehrmals auf allen Ebenen erklärt, dass die Betriebe des Gastgewerbes nicht geschlossen wurden, weil sie unsicher sind, sondern dass man damit Mobilität eingrenzen wollte.“ Wenn die Mobilität das Grundübel für das Infektionsgeschehen sei, sei für keinen Menschen in Deutschland nachvollziehbar, dass man die Osterurlauber auf die Balearen treibe und gleichzeitig die deutschen Hotels geschlossen lasse, sagte Haumann. „Das Moselufer ist sicherer als der Malle-Strand.“

Angesichts des bevorstehenden Corona-Gipfels forderte der rheinland-pfälzische Dehoga-Präsident die Politiker auf, sich vom Corona-Inzidenzwert als Hauptkriterium für das weitere Handeln zu verabschieden. „Die Inzidenzwerte haben ihre Berechtigung verloren, ihre Mindesthaltbarkeit ist überschritten“, sagte Naumann. Die Inzidenzwerte hätten das Ziel gehabt, Infektionsketten nachvollziehbar machen, um eine Ausbreitung der Pandemie und damit eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern, sagte Haumann. Diese Gefährdung des Gesundheitswesens sei mit Blick auf die Lage in den Kliniken und die Intensivstationen „weder gegeben noch zu befürchten“.

Ein Paradigmenwechsel muss her

Die Inzidenzwerte müsste man stattdessen ersetzen durch Kriterien wie Impfquote, Testquote und vor allem durch den Blick auf die Auslastung der Intensivbetten, forderte Haumann. Es sei klar, dass bei mehr Tests auch mehr Infektionen festgestellt würden. Die Infektionsgefahr ändere sich dadurch nicht, es träten einfach mehr Fälle zutage. Solange die Politik an dem nicht mehr anwendbaren Kriterium der Inzidenz festhalte, „werden wir zwangsläufig in Dauer-Lockdowns kommen“, sagte er. „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel.“ Mit Blick auf diesen Montag forderte der Dehoga-Präsident außerdem, die „mehrmals versprochene Öffnung der Außengastronomie unbedingt umzusetzen“.

Dass sich die Entscheidungen der Politik nicht mehr nur am Inzidenzwert festmachen lassen dürfe, davon ist auch der Hauptgeschäftsführer des saarländischen Dehoga, Frank C. Hohrath, überzeugt. „Es muss ein verlässlicher Wert her, der auch andere Faktoren wie die Belegungsrate in Krankenhäusern oder die Positivrate bei Tests mit in den Blick nimmt“, sagte er.

Zunächst keine weiteren Öffnungen

Das dürfte jedoch schwieriger werden als zunächst gehofft. Die Bundesregierung hat die Länder angesichts der deutlich steigenden Corona-Zahlen dazu aufgefordert, die beschlossene „Corona-Notbremse“ einzuhalten und bestehende Lockdown-Bestimmungen gegebenenfalls wieder zu verschärfen. Laut Bund-Länder-Beschluss vom 3. März 2021 bedeutet das: Ab 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tage greifen wieder härtere Lockdown-Regeln.

Auch Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther machte bereits deutlich, dass es angesichts der Infektionslage zunächst keine Öffnungen, beispielsweise im Handel, geben werde. Wie es in den Hotels und Gaststätten weitergehen wird, will die Regierung nach der Ministerpräsidentenkonferenz entscheiden. „Wir müssen in dieser Situation weiter vorsichtig sein“, sagte Günther. Noch Anfang März hatte er im Landtag erklärt, „wenn wir nicht über 100 (Inzidenz – Anm. d. Red.) gehen, werden wir in Schleswig-Holstein Außengastronomie ermöglichen“. Dass dies nun doch nicht passiert, begründete Günther mit Verabredungen der Bund-Länder-Runde. Der Norden sei in einigen Regionen nicht weit weg von der Marke 100. Dagegen verwies Günther auf den Stufenplan, der bei entsprechendem Infektionsgeschehen auch eine Rücknahme von Öffnungsschritten beinhaltet. Dieser Stufenplan habe sich bewährt
(dpa/lrs/lno/KP)

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