„Digitalisierung ist das Grundbedürfnis unserer Gäste“
„Uphill Battle Corona“ war das Motto des dritten digitalen Salzburg Summit Talk am 13. Januar, bei dem Otto Lindner (Vorstand der Lindner Hotels und IHA-Vorsitzender), Elisabeth Köstinger (Österreichs Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus) sowie Andreas Bierwirth (CEO Magenta Telekom) und Matthias Winkler (Geschäftsführer Sacher Group) über den Umgang stark betroffener Branchen mit Covid-19 diskutierten – und eine Zukunftsprognose wagten.
Umsatzerstattung – in Österreich top, in Deutschland Flop?
Die derzeitige Situation ist dramatisch: 70 bis 80 Prozent Einbruch bei den Ankünften weltweit. „So etwas hat es in der Form noch nie gegeben. Das zeigt deutlich, in welcher verzweifelten Situation sich die Branche derzeit befindet“, so Lindner. „Es gibt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Hotellerie- und Gastronomieverbandes, in der sich sehr viele Kollegen geäußert haben. Wir gehen im Augenblick davon aus, dass drei Viertel der deutschen Hotels und Gaststätten insolvenzgefährdet sind.“ Als Gründe dafür führt der Vorstand der Lindner Hotels, die Monate ohne Umsatz, das Beherbergungsverbot in den Herbstferien, aber auch die schleppende Auszahlung der Hilfsgelder an: „Erschwerend kommt hinzu, dass die sogenannte Novemberhilfe, die uns versprochen wurde – die laut Bundeswirtschaftsministers Peter Altmeier und Finanzminister Olaf Scholz ‚großzügig, schnell und unbürokratisch‘ sein sollte, so nicht funktioniert. Wir haben jetzt Mitte Januar 10.000 Euro an Abschlagszahlungen bekommen – von 75 Prozent Umsatzersatz, den wir für November erhalten sollten. Das ist einer Größenordnung im knapp zweistelligen Millionen-Bereich.“
„In Österreich hat der Umsatzersatz ganz anders funktioniert“, erklärt Matthias Winkler. „Die Bundesregierung ist ausgeritten mit der Information und sie kam zum richtigen Zeitpunkt und sie war großzügig. Wir haben an einem Freitag angesucht und am Freitag drauf war es überwiesen und auf unseren Konten.“ Dennoch scheint auch in Österreich nicht alles glatt zu laufen, denn im Live-Chat melden sich Hoteliers zu Wort, bei denen der Umsatzersatz auch noch auf sich warten lässt. Bundesministerin Köstinger weist jedoch darauf hin, dass es sich dabei lediglich um einen geringen Teil der Betriebe handelt.
„Es ist nicht nur diese reine 7-Tage-Inzidenz“
Wann wieder mit einem normalen Betrieb zu rechnen ist, steht in beiden Ländern noch in den Sternen. In Deutschland hängt alles davon ab, dass die 7-Tage-Inzidenz unter 50 fällt. In Österreich spielen mehr Faktoren eine Rolle: „Wir haben uns dazu entscheiden, speziell die Auslastung im Gesundheitssystem, die Intensivbettenkapazität, aber auch die Anzahl der Tests in die Überlegungen miteinfließen zu lassen. Es ist nicht nur diese reine 7-Tage-Inzidenz. Wenn wir zum Sommer zurückblicken, hatten wir ein fast leeres Gesundheitssystem, weil die meisten Infizierten damals junge Menschen waren. Das Virus hat sich in den letzten Monaten ja auch verändert, hinzu kommt der Winter und der Aufenthalt in Innenräumen. Das sind alles unterschiedliche Faktoren, die wir miteinbeziehen müssen.“
Auch Andreas Bierwirth, der als Deutscher in Österreich lebt, sieht den Wert von 50 kritisch: „Ich glaube, dass sich die Politik damit sehr stark eingefroren hat. Es ist ein Ritt auf Messers Schneide, das Gesundheitssystem einerseits nicht zu überlasten, andererseits so viel Wirtschaft und Bildung wie möglich wieder zu öffnen.“ „Diese ständigen Verschärfungen und Lockerungen zeigen ja auch diese permanente Abwägung“, ergänzt der Geschäftsführer der Sacher Group. „Ich halte das zwar für einen wahnsinnig nervenaufreibenden Prozess, aber er ist letztendlich besser als jetzt eine Prognose über zwei bis drei Monate abzugeben und zu sagen, wir schließen bis April und sperren dann wieder auf. So entstünde ein noch viel größerer Schaden.“
„Wir haben eine sehr gute touristische Infrastruktur“
Dennoch sei es zumindest aus deutscher Sicht wahrscheinlich, dass sich sowohl der deutsche als auch der österreichische Markt schnell erholen, so Lindner. „Der Inlandstourismus hat uns in den wenigen Monaten – Juli bis September – sehr stark getragen. Wir haben eine sehr gute touristische Infrastruktur, wir haben ein stabiles Gesundheitssystem, gutes Image, gutes Krisenmanagement, eine gute Anbindung und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Das spricht dafür, dass wir hier eine gute Chance haben aus der Krise rauszukommen.“ Zudem rechne er mit einer hohen Reisebereitschaft: „Umfragen zeigen, dass 60 Prozent vorhaben innerhalb der ersten 6 Monate wieder zu reisen. Das hängt natürlich enorm davon ab, wie weit wir durchgeimpft sind und ob das Reisen ohne Restriktionen möglich ist. Aber ich glaube, dass wir sehr schnell zu liebgewonnen Gewohnheiten zurückkehren werden.“ Auch Bierwirth erwartet für den privaten Markt eine schnelle Erholung: „Jeder von uns will wieder Reisen und Freunde und Familie sehen“, ist er sich sicher.
