Die Besten der Besten: World’s 50 Best Restaurants mit neuen Ideen
Jedes Jahr wieder melden sich Journalisten zu Wort, die die Veranstaltung als bestenfalls halb gekauft und schlimmstenfalls als immer das Gleiche bewerten. In diesem Jahr wurde die prestigeträchtige Veranstaltung auch außerhalb der Fachpresse wahrgenommen und als kontrovers tituliert. Warum? Weil nicht die Hälfte der gelisteten Restaurants von Frauen geführt werden. Dass Sponsoren wichtig sind und Parität in der Restaurantbranche genauso wenig herrscht wie beispielsweise bei der Feuerwehr – geschenkt. Denn tatsächlich haben sich die World’s 50 Best über Nacht fast neu erfunden.
- Die 1.040 Entscheider sind nun zur Hälfte Frauen.
- Dank einer Neuregelung tummeln sich nicht mehr die üblichen Verdächtigen an der Spitze. Jede Nummer 1 wandert automatisch in einen Club der Sonderklasse genannt Best of the Best.
Dieses Jahr wurden die World’s 50 Best erstmals in Asien veranstaltet. Singapur, bekannt für bahnbrechende Architektur mit über 40 Prozent Grünfläche im Stadtgebiet ebenso wie für die enorme Bandbreite im kulinarischen Angebot, war der perfekte Austragungsort. Was ihnen aktuell nur fehlt, ist ein Dreisterner, aber das Raffles Hotel hat sich gerade neu aufgestellt…. (dazu mehr im langen Reisebericht in der nächsten Hogapage).
In den Tagen vor dem Event machten die mittlerweile in der Best-of-the-Best-Kategorie angekommenen Köche wie Daniel Humm (11 Madison Park, New York), Joan Roca (El Celler de Can Roca, Giron) und Massimo Bottura (Osteria Francescana, Modena) in Podiumsdiskussionen deutlich, wo sie ihre neuen Aufgaben sehen… in der Nachwuchsförderung, im Fokus auf Nachhaltigkeit, im verbesserten Küchenklima.
„W50Best ideal zur Vernetzung“
Alain Passard gewann mit Platz 8 für sein Restaurant Arpège nicht nur einen Platz unter den begehrten Top 10, sondern nach dem Lifetime Award in diesem Jahr auch den Kollegenpreis Chef’s Choice Award, was ihn doch ein bisschen verlegen machte. „Ich bin Koch“, sagt er „ich bin Künstler“, sagt er auch und listet im Gespräch dann noch schnell seine saisonalen Favoriten auf, die er am liebsten frühmorgens selbst aus der Erde zieht: Im Frühling Erbschen, im Sommer Aubergine, im Herbst Kastanie, im Winter Lauch. Vielleicht überraschenderweise liebt er, sagt er, vegane Küche, genau wegen der Strenge, die einem diese Küche auferlegt. Sein französischer Stil zwischen Landedelmann und bon vivant passt zu dieser Veranstaltung perfekt, während Billy Wagner seinem Typ entsprechend ein bisschen wild daherkam. Vor drei Jahren noch gar nicht gelistet, sauste er im Schnelltempo unter die Top 120, bot sich sofort an, nach der Veranstaltung einige Gänge für die Kollegen zuzubereiten und verteilte seine Visitenkarte nebst als „Einhorn“ passend tituliertem horizontal einzusetzendem Goody an alle. Wirklich an alle. Und warum auch nicht? „Für Nobelhart & Schmutzig sind die W50Best ideal zur Vernetzung. Ich rede hier mit jedem, denn die internationale Wahrnehmung brauchen wir. Haben wir sie erstmal in Deutschland, kommen sie auch nach Berlin und hoffentlich zu uns.“ Die Bedeutung der W50Best als Werbeinstrument sieht auch Thomas Ruhl, der lange Zeit Chair in Deutschland war (jetzt Chefsache/Port Culinaire): „Die Michelin-Sterne sind enorm wichtig, aber ihre Reichweite ist auf das Inland beschränkt. Die W50Best erschließen hingegen den internationalen Markt und bringen internationale Gäste.“
Interessanterweise kam die neue Regelung der Best of the Best bei allen Köchen, mit denen wir sprechen konnten, ausschließlich positiv an. Für die etablierten Köche nimmt sie den Druck raus. Und für die neuen Restaurants ebnet sich der Weg nach oben, das findet Billy Wagner ebenso wie Alain Passard, dessen Zögling („erst war ich Lehrer, jetzt bin ich Schüler“) Mauro Colagreco (Mirazur, Menton) die neue Nummer 1 ist.
Auch ein deutsches Restaurant unter den World’s 50 Best
Dass Köche noch andere Aufgaben oder Verantwortung haben, machte José Andrés (Bazaar, USA) deutlich. Er erhielt den von Amex gesponserten Icon Award für sein Engagement als Koch in der World Central Kitchen, einer NGO, die sich um Menschen kümmert, deren Lebensgrundlage durch Naturkatastrophen zerstört wurde.
Die neue beste Köchin Daniela Soto-Innes (Cosme, New York) verlor auf der Bühne kurzzeitig die Fassung vor Freude und Stolz. Auf Tim Raue ist Verlass (Nr. 40). Bestes deutschsprachiges Restaurant ist wieder das Steirereck in Wien, dieses Jahr auf Rang 17. Und die zwei Londoner Teams (The Clove Club, Nr. 27/ Lyle’s, Nr. 33) feierten nicht nur sich selbst – die Autorin weiß das, weil sie mitten in der unterhaltsam beschwipsten Truppe saß. Sie feierten jeden, den sie gut finden, mit standing ovations und Pfiffen der Begeisterung. Um den Brexit wollten sie sich dann als nächstes kümmern …