Biofach Kongress 2024 stellt Frauen und die Zukunft der Ernährung in den Fokus
„Wenn es darum geht, die Zukunft der Lebensmittel zu gestalten, spielt Bio bereits eine Vorreiterrolle", sagt Tina Andres, Vorstandsvorsitzende des Bio-Spitzenverbandes BÖLW.
Sie ergänzt: "Dennoch herrscht in vielen landwirtschaftlichen Sektoren immer noch ‚business as usual‘ vor, was unsere Fähigkeit, künftige Generationen zu ernähren, beeinträchtigt. Der ökologische Landbau hat das Blatt gewendet. Das gilt auch für Frauen. Wir sehen immer mehr Frauen, die strategische, ganzheitliche, wirtschaftliche Lösungen entlang der ökologischen Wertschöpfungskette entwickeln, um den dringend notwendigen gesellschaftlichen, politischen und generationenübergreifenden Wandel anzugehen. Wir wollen Frauen in der Lebensmittel- und Landwirtschaft sichtbar machen. Frauen, die unabhängig und unverzichtbar sind als Change Agents, Leistungsträgerinnen und Vorbilder.“
Biofach Kongress lädt zum Perspektivwechsel ein
„Die Zukunft ist weiblich“, ist Tina Andres überzeugt. "Hochmotivierte und kreative Frauen verändern die Zukunft von Ernährung und Landwirtschaft nachhaltig. Überall auf der Welt durchbrechen Frauen mutig und entschlossen gläserne Decken und entwickeln nachhaltige Innovationen, um die Landwirtschaft vom Feld bis auf den Teller zu verbessern. Frauen bauen integrative Teams auf, die eine Vielzahl von Standpunkten in die Entscheidungsfindung einbringen, was letztlich unsere Erfolgschancen für die Menschen und den Planeten erhöht – so wird die Bio-Branche die Talente anziehen, die sie braucht, um zukunftsfähig zu sein.“
Steffen Waris, Veranstaltungsleitung Biofach und Vivaness, ergänzt: „Beim diesjährigen Kongressschwerpunkt geht es konkret darum, zu einem Perspektivwechsel einzuladen. Die Branche zeigt mit dem Thema auf, welche Kraft Geschlechtergerechtigkeit für eine nachhaltige Zukunft dieses Planeten hat, und welchen positiven Impact. Frauen sind dabei eine treibende Kraft und im Sinne der Geschlechtergleichheit, die gleichzeitig eines der Nachhaltigkeitsziele der vereinten Nationen darstellt (SDG No. 5), gilt es für uns, alle Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit geschlechter-übergreifend und gemeinsam zu schaffen!“
Die Landwirtschaft neu denken, die Wirtschaft überdenken
Kate Raworth stellte die konventionellen Wirtschaftstheorien mit einem Doughnut in Frage. Die „abtrünnige Ökonomin“ hat das Konzept der Befriedigung der Lebensbedürfnisse innerhalb der planetarischen Grenzen auf das menschliche Wohlbefinden ausgeweitet. Die Doughnut-Ökonomie will ermutigen, vom Konzept des endlosen Wachstums abzurücken und zu einer Wirtschaft überzugehen, die regenerativ und verteilungsorientiert ist.
Das Ziel ist es, einen sicheren und gerechten Arbeitsraum für alle zu schaffen. So schreibt Kate Raworth: „Eine Studie über alle 50 US-Bundesstaaten ergab, dass die Staaten, die sich durch große Machtunterschiede in Bezug auf Einkommen und ethnische Zugehörigkeit auszeichnen, eine schwächere Umweltpolitik betreiben und eine stärkere Umweltzerstörung aufweisen. Darüber hinaus ergab eine Studie in über 50 Ländern, dass die biologische Vielfalt einer Landschaft umso eher bedroht ist, je ungleicher ein Land ist.“
Da die Agrar- und Ernährungswirtschaft ein wichtiger Arbeitgeber für Frauen und Männer ist, hätte ihre nachhaltige Umgestaltung weitreichende Auswirkungen. Sie würde es den Gemeinschaften ermöglichen, nicht nur zu überleben, sondern auch in der Zukunft zu gedeihen.
Um dies zu erreichen, müssten Frauen an den Entscheidungsprozessen beteiligt werden, damit der Sektor von ihren Erkenntnissen und ihrem Fachwissen profitiert. Hier könne Bio der Zeit voraus sein, indem es das gesamte Potenzial der Frauen – von der Aufbewahrung des Saatguts über die Bewahrung des traditionellen landwirtschaftlichen Wissens bis hin zur Unternehmensführung – ausschöpft und gleichzeitig nach Fairness für alle strebt.