„Die Gäste werden von uns als Hoteliers fordern, dass wir alle geimpft sind“
Zunächst geht es aber vor allem ums Testen, Tracen und Impfen. „Das, was schwierig ist aktuell, ist die Beschaffung des Impfstoffes und das Verimpfen – der aktuelle Impfstoff ist sehr sensibel, muss gekühlt werden, muss sehr schnell verimpft werden. Aber auch hier wird es Verbesserungen geben – vor allem mit der Zulassung von AstraZeneca, die ja jetzt erwartet wird, wird natürlich auch das durchimpfen der Bevölkerung ganz zentral werden.“
Dass es dann auch Vorteile für geimpfte Personen geben wird, ist für Matthias Winkler selbstverständlich: „Mir ist wohlbewusst, dass ich damit vielleicht etwas gegen den Strom schwimme, aber für mich ist die Diskussion längst ad absurdum geführt“, erklärt er. „Die großen Fluglinien sagen, es gibt keine Langstreckenflüge, wenn man nicht getestet oder geimpft ist und da wird es Apps geben, wo diese Informationen digital verfügbar sind.“ Winkler geht zudem davon aus, dass Impfungen gerade bei internationalen Häusern Grundbedingung werden. „Die Gäste werden von uns als Hoteliers fordern, dass wir alle geimpft sind und das maximale Sicherheitssystem gewährleisten können. Unsere Gäste werden es auch voneinander wollen, sodass sie das maximale Maß an Sicherheit haben.“ Die Sacher Group lege daher auch Wert darauf, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen so schnell wie möglich geimpft würden.
„Müssen die hohen Hygiene-Standards besser kommunizieren“
Lindner ist jedoch sicher, dass man eben diese Sicherheitsmaßnahmen auch richtig Kommunizieren muss: „Wir müssen nicht nur ein digitales Konzept vorlegen, sondern auch die Instrumente darstellen – wie etwa eine kostenfreie Stornierung, sodass unsere Gäste in einer Phase der hohen Unsicherheit bei uns ohne die Gefahr hoher Storno-Kosten buchen können. Und wir müssen letzten Endes auch die Hygienemaßnahmen verschärfen beziehungsweise die eh schon sehr hohen Standards besser kommunizieren, um das Vertrauen und auch die Loyalität unserer Kunden zu bekommen“, erklärt der IHA-Vorsitzende. „Das fängt an mit einem Hygiene-Aufkleber an der Tür bis hin zu einer eingepackten Fernbedienung.“
„Freies WLAN und die gratis Flasche Wasser auf dem Zimmer waren mal“
Hotellerie, Gastronomie, aber auch die Veranstaltungsbranche werden allerdings nach der Pandemie nicht mehr so sein wie zu vor. Einerseits, da ist sich Otto Lindner sicher, werden nach der Krise weiterhin nachhaltige Hotels gefragt sein. „Das ist ein Megatrend der sich schon seit einigen Jahren hält. Die Generation Z und weitere nachwachsende Generationen zeigen, dass das Thema weiterhin wichtig sein wird“, erklärt er. Andererseits wird das Thema Digitalisierung die Branche weiter beschäftigen. „Freies WLAN und die gratis Flasche Wasser auf dem Zimmer waren mal. Digitalisierung ist das Grundbedürfnis unserer Gäste. Sie wollen digital reservieren, digital einchecken, sie wollen digital zu ihrem Zimmer gehen und nicht mehr an die Rezeption müssen – und das ganze personalisiert und einfach“, so der Lindner-Vorstand. „Ich sehe Digitalisierung auch als ein Schlüsselinstrument der Zukunft, denn sie gibt uns neue Möglichkeiten. Während der Gast bei uns im Hotel ist, habe ich persönlich mit ihm zu tun, aber mit der Digitalisierung kann ich dieselbe persönliche Beziehung digital aufbauen – bevor er kommt und nachdem er da war“, stimmt ihm Matthias Winkler zu.
