Branchenimage verbessern ist oberste Devise
Gerade in Bayern hat das Gastgewerbe einen wichtigen Stellenwert. Welchen Einfluss haben Gastronomie und Hotellerie auf die Lebensqualität?
Unser bayerischer Ministerpräsident spricht ja von Bayern immer als die Vorstufe des Paradieses. Wenn man sich dann mal fragt, warum dies so ist, kommt man ganz schnell auf das Gastgewerbe. Es trägt ganz klar maßgeblich zur Lebensqualität bei.
Einerseits sprechen harte Fakten für unsere Bedeutung: Jeder zwanzigste Erwerbstätige in Bayern ist im Gastgewerbe tätig, jeder zehnte Azubi wird hier ausgebildet, es gibt fast 40.000 Betriebe und wir machen einen Umsatz von knapp 16 Milliarden Euro, wodurch indirekt noch einmal rund 150.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.Andererseits haben wir eine in meinen Augen unglaublich wichtige gesellschaftliche Funktion. Gerade im ländlichen Raum ist die Hotellerie und Gastronomie das Rückgrat der Wirtschaft und schafft dort mehr Arbeitsplätze als jeder andere Sektor. Kein anderer Sektor schafft dort mehr Arbeitsplätze. Außerdem gäbe es ohne Gastgewerbe keinen Tourismus. Ganz abgesehen davon, dass unsere Branche einen riesigen Anteil bei der Integration von Flüchtlingen leistet.
Wir haben eine Studie durchgeführt mit dem Titel „Stirbt das Wirtshaus, stirbt das Dorf“. Das Wirtshaus im Dorf bietet weit mehr als Speis und Trank, es ist ein sozialer Treffpunkt und oft der Mittelpunkt von Gemeinden. Gerade hier, im kleinen ländlichen Gasthof, liegt ja der bayerische Charme versteckt und eben nicht im Fast-Food-Laden in der Großstadt. Hier erfährt der Tourist noch traditionelle bayerische Gastlichkeit, die einen großen Teil der Lebensqualität der Menschen hier ausmacht.
Sie setzen sich stark für eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Gastronomen auf sieben Prozent ein. Laut Bundesfinanzminister Schäuble sei diese aber nicht umsetzbar. Wie schätzen sie die Chancen für einen Erfolg ein?
Ich denke grundsätzlich positiv. Wir haben gute Sachargumente, die überzeugen. In der Hotellerie hatten wir ja bereits Erfolg, warum dann nicht auch in der Gastronomie?! Das Problem ist, dass mit der pauschalen Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent in der gesamten Gastronomie, eine einzelne Branche zu sehr bevorzugt werden würde, auch wenn es berechtigte Gründe dafür gibt. Das würde unweigerlich zu Neid und Missgunst führen.
Realistischer und zwingend notwendig ist, dass man gleiche Steuern für Essen jeder Art einführt. Schließlich wollen wir das ruhige Essen im Restaurant fördern. Wenn Essen to go mit sieben Prozent besteuert wird, warum dann nicht auch das Essen im Lokal? Mehrweggeschirr bei Buffets wird mit 19 Prozent versteuert, Einweg- und Plastikgeschirr nur mit sieben Prozent. Genauso verhält es sich mit frischem und abgepacktem Salat aus dem Plastikkübel. Momentan wird also genau das gefördert, was wir eigentlich nicht wollen, nämlich das schnelle Essen unterwegs, während die Gastronomie draufzahlt. Erschwerend kommt ja noch hinzu, dass ein kleiner Straßenverkauf, der ohnehin schon steuerlich begünstigt ist, viel weniger Personalkosten aufbringen muss als ein klassisches Restaurant. Unser Ansatz ist daher: Es muss gleiche Steuern für Essen geben. Das sind natürlich keine einfachen Aufgaben, allerdings werden wir alles dafür tun, um hier faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen.
Vor ca. drei Jahren gab es bereits die Initiative der BUHL Gruppe „7 statt 19 % auf alle Speisen“. Über 80.000 Befürworter hatten sich angeschlossen. Wie der Redaktion des HOGAPAGE Magazins zugetragen wurde, hatte der DEHOGA Bundesverband damals jedoch eine Empfehlung an all seine Landesverbände ausgesprochen, die Petition nicht zu unterstützen. Nur der DEHOGA Bayern unterstützte die Initiative tatkräftig. Warum nun doch der Sinneswandel beim DEHOGA Bundesverband, wenn man bereits eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes hätte erreichen können?
Ich kann nur sagen, ich bin sehr froh, dass wir nun alle gemeinsam für dieses wichtige Ziel kämpfen. Denn wenn nicht alle Bundesländer an einem Strang ziehen und vor allem auch branchenübergreifend zusammenarbeiten, wird es enorm schwierig, etwas zu erreichen.
Wie sehen sie die Zukunft der deutschen Gastronomie, wenn es keine Änderung des Mehrwertsteuersatzes geben wird?
Hier sehe ich hauptsächlich zwei Probleme auf uns zukommen. Vor allem werden wir eine deutliche Abnahme des gastronomischen Angebots verzeichnen, insbesondere im ländlichen Raum – die negativen Auswirkungen wären immens. Zudem wird es eine spürbare Zunahme von Betrieben innerhalb der Systemgastronomie geben. Diese werden sich aber natürlich nur an stark frequentierten Standorten niederlassen, nämlich in den größeren Städten oder an Autobahnabfahrten. Auch Aldi und andere Ketten fangen bereits an Bistros und Lokale zu eröffnen. Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir das, was Bayern wirklich ausmacht, nicht zerstören. Damit würde das typisch bayerische Lebensgefühl verloren gehen – und schließlich kommen die Touristen, aber auch die Bayern selber, genau deshalb so gern in den Freistaat Bayern.