„Die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter kann positive Auswirkungen auf die dreifache Herausforderung der Lebensmittelsysteme haben“
Karen Mapusua, Präsidentin, IFOAM – Organics International, sagt: „Chancengleichheit ist nicht genug! Menschen haben unterschiedliche Ausgangspositionen, daher erfordern echte Eingliederung und Zugehörigkeit gleichberechtigte Maßnahmen. Gleichberechtigung erkennt an, dass jeder Mensch unterschiedliche Lebensumstände hat, und weist die richtigen Ressourcen und Chancen zu, die für ein gleiches Ergebnis erforderlich sind. Gleichberechtigung bedeutet, allen die gleiche Leiter zu geben, um die Mangos in der Spitze eines Baumes zu pflücken. Gleichheit bedeutet, dass wir erkennen, dass wir nicht alle dieselbe Leiter benutzen können, und dass wir jedem unterschiedliche Mittel an die Hand geben, um die Spitze auf seine eigene Weise zu erreichen.“
Die OECD weist darauf hin, dass „die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter positive Auswirkungen auf die dreifache Herausforderung der Lebensmittelsysteme haben kann, die darin besteht, Ernährungssicherheit und Ernährung für eine wachsende Bevölkerung zu gewährleisten, den Lebensunterhalt von Millionen von Menschen zu sichern, die in der Lebensmittelversorgungskette arbeiten, und dies auf umweltverträgliche Weise zu tun“1. Dies bedeute, dass Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die historischen, kulturellen und sozialen Nachteile auszugleichen, die Frauen und Männer daran hinderten, unter gleichen Bedingungen zu arbeiten.
Das US-Außenministerium hebt hervor, wie die Zukunft mit mehr Vielfalt und Integration aussehen könnte: "Studien haben gezeigt, dass Unternehmen mit einer ausgewogenen Geschlechterverteilung in der Führung sich stärker für nachhaltige Geschäftspraktiken einsetzen. Eine solche Studie, in der mehr als 11.700 Unternehmen befragt wurden, ergab, dass ein Frauenanteil von mindestens 30 Prozent in den Vorständen der Unternehmen die Klimagovernance verbessert und die Wachstumsraten der Emissionen verringert.“2
Frauen in der Bio-Branche – Was sagen die Daten?
„Zwar ist erhoben, dass es über 3,7 Millionen Produzenten gibt, die in 191 Ländern auf mehr als 76 Millionen Hektar ökologisch wirtschaften. Dennoch haben wir keine nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten. Diese Informationen würden es den Entscheidungsträgern ermöglichen, gerechte politische Maßnahmen zu entwickeln, um die Lebensbedingungen der Bio-Bauern überall zu verbessern“, sagt Tina Andres, BÖLW.
Sie ergänzt: „Auch die Wirtschaft hat hier eine Rolle zu spielen, indem sie eine integrative Unternehmenskultur schafft und pflegt, um die nächste Generation von Talenten anzuziehen und sicherzustellen, dass der ökologische Landbau einer der am schnellsten wachsenden Sektoren in der Landwirtschaft bleibt.“
Karen Mapusua, IFOAM, fügt hinzu: „Der ökologische Landbau spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung nachhaltiger Lebensmittelsysteme. Er kann auch eine führende Rolle dabei spielen, sicherzustellen, dass die Landwirtschaft integrativer wird und alle Formen der Vielfalt anerkennt und wertschätzt. Auf diese Weise können wir sicherstellen, dass wir künftige Generationen nachhaltig ernähren und beschäftigen können, und dem ‚business as usual‘ endlich ein Ende setzen.“
Ideen einreichen – den Kongress 2024 mitgestalten!
Ab Mitte August können auf der Website der Biofach Ideen für den Biofach Kongress eingereicht werden. Dann startet der Call for Ideas. In den verschiedenen Foren, unter anderem zu den Themen Nachhaltigkeit, Politik und Wissenschaft wird der Weg in die Zukunft durch einen engagierten Austausch aller Akteure entlang der Wertschöpfungskette geebnet. Für mehr Bio, für mehr Nachhaltigkeit und mehr Geschlechtergerechtigkeit.
1 www.oecd.org/publications/gender-and-food-systems-355ba4ee-en.htm
(Biofach/SAKL)