Steigende Lebensmittelpreise – wie gehen Gastronomen damit um?
Gegenüber dem Vorjahresmonat erhöhten sie sich im Großhandel in Deutschland laut jüngsten Berichten des Statistischen Bundesamtes um 22,6 Prozent. Das ist der höchste Anstieg seit Beginn der Berechnung im Jahr 1962. Im Februar hatte die Rate mit 16,2 Prozent bereits hoch gelegen. Im Monatsvergleich stiegen die Großhandelspreise im März um 6,9 Prozent, auch das ist ein Rekordzuwachs.
In den Ergebnissen dürften auch die ersten Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sichtbar sein, erklärten die Statistiker. Stichtag der Erhebung war der 5. März, also etwa eineinhalb Wochen nach der Invasion. Wir haben daher Gastronomen gefragt:
Geben Sie die Steigerung der Lebensmittelpreise an Ihre Gäste weiter/Müssen Sie die Preise dadurch ebenfalls anpassen?
Alexander Scharf, Gastro Urban: Ja, wir erhöhen die Preise. Dieses hatten wir angesichts des steigenden Lohnniveaus in diesem Jahr sowieso vor. Nach unserem Plan wollten wir unsere Löhne im Juli deutlich erhöhen. Dieses haben wir nun angesichts der explodierenden Preise in einem ersten Teilschritt auf Mai vorgezogen, um den Mitarbeitenden zusätzlich zur ersten Sofortmaßnahme – Tankgutschein – etwas mehr Luft zu geben. Nun werden wir die Preiserhöhungen in unseren Betrieben auch in zwei Stufen dazu noch deutlicher auf insgesamt bis 20 % umsetzen.
Marc Schumacher, Alte Posthalterei, Zusmarshausen: Wir geben und müssen die Preissteigerung natürlich an unsere Gäste weiter geben. Vor allem wenn wir weiter auch unsere Mitarbeiter und Lieferanten gut bezahlen möchten.
Mirko Silz, Geschäftsführer L’Osteria: Bisher haben wir in diesem Jahr noch keine Preisanpassungen vorgenommen. Jedoch sind wir aktuell in der Prüfung, ob und falls ja, in welcher Höhe sowie zu welchem Zeitpunkt wir einen Teil unserer gestiegenen Kosten umlegen müssen. Dabei lässt es sich sicherlich nicht komplett vermeiden, einen Teil der gestiegenen Kosten an die Verbrauchern weiterzugeben. Auch wir sind als Unternehmen stark von den steigenden Preisen im Rohstoff- und Materialmarkt betroffen, genauso wie von steigenden Energiepreisen. Wir erleben Preissteigerungen noch nie dagewesenen Ausmaßes und Tempo. Zudem ist ein Ende dieser Entwicklungen derzeit nicht abzusehen. So verzeichnen wir aktuell bei steigenden Kosten rückläufige Erträge, die nur zum Teil perspektivisch an die Verbrauchern weitergegeben werden können, da deren Konsum- und Ausgabenbereitschaft nach zwei Jahren Pandemie und neuerdings auch Krieg eher zurückhaltend ist.
Und wie kommunizieren Sie die Erhöhungen gegenüber dem Gast?
Alexander Scharf, Gastro Urban: Dafür haben wir im Team eine Vielzahl von Maßnahmen vereinbart, die in einer „Mission Begeisterung“ zusammengefasst sind. Am Ende geht es darum, unseren Gästen die Preiserhöhung im wahrsten Sinne schmackhaft zu machen. Da reden wir über eine Steigerung der methodischen, fachlichen und sozialen Kompetenzen unserer Mitarbeitenden und Auszubildenden, um unsere Gäste noch mehr von uns begeistern zu können. Dazu kommen neue Anrichteweisen, veränderte Portionierungen, neues Geschirr, Investitionen in das Ambiente und die Sicherheit sowie klügeres Einkaufsverhalten.
Marc Schumacher, Alte Posthalterei, Zusmarshausen: Wir setzen dass ganz transparent um, es ist ja schließlich in den Medien und auch sonst in aller Munde. Dies schreiben wir auf der Speisekarte und auch auf den social Media Kanälen um, was aber am, besten ankommt ist, wenn unsere Mitarbeitenden dies den Gästen weitergeben!
Wie regieren die Gäste denn darauf?
Alexander Scharf, Gastro Urban: In der Kommunikation sind wir sehr klar und offen. Wir produzieren gerade ein kurzweiliges Video zu unserer „Mission Begeisterung“, in dem wir für höhere Preise werben und versuchen, einen Mehrwert zu verkaufen und auf unsere Rolle für die Gesellschaft hinweisen. Die Reaktionen auf unsere Kommunikation im Social Media ist sehr positiv und verständnisvoll. Am Ende wird es sich aber zeigen, ob es nur Lippenbekenntnisse sind und der Konsum eingeschränkt werden wird. Diese Situation zwingt die Branche nun aber endlich dazu, vernünftige Preise selbstbewusst zu fordern. Ob es jedem betrieb gelingen wird, diese auch am Markt durchzusetzen, bezweifle ich. Glücklicherweise zahlen viele Maßnahmen, die wir in den letzten 2 Jahren getroffen haben, auch auf diese Situation ein, so dass wir glauben, auch diese Krise gut überstehen zu können.
Marc Schumacher, Alte Posthalterei, Zusmarshausen: Naja positiv kommt dies nicht an, da natürlich sehr viel teurer wird, aber es wird verstanden, denn wir können ja nicht auf alles verzichten. Genau das ist beziehungsweise war das Problem, während Corona. Hier hatten viele Wirte gar keine Rücklagen gebildet, weil sie Preissteigerungen nie weitergegeben haben. Daher existieren leider viele Gaststätten nicht mehr und dadurch hat sich auch das Personalproblem noch mehr herauskristallisiert. Viele Arbeitgeber sind so gar nicht fähig gute und faire Löhne zu bezahlen! Das können wir natürlich unseren Mitarbeitenden nicht antun, auch wir haben dieses Jahr Weihnachtsgeld und Gehaltsanpassungen vorgenommen! So sind wir immer noch über Tarif!
Vielen Dank für diese offenen Gespräche!
(KG)