Bayerisches Zentrum für Tourismus veranstaltet dritten Jahresdialog zum Thema Wirtshaussterben
Gesprächsteilnehmer aus Wissenschaft, Politik und der Gastronomie berichteten aus der Praxis, erläuterten Herausforderungen und zeigten Lösungswege auf. Prof. Dr. Marco A. Gardini (stellvertretender Leiter des Bayerischen Zentrum für Tourismus) führte als Moderator durch die 90-minütige Veranstaltung.
„Nur, wenn alle an einem Strang ziehen, kann das Wirtshaus überleben“
In einem Impulsvortrag ging Prof. Dr. Marc Redepenning vom Lehrstuhl für Kulturgeographie an der Universität Bamberg auf die Merkmale und Funktionen der klassischen bayerischen Wirtshäuser ein. Sie seien einerseits bedeutsam für die Versorgung und die lokale Wirtschaftskraft, andererseits erfüllten sie eine spezielle Kulturfunktion. Ihre wichtigste Aufgabe liege allerdings darin, als sozialer Treffpunkt zu dienen und Menschen zusammenzuführen.
Um auch in Zukunft bestehen zu können, müsse die Treffpunktfunktion des Wirtshauses wieder gestärkt und ein Weg gefunden werden, die Menschen vor Ort mehr in die Prozesse mit einzubinden. „Nur, wenn alle an einem Strang ziehen, kann das Wirtshaus überleben“, betonte Prof. Dr. Marc Redepenning.
Dehoga steht unterstützend zur Seite
Monika Poschenrieder, Vorsitzende des Fachbereiches Gastronomie beim Dehoga Bayern und Geschäftsführerin im Forellenhof Walgerfranz in Bad Tölz, sieht das Wirtshaussterben als schleichenden Prozess, dem vielfältige Gründe wie der Fachkräftemangel, steigende Kosten oder die Corona-Pandemie zugrunde lägen. Um dem entgegenzuwirken, müssten einerseits neue Konzepte geschaffen, andererseits aber auch das authentische und traditionelle Wesen der Wirtshäuser erhalten werden.
„Die Dehoga bietet den Wirten ein breitgefächertes Unterstützungsprogramm und steht ihnen mit Rat und Tat zur Seite.“ Aktuell kämpfe der Verband unter anderem darum, dass die Mehrwertsteuer für Speisen nicht wieder auf 19 Prozent angehoben werde.
Mehr Verständnis für Wirte
Mehr Verständnis für die Wirte innerhalb der Bevölkerung forderte Rita Böhm, erste Bürgermeisterin des Marktes Kinding. „Die Wirtshäuser müssen alle auch etwas verdienen und ihnen gebührt mehr Wertschätzung von Seiten der Gesellschaft“, führte sie aus. Aus ihrer Sicht sollten die Gemeinden und die Bürger mehr miteinbezogen und neue Konzepte mit einer höheren Zielgruppenorientierung umgesetzt werden.
Das sah auch Wolfgang Eurisch, erster Bürgermeister der Gemeinde Biessenhofen, so. In seiner Gemeinde mussten in den letzten zehn Jahren drei von fünf Gaststätten schließen. Als Alternative dienten die Vereinsheime im Ort, die auffangen, „was wir in den Wirthäusern verloren haben.“
Etwaigen Förderprogrammen der Politik zur Verbesserung der Lage steht er skeptisch gegenüber: „Die Programme grenzen die Kreativität oftmals sehr stark ein und sorgen für viel Bürokratie.“
Kreative Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel
Dass ein traditionelles Wirtshaus auch heutzutage noch florieren kann, zeigten Muk und Karin Röhrl, Inhaber und Geschäftsführer der Gaststätte Röhrl in Sinzing, die als „ältestes Wirtshaus der Welt“ gilt.
„Wir führen unser Wirtshaus bereits in elfter Generation“, sagt Karin Röhrl. Um dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel entgegenzuwirken, greifen die Wirtsleute zu kreativen Maßnahmen.
„Wir haben Beschäftigte aus der ganzen Welt, von Kamerun bis Vietnam, angeworben, um den Betrieb aufrechterhalten zu können“, erklärte Muk Röhrl, und ergänzte: „Wir setzen auf unsere fachlich fundierte Ausbildung, einen Blick für die zeitgenössischen Entwicklungen der Branche, ein gutes Marketing, eine konkrete Positionierung und Authentizität.“