„Ideen die vor einem Jahr noch absurd waren, sind nun State of the Art“
Doch die zunehmende Digitalisierung wird deutlich mehr Einfluss auf das Gastgewerbe haben. „Wir haben eine Stoßgeburt der Digitalisierung erlebt und das führt natürlich dazu, dass Ideen die vor einem Jahr noch absurd waren, wie Videokonferenzen im großen Stil durchzuführen, mittlerweile State of the Art geworden sind und ich glaube, dass die Digitalisierung im Tourismus, im Geschäftsreisebereich massive Implikationen haben wird. Ich rechne damit und wir sehen das auch bei den Reisebudgets unseres Konzerns, die halbiert wurden, dass es keinen Grund mehr für Geschäftsreisen gibt“, erklärt Bierwirth. Auch Kongresse und Messen würden anders zurückkommen, ist er sich sicher: „Ich bin überzeugt, dass hybride Modelle demnächst State oft the Art sind. Das heißt, der Kongress findet statt, wird aber gleichzeitig in einer virtuellen Welt übertragen. Dadurch bietet sich die Möglichkeit, dass sich Menschen aus der Ferne bei einem Kongress, den sie sonst vielleicht gar nicht besucht hätte, einloggen und das wird dann aber auch in Wien plötzlich Referenten bekommen, die beispielsweise aus Harvard kommen und die man sich gar nicht hätte leisten können, aber für einen einstündigen Vortrag geht das. Messeveranstalter, die auf den digitalen Zug aufspringen, werden also zu den Gewinnern gehören. Von daher: Innovation fördern.“
„Low cost Airlines werden boomen“
Das hätte natürlich auch großen Einfluss auf die Fluggesellschaften. „Low cost Airlines, die ja eher im Bereich der Privatreisen unterwegs sind, werden schnell wieder da sein – die werden boomen“, ist sich Bierwirth sicher. „Während bei klassischen Netzairlines die gesamte Profitabilität von Geschäftsreisenden abhängt. Da wird es Jahre dauern, bis die wieder auf das alte Niveau kommen – mit entsprechenden Wettbewerbsverzerrungen oder Kraftveränderungen untereinander. Von daher glaube ich überhaupt nicht, dass nach dieser Zeit die alte Welt trotz aller Hilfen die neue sein wird. Nur Österreich sitzt gewissermaßen auf der Sonnenseite, weil wir Gott sei Dank eher vom Privattourismusbereich getrieben sind, der tendenziell schneller zurückkommt.“
„Wir müssen in Zukunft stärker Erlebnisse vermitteln“
Um sich im Bereich des Privattourismus durchsetzen zu können, führt für Lindner jedoch kein Weg an „Hotels mit Ideen“ vorbei. „Wien hat zum Beispiel eine Vielzahl sehr schöner Hotels in diese Richtung. Das Sacher macht das als Themenhotel ja über lange, lange Jahre schon vor. Aber auch wenn ich an das 25hours denke oder die me&all Hotels, mit denen wir versuchen, das Wohnzimmer der Stadt zu werden, oder die Themenhotels, die wir bei Lindner betreiben. Wir haben in Hamburg das erste Tierpark-Themen-Hotel der Welt. Wir sind am Nürburgring mit einem Motorsport-Hotel und leben da den Enthusiasmus der Motorsportler. Das sind keine auswechselbaren Produkte, sondern einzigartige Konzepte und das ist etwas, was wir in Zukunft stärker vermitteln müssen – weil Übernachten an sich ist langweilig. Wie müssen einen Mehrwert produzieren, dass die Gäste auch Lust haben in so ein Hotel zu reisen.“
(Salzburg Summit Talk/NZ)