Welche anderen Maßnahmen können zur Verbesserung der derzeitigen Situation im Gastgewerbe durchgeführt werden?
Unsere oberste Devise lautet: Verbesserung des Branchenimages. Das bedeutet natürlich, dass wir unsere Systemrelevanz darstellen müssen. Für viele Menschen sind die gastronomischen Dienstleistungen selbstverständlich. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass das Gastgewerbe ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, eine Leitökonomie für Bayern ist. Ohne Gastgewerbe würde die Welt nämlich ziemlich dunkel aussehen, das müssen wir den Leuten vermitteln. Natürlich können wir das Image nur verbessern, wenn wir auch faire Wettbewerbsbedingungen schaffen. Dazu gehört auch, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das wieder mehr Raum für selbstverantwortliches Handeln zulässt. Das gilt vor allem für die Flexibilisierung der Arbeitszeit auf eine Wochenhöchstarbeitszeit. Ich möchte betonen, dass es hier nicht um unbezahlte Mehrarbeit oder Verstöße gegen den Arbeitsschutz geht. Nein! Es geht darum Mitarbeiter flexibel und situationsgerecht einsetzen zu können. Das wollen sowohl die Arbeitgeber, als auch die Arbeitnehmer. Desweiteren ist der Bürokratieabbau sehr wichtig, da die Wirte mittlerweile unzählige Dokumentationspflichten haben.
In diesem Punkt konnten wir bereits erste Erfolge erzielen, denn seit Kurzem gibt es in der bayerischen Staatsregierung einen Bürokratiebeauftragten. Der Landtagsabgeordnete Walter Nussel hat bereits verkündet, dass er sich drei Schwerpunkten widmen wird: Brandschutz, Gaststättenrecht und Landwirtschaft. Hier erhoffen wir uns eine klare Verbesserung der Arbeitsbedingungen hinsichtlich der zahllosen Dokumentationspflichten. Eine Umfrage zeigt, dass Wirte rund 13 Stunden pro Woche mit ihrer Dokumentation verbringen. Klar, ein Großbetrieb kann vielleicht extra jemanden dafür einstellen, aber was sollen denn die kleinen Familienbetriebe machen. Hier bleibt definitiv die Gastlichkeit auf der Strecke.
Haben sie konkretes Feedback von Gastronomen – egal ob Großbetrieb oder kleines Familienunternehmen – wie diese zum Punkt Änderung des Arbeitszeitgesetzes stehen?
Neben der Arbeitszeitkampagne des DEHOGA Bundesverbandes haben wir noch eine branchenübergreifende Kampagne über die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft laufen. Hier sind 32 Arbeitgeberverbände involviert. Diese Kampagne ist darauf ausgelegt, dass eben nicht der Arbeitgeber im Mittelpunkt steht, sondern der Arbeitnehmer. Hier kommen ausschließlich echte Arbeitnehmer mit ihren Antworten auf die Frage, „Wie möchte ich arbeiten?“, zu Wort. Jedem der an der Sinnhaftigkeit dieser Kampagne zweifelt kann ich nur sagen: Bitte fragen Sie den Arbeitnehmer, was er möchte. In den meisten Fällen wird er sich für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes aussprechen. Schließlich geht es wie bereits erwähnt nicht darum mehr zu arbeiten, sondern sich einfach der Realität anzupassen.
Welche Ziele haben Sie sich hinsichtlich Ihrer Verbandsarbeit persönlich für die kommenden fünf Jahre gesetzt?
Alles was ich mache dient dazu, Antworten auf die Frage „Was macht die Branche sicher für die Zukunft?“ zu finden. Wir haben hier beim DEHOGA Bayern einen Gesamtplan bis 2020. Der zentrale Punkt dieses Plans ist, die Branche fit für die Zukunft zu machen. Natürlich kommen jeden Tag neue Punkte auf, die zu diesem Ziel beitragen können. Aber ich glaube, es ist wichtig gemeinsam an den wichtigsten Kernpunkten wie Arbeitszeitgesetz, Senkung des Mehrwertsteuersatzes, faire Wettbewerbsbedingungen und Entbürokratisierung zu arbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass wir bis 2020 ein gutes Stück vorankommen und das Gastgewerbe stabilisieren können. (MJ)
Über Dr. Thomas Geppert
Dr. Thomas Geppert ist seit 1. August Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern. 1981 in Marktredwitz geboren, studierte Geppert nach seinem Abitur Politikwissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, wobei er die Studienschwerpunkte Finanzwissenschaft, Internationale und Europäische Politik sowie Politische Systeme wählte. Im Rahmen seines Studiums arbeitete er u.a. sowohl für das Büro des Bundestagsabgeordneten Dr. Hans-Peter Friedrich im Deutschen Bundestag, als auch im Brüsseler Büro des Europaabgeordneten Dr. Joachim Wuermeling im Europäischen Parlament. Nach seiner Promotion war er Landesgeschäftsführer des bayerischen Verbandes der privaten Wohnungs- und Immobilienunternehmer.